Umwelt | salto Gespräch

“Als Mensch müssen wir uns sorgen”

Als Paläontologin befasst sich Evelyn Kustatscher viel mit der Vergangenheit. Doch neben versteinerten Urzeitlebewesen berührt sie auch brennende Fragen der Zukunft.
Evelyn Kustatscher
Foto: Privat

“Es ist die Geschichte hinter dem Stein, die ihn interessant macht.” Evelyn Kustatscher weiß, wovon sie spricht. Seit 2004 ist die heute 43-Jährige als Paläontologin am Südtiroler Naturmuseum tätig. Daneben arbeitet sie als Privatdozentin an der LMU München. Was Fossilien so spannend macht, welchen Aufschluss sie über den Klimawandel geben können und was ihr Beruf mit Fantasie zu tun hat, das und vieles mehr erklärt Kustatscher im salto Gespräch.
Wer der gebürtigen Brixnerin zuhört, merkt: Sie betreibt ihren Beruf mit großer Leidenschaft.

salto.bz: Frau Kustatscher, woher kommt Ihr Interesse für Steine?

Evelyn Kustatscher: Da muss ich Sie wahrscheinlich enttäuschen. Ich war nämlich nicht der typische Fossiliensammler, der schon als Fünfjähriger Fossilien zusammengetragen hat. Mein Papa erzählt mir zwar – und ich erinnere mich –, dass ich daheim immer eine Vitrine hatte, wo ich alles reingestellt habe, was ich als Kind in der Natur fand: Steine, Pflanzen, Mineralien. Aber im Studium wollte ich mich dann ursprünglich für Deutsch und Geschichte entscheiden. Davon hat man mir bei der Berufsberatung aufgrund der Arbeitsmarktsituation abgeraten. Mein zweiter großer Wunsch waren immer die Naturwissenschaften. Weil ich aber nicht wie alle anderen nach Innsbruck wollte, bin ich an der Uni Ferrara gelandet. Mehr oder weniger durch Zufall, durch eine Brieffreundin. Und eigentlich war das die coolste Geschichte meines Lebens.

Wie sind Sie zur Paläontologie gelangt?

In Ferrara habe ich Naturwissenschaften studiert, also scienze naturali – ein Mischstudium, das sowohl Biologie als auch Geologie beinhaltet. Schon im ersten Jahr hat mich die Paläontologie-Professorin gefragt, ob ich nicht gerne etwas mit Fossilien machen möchte. Und dann kam, wie so oft, eines zum anderen: Es ergab sich ein tolles Thema für eine Doktorarbeit und so bin ich an der Uni geblieben.

Klimawandel ist ein Thema für uns – weil er uns primär angeht.

Sind Sie als junge Frau, die sich für Naturwissenschaften und Paläontologie interessiert, Vorurteilen begegnet? Wie hat Ihre Familie auf Ihre Entscheidung reagiert?

Meine Mama war selbst Lehrerin, meine Schwester ist Kindergärtnerin geworden. Die pädagogische Linie geht also stark durch die Familie. Ich habe selbst zwischendrin das Unterrichten versucht, aber gemerkt, dass der Lehrerberuf nichts für mich ist. Meine Eltern hofften vermutlich, dass ich nach der Doktorarbeit, auf die Lehrerinnen-Schiene zurückkehre. Aber es gab keinen objektiven Grund, mein Studium nicht durchzuziehen – auch, weil ich mir alles selbst finanziert habe. Daher haben meine Eltern auch nicht weiter insistiert und heute sind sie, glaube ich, eigentlich auch ein bisschen stolz auf meine wissenschaftliche Karriere.

Wie sieht Ihre Arbeit heute aus? Man könnte vermuten, Sie betrachten den ganzen Tag Steine.

Das wäre toll (lacht). Die meisten Kinder meinen, ich beschäftige mich hauptsächlich mit Dinosauriern und grabe jeden Tag einen aus (lacht). Die Erwachsenen meinen, ich habe mit irgendwelchen Steinen zu tun.
Im Prinzip ist die Paläontologie heutzutage ein hochkomplexer und hochspezialisierter Bereich. So wie in der Biologie gibt es auch bei uns den, der nur mit Sauriern arbeitet, nur mit Fischen oder nur mit Pflanzenfossilien – so, wie es bei mir der Fall ist. Deshalb lautet meine Berufsbezeichnung Paläobotanikerin – “Paläo” für Fossil und “Botanik” für die Pflanzen.

Was machen Sie als Paläobotanikerin nun?

Meist gehe ich in Rahmen von Forschungsprojekten ins Gelände und suche. Das ist der tollste Teil meiner Arbeit. 75 Prozent meines Arbeitslebens aber findet im Büro statt, an Maschinen, im Labor, am Computer. Man denkt oft, Paläontologie ist verstaubt und steinig. Dabei ist es heute eine hochtechnologische Arbeit.

Wie wissen Sie, wo Sie nach Fossilien suchen müssen?

Mit den Fossilien ist es wie beim Pilze sammeln. Zum einen bekommt man mit der Zeit ein Gefühl dafür. Zum anderen weiß man, welche Gesteinsschichten es vor Ort gibt, dass sie bestimme Farben und Konsistenzen haben und welche Lebensräume sie repräsentieren – und entsprechend, wo die Wahrscheinlichkeit höher ist, Fossilien zu finden. Im Bletterbach zum Beispiel, wo ich seit 2005 arbeite – und jedes Jahr hingehe.

Und Sie finden immer noch etwas?

Ja. Durch den Regen fallen immer wieder Gesteinsbrocken in die Schlucht, die immer wieder neue Funde preisgeben.

Wir sprechen heute über das sechste Massenaussterben der Weltgeschichte – jenes, das der Mensch verschuldet.

Was passiert mit den Fossilien, die Sie finden?

Ich trage die Funde ins Naturmuseum, wo sie inventarisiert werden, also eine Nummer bekommen, um in Landesbesitz überzugehen. Dann werden die Funde ins Depot gebracht, von wo aus wir sie zum Forschen verwenden dürfen: Sie werden fotografiert, vermessen, analysiert. Analysen und Methoden sind heutzutage hochentwickelt: Es wird mit Säuren hantiert, mit dem Massenspektrometer, mit dem Elektronenmikroskop.

Was war das Spannendste, was Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn zu Gesicht bekommen haben?

Momentan bearbeiten wir eine Pflanze aus Russland. Ein russischer Kollege hat sich an mich gewandt, weil er nicht mehr weiter wusste. Nach einem Jahr Arbeit haben wir eine Rekonstruktion geschaffen – und das Besondere daran ist, dass die Pflanze ausschaut, wie nichts anderes auf der Welt. Es gibt überhaupt nichts Vergleichbares – und die gesamte Wissenschaft fragt sich derzeit, was um alles in der Welt habt ihr da gefunden? Für mich ist das etwas, wo ich wirklich sage: Wahnsinn!

 

Welche Erkenntnisse, welche Rückschlüsse lassen sich aus den Funden ziehen? Kurz: Wozu machen Sie Ihre Arbeit?

Grundsätzlich einmal, um zu verstehen, welche Pflanzen in der Vergangenheit existiert haben. Wir erfahren, wie lange bestimmte Pflanzengruppen überleben können.
Zu wissen, ob der Ginkgo 50 oder 200 Millionen Jahre alt ist, macht sehr viel aus. Heute schaut der Ginkgo ziemlich ähnlich aus wie damals und wir wissen, dass er sehr resistent gegen Einflüsse von außen ist – eine Pflanzenart, die supergut Massenaussterben und verschiedene Klimaveränderungen übersteht. Für uns ist es ganz spannend, zu sehen, wie kann eine Pflanze so lange überleben?
Und danach kommt die banalste, aber heute sehr wichtige Frage: Was heißt das fürs Klima?

Erlaubt der Blick zurück Aussagen über das Klima von morgen?

Wenn wir heute sagen, das Klima verändert sich, müssen wir in die Vergangenheit blicken, ja. Ob wir heute auf Klimaveränderungen zusteuern, die nicht mehr normal sind, sprich, nicht mehr dem entsprechen, was die Erde normalerweise in Zyklen erleben würde, können wir nur feststellen, indem wir zunächst simulieren, wie es in der Vergangenheit war. Sprich, herausfinden, welche Klimaveränderungen ganz normal sind.

Man denkt oft, Paläontologie ist verstaubt und steinig. Dabei ist es heute eine hochtechnologische Arbeit.

Zuletzt haben Sie mit einer Forschungsarbeit aufhorchen lassen, in der Sie nachweisen, dass mehr Pflanzen als angenommen ein Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren überlebt haben.

Das Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren war das größte der Weltgeschichte. Aber interessanterweise hat es die Pflanzen sehr viel weniger betroffen als die Tiere, wie wir vor Kurzem beweisen konnten.

Wann spricht man von einem Massenaussterben?

Massenaussterben heißt, wenn innerhalb kürzester Zeit mindestens 30 bis 50 Prozent der Arten, Gattungen, Familien, aber vor allem Baupläne – also die Art, wie ein Organismus aufgebaut ist – verloren gehen. Ganze Ökosysteme werden leer, die Nahrungspyramide bricht zusammen. Heute sprechen wir über das sechste Massenaussterben – jenes, das der Mensch verschuldet,

Was heißt “innerhalb kürzester Zeit”?

Geologisch gesehen ist das relativ. Früher ging man davon aus, dass ein Massenaussterben drei bis fünf Millionen Jahre braucht. Jüngste Datierungen jedoch zeigen eine Zeitspanne von 60.000 Jahren, in denen praktisch alles vorbei sein kann.

Welche Gründe gibt es für ein Massenaussterben?

Es gibt verschiedene Verursacher. Der Grundparameter aber ist immer das Klima.
Der Hauptverursacher des Massenaussterben vor 65 Millionen Jahren war ein Meteorit. Sein Einschlag hat zu einer Klimaveränderung geführt. Vor 252 Millionen Jahren und vor 200 Millionen Jahren waren es jeweils riesige Vulkanausbrüche. Dabei sind unter anderem extreme Mengen an CO2 und Methangasen in die Atmosphäre gelangt, die das Klima verändert haben. Und zwar schnell. Die Erde hat sich nicht etwa alle hundert Jahre um 0,1 Grad erwärmt, sondern rasant. Und wenn es so schnell geht, schaffen es Tiere und Pflanzen nicht, sich anzupassen oder auszuweichen – und verschwinden in der Folge.

Die Forschung hat mir ermöglicht, mich mit Menschen aus der ganzen Welt auseinanderzusetzen

Sollten diese Erkenntnisse aus der Vergangenheit Anlass sein, sich heute Sorgen zu machen? Oder kann man getrost sagen, Klimaveränderungen und Massenaussterben hat es ja immer schon gegeben und sollten kein Grund sein, um gegen den Klimawandel auf die Straße zu gehen?

Als Mensch mache ich mir sehr große Sorgen. Denn unsere Nahrungskette verschwindet. Die Erde braucht sich keine Sorgen machen. Die verliert sieben Milliarden homo sapiens und danach ist das Problem wieder vorbei. Ja, Klimawandel ist ein Thema für uns – weil er uns primär angeht.
Wir sprechen heute über das sechste Massenaussterben der Weltgeschichte – jenes, das der Mensch verschuldet. Im Schnitt sind tendenziell alle 50 bis 100 Millionen Jahre Massenaussterben zu beobachten. Die Erde sagt, das hatte ich schon fünf Mal, ein sechstes Mal geht auch noch. Der Witz ist nur, dass wir es zum ersten Mal selbst verursachen. Die Vulkane sind wegen der Vulkanismen nicht ausgestorben. Die Meteoriten sind nicht ausgestorben, weil es Meteoriteneinschläge gegeben hat. Aber der Mensch trägt derzeit zu einer Klimaveränderung bei, die zwar grundsätzlich da ist – da brauchen wir nicht darüber diskutieren – und die momentan auch relativ gradual wäre. Aber wir steuern sie nach oben, wir treten sozusagen aufs Gaspedal. Und das ist das Problem, das die Geschichte zum Kippen bringt.

 

Man sieht: Sie behandeln brennende Fragen, die über die Paläontologie weit hinausgehen. Arbeiten Sie in Ihrer Forschung auch transdiziplinär?

In den letzten zehn, zwanzig Jahren hat sich sehr viel verändert. Früher war der gute Wissenschaftler der, der alleine publiziert hat, der niemanden braucht, der ihm hilft. Heute ist der gute Wissenschaftler der, der in Netzwerken arbeitet. Die Publikationen, die heute einen wirklichen Durchbruch bringen oder Probleme neu aufwerfen, sind meist solche, die von fünf, zehn oder mehr Leuten stammen. Die Datenlage ist so groß, dass es einen Spezialisten für jeden Bereich braucht, um eine Frage, ein Problem von allen Seiten betrachten und neu interpretieren zu können. Insofern ist das Interdisziplinäre Teil meines Jobs geworden. Ich arbeite tagtäglich mit Menschen weltweit zusammen.

Und Sie sind auch viel unterwegs?

Genau. Es gab schon einmal Phasen, wo ich im Schnitt jeden Monat eine bis zwei Wochen unterwegs war. Skypen gehört für mich zum normalen Arbeitsalltag, ebenso wie Englisch.
Was ich sagen will: Für uns ist es unheimlich wichtig, sich zu vernetzen und sich auszutauschen. Deshalb fliegt man auch einmal nach Südafrika, Japan oder China, um sich die Dinge vor Ort anzuschauen – um sie besser zu verstehen.

Schauen die Fossilien am anderen Ende der Welt anders aus als in Südtirol?

Die Menschen schauen ganz anders aus, die Steine weniger (schmunzelt). In China schauen die Gesteine ziemlich ähnlich aus wie unsere, ebenso die Fossilien, die ich darin finde. Heute ist dort vieles anders, aber wenn ich 250 Millionen Jahre in die Vergangenheit gehe, gibt es Arten, die in Südtirol und China genau dieselben sind. Denn damals haben wir so in etwa auf derselben Höhe auf der nördlichen Hemisphäre gelebt. Dazwischen war nur Meer. Heute liegen die Kontinente dazwischen.

Würden Sie Südtirol als Paläontologen-Paradies bezeichnen?

Absolut.

Ich relativiere unheimlich stark. Und wir sollten uns als Mensch weniger wichtig nehmen.

Was macht diese Gegend so besonders?

Unter anderem die Tatsache, dass sich hier viele Sachen als Berge an der Oberfläche befinden, die in anderen Gebieten der Welt im Untergrund sind. So kommen zum Beispiel jedes Jahr viele Vertreter von Erdölfirmen zu uns, um sich die Geologie anzuschauen. Sie wissen nämlich nicht, wie die Gesteine aussehen, aus denen sie das Erdöl bohren. Darüber hinaus pilgern jedes Jahr zahlreiche Forscher und Studenten von Universitäten in die Dolomiten, um deren Geologie zu studieren. Der Bletterbach zum Beispiel ist für sein Alter mittlerweile zum weltweiten Referenzgebiet geworden.

Und ein Trainingscamp für Astronauten.

Genau, die Europäische Raumfahrtbehörde ESA macht dort Trainings.

 

Warum ist genau der Bletterbach dafür geeignet?

Die Trainings finden im Rahmen der “Mission to Mars” statt. Die Astronauten müssen natürlich irgendwo simulieren, wenn sie dorthin hingelangen, welche Probleme auftreten können, wie sie Gesteine beproben und beschreiben können und so weiter – denn am Mars haben sie ja keinen Geologen mit. Und einer der Orte, der in dieser Hinsicht am besten funktioniert, ist wohl der Bletterbach. Zum Beispiel wegen des groben Sandsteines, wie man ihn sich auf dem Mars vorstellt.

Auf dem Mars schaut es aus wie im Bletterbach?

Sagen wir so: Die Gesteine, die man auf dem Mars finden könnte, wären teilweise jene vom Grödner Sandstein, der im Bletterbach vorkommt, ja.

Dinosaurier, Urzeitlandschaften, Marsmissionen: Die Paläontologie scheint die Fantasie unheimlich anregen zu können, wie nicht zuletzt zig Filme und Bücher beweisen. Und doch tauchen immer wieder Berichte über Funde von versteinerten Lebewesen auf, die man sich gar nicht vorstellen kann. Würden Sie sagen, dass die Realität der Paläontologie die Fantasievorstellungen manches Filmemachers toppen kann?

Momentan geht es in der Paläontologie sehr spannend zu: In Südamerika wurde gerade ein riesiger Knochenfund gemacht; in Sibirien wurde ein Eiszeit-Fohlen gefunden, das im Eis wohl so gut erhalten geblieben ist, dass sogar noch Blut vorhanden war.
Wenn es so weiter geht, ist Jurassic Park nicht mehr weit weg. Es gibt riesige Viecher – etwa Flugsaurier mit einer Flügelspannweite von zehn Metern.

Ich war nicht der typische Fossiliensammler, der schon als Fünfjähriger Fossilien zusammengetragen hat.

Gab es bei uns auch Dinosaurier?

Im Bletterbach gab es keine Dinosaurier, nur Reptilien, also Vorfahren der Dinos. Aber in der Nähe von Rovereto wurden Fußabdrücke von Dinosauriern gefunden. Allerdings wurden die nur drei bis fünf Meter hoch.

Nur?

Die waren verhältnismäßig klein, ja. In Südamerika gibt es Dinosaurier, denen wir als Mensch nicht einmal bis zum Schienbein reichen. Es gibt unheimlich riesige Monster in der Vergangenheit – vieles, was wir uns überhaupt nicht vorstellen können bzw. was wir aufgrund der Skelette, die wir finden, versuchen, zu rekonstruieren. Aber einiges muss man sich doch dazu denken.

Sie brauchen also auch Fantasie?

Ob der T-Rex tatsächlich die Farbe hatte, mit der er dargestellt wird, das können wir uns nur vorstellen. Denn die Farben werden in den meisten Fällen nicht konserviert. Viel ist Fantasie, ja. Aber durch all die Methoden, die es gibt, kommen wir unheimlich nahe an die Realität heran. Immer näher. Dank der Technik geht nämlich viel weiter. Und es ist schon cool, dass etwas so Altes durch die moderne Technologie wirklich gut bearbeitet werden kann.

Aufgrund Ihrer Arbeit müssen Sie in ganz anderen Dimensionen wie viele andere denken, sowohl räumlich, aber vor allem zeitlich. Entsteht bei Ihnen dadurch der Eindruck, dass wir uns Menschen manchmal viel zu wichtig nehmen?

Ich relativiere unheimlich stark. Deshalb habe ich auch den Punkt angesprochen, aus welcher Sicht wir denn nach dem Massenaussterben fragen. Aus der Sicht der Erde kann mir das völlig wurscht sein, denn mein Problem löst sich wieder von selbst. Das ist wie ein kleiner Krampf irgendwo, der auch wieder vergeht. Aus der Sicht von Evelyn Kustatscher als homo sapiens sapiens muss ich eigentlich Angst bekommen.
Wir sehen uns ja oft als Nabel der Weltgeschichte – besonders wir Südtiroler. Mir kommt oft vor, es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt als einen Südtiroler. Manchmal denke ich, es würde uns allen gut tun, wenn wir etwas mehr aus Südtirol hinausgehen und uns die Sachen draußen wirklich anschauen würden.
Man sieht so viel, wenn man unterwegs ist. Auch wenn man in einem geschützten Raum unterwegs ist – allein zu sehen, was um dich herum passiert: Das ist keine Show, nicht etwas, was dich nicht betrifft. Südafrika war für mich in dieser Hinsicht der Schock meines Lebens. Ich durfte zwei Wochen lang nirgendwo alleine hingehen. Es war nicht möglich, sich als Frau alleine auf der Straße aufzuhalten. Das wäre zu gefährlich. Wenn man solche Situationen einmal erlebt hat und zurückkommt, denkt man sich: Wo sind die Probleme deiner Weltgeschichte geblieben?
Es wäre toll, wenn man sich als Mensch manchmal weniger wichtig nehmen würde. Das ist etwas, was mir die Forschung ermöglicht hat.