Kennen Sie George Bernard Shaw? Shaw, auch G.B.S. genannt, war ein irischer Dramatiker, Satiriker, Musikkritiker und politischer Aktivist, ein Multitalent, das seinen Mitmenschen zu jedem erdenklichen Thema (Ernährung, Frauenrechte, Impfungen, Transportwesen, Tierversuche, usw.) provokativ die Meinung geigte, und dafür gleichermaßen Verehrung wie Augenrollen erntete. Noch nie von ihm gehört, und trotzdem kommt er Ihnen bekannt vor?
Kein Wunder, haben wir doch unseren eigenen G.B.S., der sich zwar weniger eloquent und geistreich, dafür nicht minder polemisch gefühlt jeden zweiten Tag zu Gott und die Welt äußert:
Reinhold Messner, der nach eigener Aussage mittlerweile in seinem
„siebten Leben“, nämlich jenem als Filmregisseur, angekommen ist, lässt kaum eine Gelegenheit aus, seine Meinung zu was auch immer kundzutun. Der rote Faden des Besserwissertums zieht sich sozusagen durch seine Existenzen als Extrembergsteiger, Buchautor, Politiker, Abenteurer, Schlossbesitzer, Museumsleiter und und und.
Jedenfalls kann man sich ziemlich sicher sein, dass, sobald ein Thema die Südtiroler Gemüter erhitzt, eher früher als später der Gipfelgott sein buschiges Haupt erheben und der Naturgewalt Steinschlag gleich, Worte wie Felsbrocken auf uns herabprasseln lassen wird.
Man könnte fast meinen, der famose Yeti habe ihn mit einem Fluch belegt: „Dafür, dass du mich geschaut hast, sollst du bis an dein Lebensende zu allem deinen Senf dazugeben müssen!“. Fast – hätte Messner ihn nicht als Legende entlarvt, hinter der nichts als eine schnöde
Bärenart stecken soll: Messner, den Zoologen gibt es also auch. Jedenfalls kann man sich ziemlich sicher sein, dass, sobald ein Thema die Südtiroler Gemüter erhitzt, eher früher als später der Gipfelgott sein buschiges Haupt erheben und der Naturgewalt Steinschlag gleich, Worte wie Felsbrocken auf uns herabprasseln lassen wird, von deren Wucht, die eher von einer brachialen Ausdrucksweise als von messerscharfer Logik herrührt, wir uns regelrecht erschlagen fühlen. Wieder und wieder. Wie ein allwissendes Orakel kommt er seiner Senfdazugeberei geflissentlich nach und referiert über den Doppelpass (
„Da steckt kein europäischer, sondern ein antieuropäischer Geist dahinter“) , den Flughafen (
„notwendig, sinnvoll, […] unverzichtbar“), darüber, ob wir zu viele Touristen haben (
„Das ist nur ein Geschwätz von Leuten, die sich wirtschaftlich nicht mit dem Land auseinandersetzen“), Heilsbringer Benko (
„[…]wenn Benko das in die Hand nimmt, dann macht er es besser”) und so weiter und so fort.
Wieso man noch nicht draufgekommen ist, ihn nach der Lösung für den Nahostkonflikt zu fragen oder danach, was denn nun eigentlich mit dem Bernsteinzimmer passiert sei – ich verstehe es nicht. Messner hätte sicher eine Antwort darauf. Zuletzt wurden wir mit seinen Ansichten zu einem geplanten Jovanotti-Konzert auf dem Kronplatz beglückt (
„unvernünftig”, “unnötig”) und kamen in den Genuss seiner fachmännischen Einschätzung der Filmbranche: „In keiner Tätigkeit gibt es so viele Scharlatane wie im Filmgeschäft“, sowie, mein absolutes Lieblingszitat bisher: „Mir können 'Star Wars' und 'Avatar' gestohlen bleiben. Das ist alles nicht wahr.
Das ist alles nur menschliche Erfindung und zum Teil in kranken Hirnen Entstandenes."
Ganz unter uns, bei Jovanotti bin ich ganz bei ihm, der kann mir sowohl auf dem Berg als auch im Tal gestohlen bleiben.
Ganz unter uns, bei Jovanotti bin ich ganz bei ihm, der kann mir sowohl auf dem Berg als auch im Tal gestohlen bleiben, aber was gäbe ich darum, wären „Star Wars“ und „Avatar“ MEINEM kranken Hirn entsprungen? Die Filme erhielten immerhin zehn bzw. drei Oscars und haben bis heute weltweit neun bzw. 2,8 Milliarden Dollar eingespielt. Da Messner aber (noch!) nicht in der Academy sitzt, dürften ihn solcherlei Erfolge wenig beeindrucken.
Wie ihn überhaupt kaum etwas zu beeindrucken scheint, was andere zum Verstummen bringt. Die Ebners nennt er frisch und frei
„die frommen Brüder“, Andersdenkende brüllt er schon
mal kurzerhand nieder, und genau dieses Undiplomatische, Holzhammerartige, Unverblümte ist es, und gar nicht mal so der Inhalt seiner Aussagen, so behaupte ich, was uns an Messner am meisten stört.
Kritik darf man wohl äußern im Land, aber bitte zaghaft mit Rosen und Veilchen garniert, am besten noch mit der Einleitung „Ich will ja nichts sagen und mich fragt ja keiner, und vielleicht täusche ich mich auch, aber…“
Kritik darf man wohl äußern im Land, aber bitte zaghaft mit Rosen und Veilchen garniert, am besten noch mit der Einleitung „Ich will ja nichts sagen und mich fragt ja keiner, und vielleicht täusche ich mich auch, aber…“, so wie es in leicht beleidigtem Ton ein ehemaliger Landeshauptmann zu tun pflegt, dann schlucken wir den Tadel eher noch (außer natürlich, es ist ein Auswärtiger, der da was zu beanstanden hat). Der Messner-Gestus aber, der stets so wirkt, als stünde er auf seiner Schlossmauer, schlage sich mit der Hand an die Stirn und brülle „Was machen diese Hornochsen da schon wieder?“ in den Wind, um dann wie dereinst Moses mit seinen in Stein gemeißelten Verkündungen zu den Normalsterblichen herabzustapfen – wir vertragen ihn nicht ganz so gut.
Dabei sollten wir es schätzen, dass da einer keine Scheu davor hat, den Mund aufzumachen und anzuecken, so abstrus und unnötig seine Äußerungen manchmal auch sein mögen. Wir haben die Freiheit, ihm zuzustimmen oder seufzend die Augen zu verdrehen und Radio oder Fernseher auszumachen.
Dabei sollten wir es schätzen, dass da einer keine Scheu davor hat, den Mund aufzumachen und anzuecken, so abstrus und unnötig seine Äußerungen manchmal auch sein mögen. Wir haben die Freiheit, ihm zuzustimmen oder seufzend die Augen zu verdrehen und Radio oder Fernseher auszumachen.
Meinungsbildend wirken seine Statements allemal, und von Messners Meinungsstärke sollten grad wir Frauen uns eine große Scheibe abschneiden (und auch mal Kommentare schreiben und uns in Diskussionen einzumischen, anstatt uns kokett hinter einem „Ich kenn mich da nicht so gut aus“ zu verstecken – das hat einen Messner noch nie daran gehindert, das Wort zu ergreifen.) Warum wohl wird er immer wieder vors Mikrofon und zu Gesprächsrunden geladen? Warum pilgern Journalisten zu ihm, um ihn zu diesem und jenem zu befragen? Weil man sich sicher sein kann, dass zumindest ein Statement fallen wird, das das Land auf die Palme bringt – und ein bisschen Aufruhr hat unseren Denkapparaten noch nie geschadet.
Also, keep calm and relax, wenn sich R.M. das nächste Mal zu Wort meldet (es wird nicht allzu lang auf sich warten lassen). Und wenn die Gelassenheit schwer fällt, besinnen Sie sich an den legendären G.B.S., der angeblich sagte: „Jeder hat das Recht auf eine Meinung – vorausgesetzt, sie entspricht der unsrigen.“