Eigentlich wollte ich meine geneigten Leser*Innen ja heute mit einem Bericht aus einer bekannten Badeanstalt verwöhnen, ihnen ein literarisches Wellness-Erlebnis bescheren, sozusagen. Daraus wird nun leider nichts, weil mir eine dieser Läuse über die Leber gelaufen ist, die den Rage-Motor in mir anwerfen, und dass entspannte Geschichtchen nicht mehr möglich sind, wenn der mal vor sich hin knattert und poltert, versteht sich von selbst.
Die Laus, oder besser: die Läuse haben wohl meine Kolumnen gelesen und sich darauf gedacht, aha, lustig lustig, gleich mal Freundschaftsanfrage auf Facebook schicken, wir haben denselben Humor. Da ist prinzipiell auch nichts dagegen einzuwenden. Ich nehme Freundschaftsanfragen auch von Fremden an, poste als Konsequenz aber keine privaten Sachen mehr auf Facebook. Man kriegt also Leseempfehlungen von mir, aber keine Urlaubsfotos. Was meine „Freunde“ posten, sehe ich mir an, wenn’s mich interessiert, ansonsten gibt’s, Gott sei gedankt, die „Nicht mehr abonnieren“-Funktion. Man bleibt also verbunden, muss sich aber nicht mehr das hundertste Katzenvideo oder trillionste Gewinnspiel reinziehen. (An dieser Stelle: Haben Sie jemals ein solches Gewinnspiel gewonnen? Kennen Sie jemanden, der ein solches Gewinnspiel gewonnen hat? Warum also die Gratis-Werbung?)
Ich fragte mich, hatten sie meine Texte gelesen? Waren sie der deutschen Sprache mächtig?
So weit, so gut. Beziehungsweise gar nicht gut. Denn wie ich feststellen musste, dankten einige Neuzugänge lieb mit Herzchen und Winkewinke für die „Freundschaftsannahme“, nur um mir sogleich die Timeline mit Unrat vollzupflastern. Verschwörungstheorien, Salvini-Verherrlichungen. Rassistenscheiße. Ich fragte mich, hatten sie meine Texte gelesen? Waren sie der deutschen Sprache mächtig? War das billigste Provokation, oder merkten sie tatsächlich nicht, dass sie hier auf dem falschen Planeten gelandet waren? Bei solchen Individuen mache ich kurzen Prozess: Hier wird nicht nur nicht mehr abonniert, hier wird ratzeputz entfernt. Raus, sofort! Ein digitales Zeigen, „wo der Maurer ‘s Loch glossen hot“, wie unser Dialekt so charmant umschreibt. Das mache ich übrigens nicht nur bei Fremden so, sondern auch bei Bekannten, die sich online plötzlich als hetzerische Kleingeister outen. „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber…“. Aber eigentlich doch.
Nun höre ich schon den Aufschrei: Wieder so ein linkslinker Gutmensch! Weltfremd und verblendet! Suhlt sich in seiner Filterblase anstatt auch mal der Gegenseite zuzuhören! Lässt keine Argumente gelten außer den eigenen! What about Demokratie? What about Meinungsfreiheit? Pfui, Spinne!
Meinetwegen. Mögt ihr geifern und speien, ich rede nicht mit euch. Nicht mehr. Ich habe euch lange zugehört, ich habe lange diskutiert, ich habe lang genug Geduld gehabt. Die ist mir jetzt zu schade. Über Menschenrechte ist nicht zu verhandeln. Darüber, ob man in Not geratene Menschen aus dem Mittelmeer retten soll, braucht man nicht diskutieren. Das gebietet die Menschlichkeit. Wer so tut, als wäre dies Ansichtssache, offenbart ein moralisches Vakuum. Da kann man noch so viele Katzenvideos posten: Nein, du bist kein guter Mensch.
Toleranz kann man auch falsch verstehen. Ich muss nicht jede Meinung tolerieren, vor allem, wenn ihr Träger nicht daran interessiert ist, sie in Frage zu stellen und gegebenenfalls zu revidieren. Den Vorwurf der Intoleranz muss man sich deshalb nicht gefallen lassen. In seinem Aufsatz über „repressive Toleranz“ bestätigt der Philosoph Herbert Marcuse, dass Toleranz da aufhört, wo es darum geht, Intoleranz zu akzeptieren. „Toleranz wird in dem Moment, in dem man das tut, repressiv, weil sie dann – statt Freiheit, Offenheit und Emanzipation zu fördern – Intoleranz als Deckmantel dient“, so
dieser kluge Artikel über das Reden mit Rechten.
Ich lasse nicht schweigend zu, wie ihr euren Mist verbreitet. Wir waren lang genug still und geduldig, nun ist es an der Zeit klar Position zu beziehen.
Wer sich je die Mühe gemacht hat, mit Salvini-Sympathisanten zu reden, wird ohnehin gemerkt haben, dass jeder Versuch, sie umzustimmen, mit der Verhärtung ihrer Position endet. Ob aus intellektueller Überforderung oder Trotz, danach geben sie sich überzeugter als zuvor. Deshalb: Raus aus meiner Timeline. Ich gebe euch kein Podium. Ich lasse nicht schweigend zu, wie ihr euren Mist verbreitet. Wir waren lang genug still und geduldig, nun ist es an der Zeit klar Position zu beziehen. Auch wenn es unsere Freunde sind, die da verbalen Müll absondern. Man macht sich auch schuldig, indem man Dinge zulässt.