Facebook frustet. Nicht nur, weil dort marktschreiermäßig jede/r seine oder ihre Befindlichkeiten Tourette-Style rausposaunt, dass einem ganz schwurbelig wird von der Flut an zumeist belanglosen Informationen . Jetzt sagt mir Mark Zuckerberg doch auch noch, ich sollte was für mein Äußeres tun. Liebe Herren, ich weiß ja nicht, was Ihr euch so ansehen müsst, wenn Ihr an Urlaubsfotos von Hinz und oberschlauen Sprüchen von der Kienzl vorbeiscrollt (bitte gern in den Kommentaren mitteilen), aber mir wird seit einiger Zeit hartnäckigst nahegelegt, ich solle meine Zähne mit Kohle putzen, meinen Popo in ein formendes Irgendwas zwängen, die Haare müssten dringendst zum Coiffeur, und eine Ganzkörper-Straffung wäre sowieso überfällig. Letzthin wurde mir dann noch, um das Maßl voll zu machen, ganz unverblümt eine Creme für Scheidentrockenheit angeboten. Ich musste schlucken.
Nein, ich habe all das nie gegoogelt, schwöre. Und okay, ich werde vierzig dieses Jahr, aber das soll doch das neue dreißig sein, und außerdem hatte ich doch vor, in Würde zu altern. Letzteres wird einem nicht leicht gemacht, suggerieren die unerbetenen Beauty-Tipps doch, man wäre ein baufälliges Haus, an dem dringend was zu machen wäre. Angefangen beim Dach, das kahle Stellen aufzuweisen beginnt, über die Fassade, die dringend aufgefrischt werden muss, bis hin zum Keller, ja nicht mal dort hat man Ruhe. Intimfrisur ist ja anscheinend ein Muss heutzutage, wenn man oder frau etwas auf sich hält.
Ich werde vierzig dieses Jahr, aber das soll doch das neue dreißig sein, und außerdem hatte ich doch vor, in Würde zu altern.
Dabei kommen die Renovierungsvorschläge nicht erst, wenn das gute Haus ein paar Jährchen auf dem Buckel hat: Junge Frauen werden mit Make-Up-, Styling-, Fitness-, Ernährungs- und generellen Lebensführungs-Tipps regelrecht zugeschüttet. Sei es auf Facebook, sei es in den zahlreichen Frauenzeitschriften, die eigentlich Folterzeitschriften heißen müssen, weil sie nichts anderes machen, als den Selbstwert klein zu prügeln: So, wie du bist, bist du nicht gut genug. Du brauchst einen Kardashian-Hintern (nur anklicken, wenn Sie sich für eine gefestigte Persönlichkeit halten), seidenglatte Haare, die du offen tragen oder auf dem Kopf aufknödeln sollst, makellose Haut, straffe Oberschenkel, die sich möglichst nicht an der Innenseite berühren (auch, wenn das in Kombi mit obigem Hintern anatomisch ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte), formschöne Fußknöchel, die jederzeit sichtbar sein müssen, und ich weiß nicht, was sonst noch alles und bin wahrscheinlich eh schon wieder hoffnungslos out of date. Es würde genügen, sich auf Instagram umzuschauen, diesem Panoptikum der Eitelkeiten, wo eine/r schöner ist als der oder die andere, wo ganz normale, vorwiegend junge Menschen dank Beauty-Filter plötzlich aussehen wie Models, wo erst der perfekte shot hochgeladen wird, und nicht einer von den fünfzig mittelprächtigen zuvor, denn es muss wunderschön und absolut zufällig aussehen, wie er oder sie da am Strand spaziert, ein Eis isst, in den Sonnenuntergang schaut. Harte Arbeit getarnt als Schnappschuss. Mit der schiefnasigen, pickligen, strohhaarigen Realität haben die makellosen Bilder oft nicht mehr viel gemein: Erinnern Sie sich an das Fahndungsfoto, mit dem nach der vermissten Rebecca aus Berlin gesucht wurde? Das von ihr selbst digital bearbeitete Bild sorgte deutschlandweit für Aufsehen, zeigte es doch offenbar einen Filmstar und nicht die wirkliche, „gewöhnliche“ Rebecca. Ich jedenfalls bin froh, dass ich zu einer Zeit Teenager war, als Holzfäller-Hemden und strähniges Cobain-Haar das Gebot der Stunde waren, wenn auch unsere Eltern darüber verzweifelten(„Tu das der Oma nicht an!“). Von Schönheitsfiltern damals noch keine Spur, was nicht bedeutet, dass es keinen Schönheitsdruck gab; sicher aber nicht in dem Ausmaß wie heute, wo all die technischen, kosmetischen und Styling-Möglichkeiten gutes Aussehen geradezu zur Pflicht machen: Wer nicht hübsch aussieht, ist selbst schuld. Hat sich eben nicht genug angestrengt auf Instagram, Snapchat oder eben in real life. Das macht Stress. Und unglücklich.
Musste ich mir wirklich von einem Typen, der seine Styling-Tipps aus den 80ern zu beziehen schien und Hygiene offenbar für eine griechische Insel hielt, Urteile über mein Äußeres anhören?
Ein Drittel unseres Selbstwertgefühls schöpfen wir laut Psychologen aus unserem Aussehen. Bei Frauen ist es ziemlich sicher noch mehr. (Hier ein interessantes Interview dazu.) Deshalb sind Komplimente für uns so wichtig. Und auch so gefährlich. Schönheit, die sich über Klicks, Applaus, Zustimmung definiert, macht angreifbar und abhängig. Denn wenn die Likes erst einmal weniger werden oder gar ausbleiben, kann das doch nur bedeuten, dass es auch mit der Schönheit vorbei ist. Wir haben sie also nur bedingt in der Hand, sondern lassen andere darüber entscheiden, welchen Wert wir haben, auch wenn uns das vielleicht gar nicht so bewusst ist. Vor vielen Jahren (Achtung, verfallendes Haus erzählt aus dem Nähkästchen) machte mir ein Bekannter ein unmoralisches Angebot, ich lehnte dankend ab. Bei den nächsten Wiedersehen beschied er mir jedes Mal, wie schlecht ich doch aussähe. Anfangs ich war ehrlich bestürzt, obwohl ich keinerlei Interesse irgendwelcher Art an ihm hatte; ich fühlte mich beinahe schuldig, dass ich ihm mein schlechtes Aussehen zugemutet hatte. Als wäre ich meiner Pflicht, die Welt mit meinem Aussehen zu erfreuen, nicht nachgekommen. Erst später kam der Groll: Musste ich mir wirklich von einem Typen, der seine Styling-Tipps aus den 80ern zu beziehen schien und Hygiene offenbar für eine griechische Insel hielt, Urteile über mein Äußeres anhören? Komplimente sind also auch eine Waffe: Man gibt etwas, und verletzt, indem man es wieder zurücknimmt. Der oder die Komplimentierte hat darüber keine Kontrolle, weil sein oder ihr Aussehen nicht objektiv messbar ist, sondern das Urteil darüber dem Gutdünken des Betrachters unterliegt.
Auch große Mädchen freuen sich, wenn’s nicht immer bloß um ihr Aussehen geht, sondern darum, was sie sonst so auf dem Kasten haben
Denken Sie bitte daran, wenn sie das nächste Mal zu einem kleinen Mädchen sagen, es sei hübsch. Es ist die Standardfloskel, die die Kleinen zu hören bekommen, und es stimmt meistens ja auch: Sie sind einfach zum Anbeißen süß. Allerdings können sie rein gar nichts dafür, es ist keine Leistung, keine Fähigkeit, kein Charakterzug. Es ist etwas Vergängliches, Flüchtiges, von dem Frauen von klein auf vermittelt wird, es wäre eine Aufgabe, die sie mindestens bis zu den Wechseljahren zu erbringen haben: Nett anzuschauen zu sein. Das bedeutet nicht, dass man dem kleinen Mädchen nicht mehr sagen darf, wie hübsch es im neuen Kleid aussieht. Aber sagen Sie ihm mindestens genauso oft, wie gut es malen, springen, oder Türme bauen kann. Und auch große Mädchen freuen sich, wenn’s nicht immer bloß um ihr Aussehen geht, sondern darum, was sie sonst so auf dem Kasten haben. Dann kann uns auch die Zuckerbergsche Beauty-Gehirnwäsche nichts mehr anhaben.