“Neues ist schwer vorstellbar”
Werner Tscholl will am Rosengarten seine Spuren hinterlassen. Mit “Laurins Kristall” macht sich der gebürtige Latscher Stararchitekt nicht nur Freunde. “Mit dem Vorwurf des Größenwahns arbeite ich seit 40 Jahren”, gesteht der 64-Jährige. Und sagt: “Wenn ich nicht absolut sicher wäre, etwas Richtiges zu denken, würde ich es lassen.”
salto.bz: Herr Tscholl, wie ist die Idee zu “Laurins Kristall” entstanden?
Werner Tscholl: Es ist ganz einfach: Jede Architektur muss eine Geschichte erzählen, jede Architektur braucht einen Hintergrund. Denn das ist die einzige Möglichkeit, sie zeitlos zu machen. Ansonsten ist alles willkürlich – und das wollen wir nicht. Wir wollen diese Geschichte auch in 50 oder 100 Jahren noch erzählen können und immer noch wissen, warum wir ein bestimmtes Projekt in dieser Form machen. Dort oben, unterm Rosengarten, hat uns die Laurin-Sage angeregt, die Mythologie des Zwergenkönigs, der dort seine Höhlen und diesen Kristallpalast besitzt. Und es genügt, ganz leicht an der Oberfläche zu kratzen, um alles zu finden, was Jahrhunderte vorher die Leute angeregt hat, reine Architektur im Rosengarten zu sehen. Denn der Rosengarten selbst ist reine Architektur und Skulptur.
Mit dem Vorwurf des Größenwahns arbeite ich seit 40 Jahren.
Was sieht Ihr Projekt vor?
Der große Gedanken, der dahinter steckt, ist, zwei Sachen zu vereinen: die neue Seilbahnstation für die Zehnerkabinen-Bahn und ein Besucherzentrum. Das Besucherzentrum heißt “Touch the Dolomites” und soll es erlauben, mit den Dolomiten richtig in Berührung zu kommen, die Berge nicht nur physisch, sondern auch mit dem Herzen zu begreifen und direkt anzufassen.
Wenn wir ehrlich sind: Die Seilbahnstationen, die auf unseren Bergen herumstehen sind nicht schön. Deshalb war unsere Idee, alt und neu gegenüberzusetzen: Alles, was reine Technik ist, alles, was an sich im Prinzip schon hässlich ist – eine standardisierte Seilbahnstation kann noch so schön ausschauen, sie wird auf diesem Berg nie schön sein –, alles, was der Umwelt dort oben nicht zuträglich ist, wird im Berg versteckt, aus dem Auge des Betrachters beziehungsweise des Besuchers weggebracht. Es bleibt nur die bestehende Kölner Hütte, ein Bau aus 1899, die damals auch richtig gemacht, später aber schlecht umgebaut und erweitert wurde. Diesem Bestand wird ein neues Bauteil in Form eines gläsernen Kristalls gegenübergesetzt: Laurins Kristall.
Sie setzen dabei auf Glas. Weshalb?
Gläsern soll der Kristall deshalb werden, weil er dadurch durchsichtig wird, mit der Landschaft verschmilzt, in ihr verschwindet, Ausdruck unserer Zeit ist. Wir haben nicht mehr 1899, wo wir mit Stein arbeiten, sondern müssen mit dem Glas aufzeigen, in welcher Zeit wir leben.
Der Kristall würde leer bleiben?
Nein. Der Kristall gehört zu “Touch the Dolomites”, das auf fünf Geschossen angelegt ist. Der Kristall selbst ist, wenn man es ganz genau nehmen will, auf vier Ebenen angelegt. Drei Geschosse sind oberirdisch, darunter gibt es eine große Höhle. Wenn man von unten in diese Höhle hineinkommt, sieht man von dort aus bereits den Kristall, wie er aus dem Untergrund herauskommt. Ganz unten gibt es eine Installation, die fix bleibt. Auf den nächsten zwei Ebenen – immer noch im Kristall – gibt es auch wieder fixe Ausstellungen zu bestimmten Themen. Die letzten zwei Ebenen sind für alles mögliche gedacht: Veranstaltungen, Wechselausstellungen, Kunstinstallationen, Bilder- oder Fotoausstellungen, Geologieausstellungen. Der letzte Raum ganz oben ist ein Aussichtsraum, wo die Besucher am Ende des Rundgangs das 360-Grad-Panorama des Rosengartens und dieser Landschaft total erfahren können.
Am Montag Abend haben Sie das Projekt öffentlich in Welschnofen präsentiert. Wie gefällt den Welschnofnern die Geschichte, die Sie erzählen wollen?
Ich kann das natürlich schlecht beurteilen, weil ich nicht jeden der Anwesenden gehört habe und man auch nie weiß, welche Leute zu solchen Veranstaltungen kommen. Wenn man als Indikator den Applaus hernimmt, dann würde ich sagen, dass zumindest mehr als drei Viertel dafür waren. Alle Wortmeldungen, die es für den Kristall gegeben hat, haben sehr starken Applaus bekommen. Und auch der Gemeinderat hat sich mit sehr großer Mehrheit dafür ausgesprochen.
Es ist beinahe naturgegeben, dass neue Projekte Gegner auf den Plan rufen. Bei “Laurins Kristall” ist es nicht anders, wie Sie mitbekommen haben?
Ja, das gehört dazu und ist auch nicht weiter schlimm. Natürlich hat jeder das Recht, ein Projekt zu beurteilen – und es auch negativ zu beurteilen.
Was aber sagen Sie zu Vorwürfen wie, das Projekt sei “Größenwahn”?
Mit diesem Vorwurf arbeite ich schon seit 40 Jahren. Und ich kann aus Erfahrung sagen, dass spätestens wenn meine Bauwerke fertig gestellt sind, diese Kritik plötzlich verstummt – man hört dann eigentlich nicht mehr viel. Es ist vielfach einfach, so glaube ich, eine Befürchtung, die der Mensch insgesamt hat, vor Neuem. Man kann sich das Neue schwer vorstellen. Ich verstehe das auch. Denn wir haben, logischerweise, mit dieser Materie zu tun – und für jeden, der nicht involviert ist, ist es sehr schwierig, ein Projekt von vornherein zu beurteilen.
Aber auch für uns ist es jedes Mal – ich gebe das gerne zu – eine große Frage: Darf ich hier überhaupt etwas machen oder ist es besser, ich fange erst gar nicht an? Und nur wenn ich tausendprozentig sicher bin, dass ich es schaffe, für diese Gegend, für diesen Platz etwas wirklich Richtiges zu denken – erst dann traue ich mich überhaupt erst den Bauherrn anzurufen und das Projekt zu zeigen. Ansonsten sage ich von vornherein nein, ich traue mich nicht. So wie wir es auch manchmal schon gemacht haben in unserer Karriere.
Würden Sie sagen, mit “Laurins Kristall” liebevoll mit dem Berg umzugehen?
Das hätten wir schon gedacht. Denn was wäre die Alternative? Wir lassen die Kölner Hütte so, wie sie ist, mit dem Gastronomiebetrieb darunter, der sicher auch – das können wir ruhig sagen – keinen Schönheitspreis gewinnen wird. Dann stellen wir uns vor, dass weiter unten noch einmal eine Bergstation gebaut wird – und dann vielleicht noch ein Besucherzentrum dazugestellt. Dann haben wir dort oben vier oder fünf einzelne Gebäude. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Lösung für diese Umgebung sein sollte. Deswegen war ja die Idee geboren, wir verstecken uns und zeigen nur einen ganz kleinen Teil. Es schaut wirklich nur dieser Turm heraus, der auch nicht 18 Meter hoch ist, wie ständig geschrieben wird. Sondern er ist auf der Rückseite zwei Geschosse und auf der Vorderseite drei Geschosse hoch. Der Turm kommt also tatsächlich wie ein Kristall aus der Erde heraus. Aber eine gewisse Größe braucht es – mickrig darf man in dieser Landschaft auch nicht sein.
Wir machen nichts anderes als mythologische Archäologie. Man braucht an dieser Stelle nur ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen und findet von selbst Laurins Kristall, den die Sage so lange verborgen hat.
Wollen Sie mit Ihrem Kristall dem Rosengarten die Show stehlen, wie Ihnen vorgeworfen wird?
Das wäre das größte Kompliment, das Sie einem Architekten machen können! In diese Kategorie würde ich mich nie einordnen! Wie soll ich als Architekt gegen den Rosengarten ankommen? Nein, ich kann mich nur demütig dazugesellen. Aber ich darf mich auch nicht schämen müssen am Ende. Das ist das einzige Kriterium – ich muss ja morgen vielleicht noch dort vorbeikommen und kann nicht sagen, ich meide die Kölner Hütte mein Leben lang, weil ich dort oben wirklich etwas verbrochen habe.
Wie geht es mit dem Projekt jetzt weiter?
Es sind zwei verschiedene Projekte, die parallel laufen: Einmal die Seilbahn und einmal das Besucherzentrum. Die Seilbahn sollte theoretisch morgen (Mittwoch, Anm.d.Red.) auf der Sitzung der zuständigen Landeskommission behandelt werden. Wenn sie genehmigt würde, könnte man sich auch vorstellen, noch in diesem Jahr mit den Arbeiten zu beginnen. Der Kristall mit dem Besucherzentrum ist eine andere Schiene und liegt jetzt zur Genehmigung in der Gemeinde auf. Von dort geht das Ganze ans Land – wenn das Urteil dort positiv ausfällt, werden die nächsten Schritte gesetzt.
"Wir haben nicht mehr 1899,
"Wir haben nicht mehr 1899, wo wir mit Stein arbeiten, sondern müssen mit dem Glas aufzeigen, in welcher Zeit wir leben." Bei diesen Worten des "Starchitekten" muss man doch etwas schmunzeln. Anscheinend weiß er nicht, dass bereits 1852 in London der berühmte Crystal Palace gebaut wurde, gefolgt von zahlreichen weiteren Glasbauten in ganz Europa. Im Jahr 1899 war ein Glasbau bereits Routine. Von mir aus kann Tscholl seine Bauten ganz nach Belieben aus Glas, Holz, Stein, Plastik usw. bauen, aber seine offenbar begrenzten architekturhistorischen Kenntnisse sollte er lieber für sich behalten.
Antwort auf "Wir haben nicht mehr 1899, von Hartmuth Staffler
Der war übrigens wunderschön
Der war übrigens wunderschön und wäre heute ein spektakuläres kunstgeschichtliches Relikt - in einer Stadt...
Wir haben das einzigartige
Wir haben das einzigartige Glück in einer wundervollen Landschaft zu leben , und das 365 Tage im Jahr.
Leider ist das augenscheinlich vielen Menschen bei uns nicht bewusst , und so setzt man alles daran ein gigantisches Disneyland zu erschaffen.
Schade aber der kurzfristige Profit verblendet doch sehr viele , und über die negativen Folgen ….wird man dann in einigen Jahren diskutieren