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Nachhaltigkeit als Verfassungsgrundrecht

Die Väter der italienischen Verfassung haben zwar Schutz von Landschaft und historischer Kulturgüter verankert. An Umweltschutz allgemein haben sie noch nicht gedacht.
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Nachhaltigkeit
Foto: Pixabay

Die Väter der italienischen Verfassung (die „padri costituenti“ waren tatsächlich fast ausschließlich Männer) haben im Art. 9 der Verfassung zwar den Schutz der Landschaft und der historischen Kulturgüter verankert. An den allgemeinen Schutz der Lebensgrundlagen hatten sie noch nicht gedacht, auch nicht an den Grundsatz der Nachhaltigkeit im Interesse zukünftiger Generationen. Dies will ein junges Promotorenkomitee nach 71 Jahren nachholen und zwar mit dem Volksbegehren „Figli costituenti“ (https://figlicostituenti.eu). Im Art.2 der Verfassung soll angefügt werden: „…auch im Interesse der zukünftigen Generationen. Die Republik fördert die Bedingungen für ein nachhaltiges Wachstum.“ Im Art. 9 der Verfassung soll eingefügt werden: „(Die Republik) anerkennt und gewährleistet den Schutz der Lebensgrundlagen als Grundrecht“. Die drei Ziele des Vorschlags sind folgende:

1. Gerechtigkeit zwischen den Generationen: zukünftige Generationen sind gezwungen, die Auswirkungen politischer Entscheidungen zu erleiden, die heute getroffen werden, ohne dass sie irgendein Mitspracherecht hätten. In Italien hat dieses Ungleichgewicht dramatische Folgen wie z.B. die hohe Staatsverschuldung, die niedrigen Bildungsausgaben, Wahlgeschenke anstelle von Investitionen, die geringe Unterstützung für Frauenarbeit und die Ausbeutung der natürlichen Lebensgrundlagen.

2. Nachhaltiges Wachstum: wenn ein Staat seinen Bürgerinnen einen gewissen Wohlstand sichern will, kann er dies nicht mit Mitteln tun, die langfristig genau diesen Wohlstand gefährden. Dazu gehören beispielsweise die Zerstörung der Umwelt (wie bei der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung der Böden und der Wasserverschmutzung), die Korruption, die Konzentration von Gewinnen in den Händen einer kleinen Minderheit und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

3. Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen: in den letzten 40 Jahren hat die Erde die Hälfte ihrer Tierarten und eine Waldfläche in der Größe ganz Europas eingebüßt. Der Rückgang der Gletscher und des arktischen Eises hat ein dramatisches Ausmaß angenommen. Die Wüsten dehnen sich ständig weiter aus und führen zu steigender Umweltmigration. 250.000 Tonnen Kunststoff schwimmen auf der Wasseroberfläche der Ozeane, ganz zu schweigen von dem in der Tiefe verstreuten Mikroplastik. Die Treibhausgasemissionen steigen immer noch an.

Welch weitreichende Rechtsfolgen sich aus einem solchen Verfassungsgrundsatz für die gesamte Umweltpolitik des Staats und der Regionen ergeben, kann sich der Nicht-Jurist gar nicht ausmalen. Kurz: es wäre ein Durchbruch für alle Menschen, die mit Rechtsmitteln für mehr Umweltschutz kämpfen. Wenn bis September 2019 italienweit 50.000 Unterschriften zusammenkommen, muss sich das Parlament mit diesem Antrag befassen. Auch in allen Südtiroler Gemeinden (Gemeindesekretariat) liegen diese Bögen aus und können zu den Amtsöffnungszeiten mit Ausweis bis zum 6.9.2019 unterschrieben werden. Am besten gleich bei der nächsten Gelegenheit. Wenn die Anliegen der „Fridays for Future“ auch auf verfassungsrechtlicher Ebene verankert werden sollen, dann ist dieses Volksbegehren genau das Richtige (https://figlicostituenti.eu).