Politik | Affäre

Alfreiders Hütten

Der angehende Landesrat Daniel Alfreider verschiebt und baut vier Almhütten. Die FF enthüllt einen Skandal, der für den Landesrat in spe nachhaltige Folgen haben könnte.
Die Nachricht kommt für Daniel Alfreider zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.
Die Staatsanwaltschaft Bozen hat Vorermittlungen gegen den ehemaligen ladinischen SVP-Kammerabgeordneten eingeleitet. Dabei betreffen die Ermittlungen der Gerichtsbehörde unter der Leitung des stellvertretenden Staatsanwaltes Igor Secco gleich zwei verschiedene Angelegenheiten.
Zum einen gehen die Beamten der Gerichtspolizei der Hypothese nach, dass die Schafzucht auf Alfreiders Hof nur fiktiv sei, um die Erweiterung und den Bau eines Luxuschalets durchzusetzen. Zum anderen sind jetzt mehrere unorthodoxe Kubaturverschiebungen des Gadertaler SVP-Politikers in den Fokus der Ermittler geraten. Sowohl in der Gemeinde Corvara als auch bei den zuständigen Landesbehörden wurden bereits Akten und Dokumente beschlagnahmt.
Beide Affären wurden 2018 von der Wochenzeitung FF aufgedeckt und detailliert nachrecherchiert.
 

Wunderbare Verschiebung

 
Die Recherche „Der Hüttenzauber“ in der aktuellen FF-Ausgabe zeichnet ein mehr als bezeichnendes Sittenbild der Gadertaler Urbanistik. FF-Redakteur Karl Hinterwaldner enthüllt, mit welcher urbanistischen Akrobatik und politischen Spitzbübigkeit Daniel Alfreider den Abbruch, die Kubaturverlegung und den Wiederaufbau von gleich vier Almhütten geplant und umgesetzt hat.
 
Erschwerend hinzu kommt, dass Alfeider vor seinem Sprung ins Parlament nach Rom zuständiger Bauassessor in der Gemeinde Corvara war und damit als Amtsperson auch haftbar für mögliche Vergehen ist. Denn die Weichen für die Verlegung von zwei Kochhütten von unterhalb des Grödner Joches in die Nähe von Alfreiders Hof, perfekt platziert am Rande einer Skipiste und eines neuen Skilifts, dürfte kaum durch bestehende Bestimmungen sanierbar sein.
Der Grund: Das Landesgesetz sieht eine Verlegung von maximal 100 Metern vor. Alfreiders Hütten wurden aber um 1,3 Kilometer verschoben. Der Beweis, dass diese Verlegung so nicht rechtens sein kann, steht gleich neben den neuen Kochhütten Alfreiders: Dort versucht ein Nachbar des SVP-Politikers seit Jahren, eine Hütte um 150 Meter zu verschieben. Das Vorhaben wurde mehrmals von der Gemeinde abgelehnt, weil die Distanz zu groß sei.
Deutlicher kann eine Ungleichbehandlung wohl kaum sein.
 

Verschwundene Hütten

 
Hat Alfreider diese Operation bereits 2013 durch Beschlüsse des Gemeinderates und der Baukommission eingefädelt, so hat er zwei Jahre später ein zweites – noch kühneres – Bauvorhaben umgesetzt. Auch dieses Mal geht es um die Verlegung von zwei Almhütten. Sie sollen dabei gleich um 4,3 Kilometer Luftlinie verlegt werden. Die Hütten standen angeblich auf einem murengefährdeten Hang oberhalb von Corvara und sollen – wie kann es anders sein- zufällig ebenfalls am Rande der neuen Skipiste neu aufgebaut werden. Wobei die Gemeindebauordnung in allen vier Fällen eine Verdoppelung der ursprünglichen Kubatur zulässt.
 
In diesem zweiten Fall ist aber nicht nur die Distanz der Verlegung verdächtig, sondern noch deutlicher die Tatsache, dass es im Bauakt keinerlei Beleg gibt, ob und wo die angeblich von einer Mure abgetragenen Hütten überhaupt standen. Alle zuständigen Landesämter gehen davon aus, dass es die Hütten nie gegeben hat. Sie scheinen weder auf einem Foto oder einem Plan auf. „Die Hütten gab es“, sagt hingegen Daniel Alfeider im FF-Interview.
Auch wenn sich herausstellen sollte, dass Alfreider in diesem Punkt Recht hat, eines ist jetzt schon sicher: Fahrlässiger und gleichzeitig zuvorkommender kann eine Verwaltung wohl kaum vorgehen.
 

Rote Zone

 
Ich brauche diese Hütten, um meinen Hof wieder in Schwung zu bringen“, rechtfertigt Daniel Alfreider seinen „Hüttenzauber“. Der Bauingenieur stilisiert sich gerne als Bauer mit 50 Schafen, dem es ausschließlich um das Überleben seines landwirtschaftlichen Familienbetriebes geht. Die Verlegung der Hütten begründet der SVP-Politiker mit der Tatsache, dass sie allesamt „in einer roten Zone standen“.
Dabei ist es Daniel Alfreider selbst, der inzwischen in einer „roten Zone“ steht.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft stehen noch ganz am Anfang. Ob und wann es zur Anklageerhebung kommen wird, klärt sich wahrscheinlich erst in rund einem Jahr. Doch der Schaden für Daniel Alfreider ist allein durch das Bekanntwerden der Immobilienoperationen größer als angenommen.
Ein Landesrat, der unter Ermittlung steht, dürfte wohl kaum tragbar sein.
Alfreider steht vor der Übernahme seiner Agenden in der Landesregierung. Der ehrgeizige Gadertaler Ingenieur will dabei ein möglichst gut bestücktes Ressort bekommen. Weil Alfreider von Landeshauptmann Arno Kompatscher als enger Mitstreiter gesehen wird und von diesem überredet wurde von Rom in die Landesregierung zu wechseln, ging man bisher davon aus, dass der ladinische Landesrat ein Super-Assessorat bekommen würde: Straßen, öffentliche Arbeiten, Mobilität und sogar Urbanistik.
 
Den letztgenannten Bereich wird sich Daniel Alfreider jetzt abschminken müssen. Es wäre eine Schlag in Gesicht nicht nur der Wähler, sondern noch mehr der zuständigen Landesbeamten, die das Treiben des SVP-Politikers seit langem mit Kopfschütteln und Entsetzen mitverfolgen.
Damit schwächt sich auch die Position Alfreiders gegenüber seinem SVP-internen Widersacher Manfred Vallazza.
Vor allem aber könnten sich die vier Kochhütten zu einer veritablen politischen Krise ausweiten, wenn die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen zu einer Anklageerhebung führen sollten. Ein Landesrat, der unter Ermittlung steht, dürfte wohl kaum tragbar sein.
Auch dann, wenn im bauern- und hotelierschlauen Gadertal vieles geht, was anderswo unvorstellbar ist.