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Die Betrugsermittlung

Die Staatsanwaltschaft Bozen will Anklage gegen fünf ehemalige hochrangige Funktionäre der Sparkasse erheben. Im Mittelpunkt der Ermittlungen: Die Kapitalerhöhung 2012.
Der Bescheid der Staatsanwaltschaft kam um den Jahreswechsel. Es ist eine Mitteilung über den Abschluss der Vorermittlungen (Art. 415bis der Strafprozessordnung). 
Das Schreiben ging an fünf hochrangige Exponenten der Südtiroler Sparkasse: Den langjährigen Präsidenten der Sparkasse Norbert Plattner, den ehemaligen Generaldirektor Peter Schedl, dessen Stellvertreter Richard Seebacher, Ex-Finanzchef Sergio Lovecchio und den amtierenden Leiter der Abteilung Rechtswesen in der Sparkasse, Luca Cristoforetti. 
Die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft in der Mitteilung gegen die fünf unter Ermittlungen stehenden Personen erhebt, sind schwerwiegend: Betrug, Kursmanipulation (Aggiotaggio) und falsche Angaben bei der Erstellung einer öffentlichen Informationsbroschüre (Falso in prospetto). Dazu kommen noch weitere mutmaßliche  Verstöße gegen das Bankengesetz (Testo Unico Bancario – TUB) und gegen den Einheitstext für das Finanzwesen (Testo Unico della Finanza – TUF).
Im Mittelpunkt der Anklage steht die Kapitalerhöhung der Südtiroler Sparkasse 2012. 
 

Die Ermittlungen

 
Diese Aktion ist nur ein Strang in der Ermittlung der Bozner Staatsanwaltschaft zu den Millionenverlusten der Südtiroler Sparkasse.
Die Vorerhebungen laufen dazu seit drei Jahren und wurden noch vom damaligen leitenden Staatsanwalt Guido Rispoli eingeleitet. Ende Februar 2016 durchsuchten Beamte der Carabinieri-Sondereinheit ROS den Sparkassensitz und beschlagnahmten nicht nur kistenweise Akten und Dokumente, sie stellten auch mehrere Terabyte an Daten auf den Bankenservern sicher.
Chefstaatsanwalt Rispoli zog für die Ermittlung von Anfang an einen Bankenfachmann als Gutachter der Staatsanwaltschaft bei: Den damaligen Vizedirektor der Banca d'Italia Bozen, Maurizio Silvi. 
Silvi arbeitet für die Staatsanwaltschaft ein 80 Seiten starkes Gutachten aus, in dem vier zentrale Punkte detailliert beleuchtet werden. 
 
  • Die Entwicklung der Fondsverwaltungsgesellschaft und Sparkassentochter „Raetia SGR SPA“;
  • Die Kapitalerhöhung 2012;
  • Die Vergabe „unüblicher“ Kredite;
  • „Unübliche“ Immobiliengeschäfte;
 
Nach dem Wechsel von Giudo Rispoli als Oberstaatsanwalt nach Campobasso übernahm dessen Nachfolger Giancarlo Bramante die Ermittlungen. Bramante zeichnet jetzt zusammen mit dem stellvertretenden Staatsanwalt Igor Secco auch für die letzten Schritte verantwortlich.
Seit längerem hat die Bozner Finanzwache zusammen mit den ROS-Beamten die Ermittlungen übernommen. Nach Informationen von salto.bz wurde vor einigen Monaten in der Sparkassen-Zentrale erneut  eine Vielzahl von Unterlagen beschlagnahmt.
 

Die Eingabe

 

Deutlichen Schwung aufgenommen hat dieser Teil der Ermittlungen durch eine Eingabe, die der Vorsitzende der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS), Walter Andreaus, und Rechtsanwalt Massimo Cerniglia bereits im Februar 2017 gemacht haben.
Die Verbraucherzentrale beanstandet darin, dass es bei der Kapitalerhöhung der Sparkasse im Jahr 2012 zu schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten gekommen sei. „Wir haben Dutzende Fälle dokumentiert, bei denen es nach unserer Meinung klare Verletzungen der Bestimmungen gegeben hat“, sagt VZS-Anwalt Cerniglia.
Die Eingabe hat zwei Standbeine. Zum einen habe die Sparkasse während der Kapitalerhöhung hunderten Kunden ein neues Profil erteilt, das nach Darstellung der VZS sehr oft der Realität nicht entsprochen habe,  und erst dieses Profil habe es dem Kunden ermöglicht, weitere Sparkassenaktien zu erwerben.
Diese Vorwürfe werden im Gutachten der Staatsanwaltschaft durch Fakten, Daten und Dokumente untermauert. Zudem kommt auch die Börsenaufsicht CONSOB in ihrem Inspektionsbericht von 2014 - der salto.bz vorliegt - zu einem ähnlichen Resümee. 
 
In der Eingabe beanstanden die Verbraucherschützer aber auch, dass in der vom Gesetz vorgeschriebenen Informationsbroschüre zur Kapitalerhöhung grundlegende Informationen unterschlagen worden seien. Vor allem der wahre Zustand der Sparkassentochter „Raetia SGR SPA“. Der Vorwurf: Man habe bei der Kapitalerhöhung das sich abzeichnende Millionengrab ganz bewusst verschwiegen, um so die potentiellen Aktienkäufer in die Irre zu führen.
Inzwischen haben Dutzende Aktionäre über die Verbraucherzentrale Anzeige bei der Gerichtspolizei erstattet. 
 

Die Vorwürfe

 
Im Herbst 2012 hat die Sparkasse eine Kapitalerhöhung von 94,5 Millionen Euro durch eine Aktienausgabe umgesetzt. Dazu wurden 450.000 Stammaktien der Bank mit einem Ausgabepreis von 210 Euro emittiert.
Die Bank muss für jede Kapitalerhöhung ein öffentliches Dokument vorlegen, in dem die Bank durchleuchtet und alle Kennzahlen, Risiken und Verbindlichkeiten lückenlos dargestellt werden. Im Südtiroler Deutsch wird dieses Dokument „Informationsprospekt“ genannt. Diese Broschüre muss vorab von der Börsenaufsicht CONSOB und der Banca D’Italia genehmigt werden. 
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Der Zustand der Bank sei in diesem Dokument bewusst weit besser dargestellt worden, als er wirklich war.
So waren die Angaben zum Tochterunternehmen Raetia in der Informationsbroschüre der Sparkasse aus dem Jahr 2012 äußerst spärlich. Im 250-Seiten-Schriftstück heißt es zwar: „Es wird festgehalten, dass sich die Gesellschaft Raetia SGR AG zum Datum der Erstellung des Halbjahresabschlusses 2012 in Liquidation befindet.“ Die Kontrollberichte der Banken- sowie der Börsenaufsicht, in denen die Zwangsauflösung der Sparkassentochter wegen fehlender Kontrollen und vor allem wegen der Überschuldung der Fonds verlangt wird, werden nicht erwähnt.
 
Die Ermittler gehen auch davon aus, dass man auch die Risiken bewusst unterbewertet habe. Die Information an die potentiellen Aktionäre gründet auf der Halbjahresbilanz 2012 der Sparkasse, die mit einem Gewinn von 18,1 Millionen Gewinn schloss. Der Tatverdacht: Man habe die Situation weit besser dargestellt, als sie gewesen sei und so die Anleger getäuscht.
Zudem wird auch der Versuch einer Marktbeeinflussung (TUF Art. 185, „Manipolazione di mercato“) und der Nutzung von Insiderinformationen (TUF Art. 187-bis, „Abuso di informazioni privilegiate“) untersucht.
 

Die Personen

 
Die Ermittlungen richten sich jetzt gegen fünf Personen. Es ist die ehemalige Sparkassenspitze. Ex-Sparkassenpräsident Norbert Plattner arbeitet heute als Wirtschaftsberater. Generaldirektor Peter Schedl ist wieder nach Deutschland zu seinem früheren Arbeitgeber, der „Deutschen Bank,“ zurückgegangen. Vizegeneraldirektor Richard Seebacher ging im vergangenen Jahr in Rente. 
Luca Cristoforetti ist der Einzige, der auch heute noch als Führungskraft in Sparkasse tätig ist. Der Trentiner Manager ist derzeit Chef der Rechtsabteilung der Sparkasse und Verantwortlicher der Direktion für „Non Performing Exposures“, und damit für die finanziellen Altlasten der Bank zuständig. Cistoforetti hatte ab Jänner 2011 die Leitung der Dienststelle für Problemkredite (Servizio Risanamento Crediti) in der Bank inne. In dieser Rolle dürfte er jetzt zum Handkuss kommen.
Sollten sich die Vorwürfe erhärten, könnte es für einen aber beruflich besonders problematisch werden. Sergio Lovecchio, langjähriger Chef der Abteilung „Finanzen und Controlling“ in der Sparkasse, saß nicht nur im Verwaltungsrat der krisengeschüttelten „Raetia SGR AG“, sondern er war auch der Verantwortliche für die Broschüre, die jetzt im Fokus des Falles steht.
Auch Sergio Lovecchio hat inzwischen Arbeitgeber gewechselt. Er ist seit zwei Jahren Generaldirektor der „Penslan Invest SRG“. Die Fondsverwaltungsgesellschaft wurde im vergangenen Jahr vom Land übernommen. Als öffentlichen Verwalter treffen die Anschuldigungen Lovecchio deutlich schwerer.
Noch muss sich zeigen, ob es zur Anklagerhebung kommen wird. Der Zeitraum nach der Mitteilung über den Abschluss der Vorermittlungen, in der die Betroffenen eine Anhörung verlangen können, ist inzwischen abgelaufen. Weil ein Teil der Betroffenen bereits in einer Vorphase mit ihrem Anwalt von der Gerichtspolizei angehört wurde und auch Verteidigungsschriftsätze hinterlegt haben, hat sich – nach Informationen von salto.bz – die Ausgangslage nicht verändert.
Demnach könntedie Staatsanwaltschaft in den nächsten Wochen Anklage erheben. Ein Voruntersuchungsrichter wird dann entscheiden müssen, ob es zur Einleitung des Hauptverfahrens kommt.
 
 
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Renate Holzeisen Do., 07.02.2019 - 08:21

Die Wahrheit braucht speziell in "eigentümlichen" Systemen einen sehr langen Atem. Mögen sich die Vertreter der sog. Vierten Gewalt, die es gerade in "besonderen" Systemen braucht, deshalb niemals mundtot machen lassen ... non tutto il male viene per nuocere!

Do., 07.02.2019 - 08:21 Permalink
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rotaderga Do., 07.02.2019 - 08:39

Meinst du mit vierter Gewalt den Stammtisch? Die Presse ist verlängertes Sprachrohr der ersten drei Gewalten. Oder liege ich da falsch?

Do., 07.02.2019 - 08:39 Permalink
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Steuer Zahler Do., 07.02.2019 - 08:44

Bravo Franceschini !
Wenngleich mit Jahren Verspätung kommen nun einige der viel kritisierten Geschäfte der Sparkasse offiziell in den Gerichtssaal.
Die Täuschung der Anleger bei der hier beschriebenen Kapitalerhöhung wird umso deutlicher, wenn man daran erinnert, dass nur ein paar Monate nach abgeschlossener Kapitalerhöhung ein Jahresgewinn von fast demselben Betrag mitgeteilt wurde, wie der Betrag für die ersten 6 Monate des Jahres.
Vor der Kapitalerhöhung hatte man ja den Kunden und Anlegern einen Gewinn über 6 Monate von ca. € 18 Milionen mitgeteilt, kurz nach derselben war es für die ganzen 12 Monate fast genausoviel. Da die Kapitalerhöhung mi Herbst stattfand, kann man annehmen, dass die Verantwortlichen der Sparkasse zu jenem Zeitpunkt schon wussten, dass die Geschäfte nicht so gut liefen, wie in der ersten Jahreshälfte dargestellt. Davon wurde den Kunden aber im Herbst bei laufender Zeichnung der Aktien nichts mitgeteilt.
Oder könnte man sognar annehmen, dass die Zablen der ersten Jahreshälfte unrealistisch positiv dargestellt waren und der Überzeugung der Kunden dienen sollten ?
Egal wie man’s dreht, es war offensichtlich eine Kommunikation im Gange, die den Kunden eine verschönerte Situation darstellte. Die Staatsanwalt überprüft ja nun, ob diese geschönte Kommunikation mit Absicht und Kalkül erstellt wurde, oder ob die Verantwortlichen zu jenem Zeitpunkt wirklich nichts von den vielen Problemen und Verlusten wussten (im Grunde das Verteidigungsargument der Sparkasse). Im zweiten Fall, was die Sparkasse behauptet, hatte die Bank also eine ganze Handvoll unfähiger Leute in der Führung, die die Lage des eigenen Betriebes nicht einzuschätzen vermochte.
Auch kein gutes Bild für jene, die diese Leute ausgewählt hatten ...

Do., 07.02.2019 - 08:44 Permalink