Die Autonomie-Allianz
Es sei “kein Schritt, den wir leichtfertig tun”, sagt Philipp Achammer. Aber in diesem Falle gehe es darum, “ein Grundrecht zu verteidigen – um jeden Preis”. Andreas Leiter Reber nickt: “Wenn uns das Autonomiestatut diese Waffe in die Hand gibt, werden wir sie auch nutzen.” Rhetorisch auf- und rechtlich gerüstet präsentieren sich die beiden Parteiobmänner am Mittwoch Vormittag. Es ist ein bislang ungewohntes Bild, das die beiden gemeinsam mit ihren jeweiligen Fraktionskollegen abgeben. Bislang war man gewohnt, dass sie sich gegenseitig bekriegen – jetzt aber machen sich Freiheitliche und SVP gemeinsam auf in den Kampf. Die beiden Landtagsfraktionen werden vor Gericht ziehen – in der Causa Thomas Müller.
Nach der Landesregierung schalten sich nun also auch die Landtagsabgeordneten ein. Wie berichtet, hat die Südtiroler Ärztekammer Mitte Juli den österreichischen Primar Thomas Müller aus dem Berufsverzeichnis gestrichen. Wegen fehlender Italienischkenntnisse. Nicht gegen den Akt des Ausschlusses werde man rekurrieren, sondern “gegen den Beschluss der Ärztekammer vom 15. Juli 2019, der als Voraussetzung für die Eintragung in das Berufsverzeichnis der Ärzte einen Nachweis über Italienischkenntnisse auf B2-Niveau vorsieht”, erklärt SVP-Obmann Achammer. Das nämlich “widerspricht mit Sicherheit Art. 99 des Autonomiestatuts, der die deutsche Sprache in der Region Trentino-Südtirol dem Italienischen als Amtssprache gleichstellt”.
Es gehe nicht um die effektive Zweisprachigkeit im öffentlichen Dienst, präzisiert Freiheitlichen-Obmann Leiter Reber, sondern darum, dass Italienischkenntnisse auf Matura-Niveau als Voraussetzung für die Berufsausübung vorgeschrieben werden. “Das kann es nicht sein – zumal es umgekehrt nie so gewesen ist, dass von einem italienischen Arzt Deutschkenntnisse für die Zulassung zum Dienst gefordert wurden”, sagt Achammer. Weil durch den Beschluss der Ärtzekammer mit der Gleichstellung der Sprachen “eine Grundsäule der Autonomie” angegriffen und der Schutz einer Sprachgruppe verletzt werde, habe man sich für die Anfechtung des Aktes vor dem Bozner Verwaltungsgericht entschieden.
Deutsche Geschlossenheit
Die rechtliche Grundlage dafür bietet Art. 92 des Autonomiestatuts. Darin heißt es: “Wenn angenommen wird, dass Verwaltungsakte der Körperschaften und Organe der öffentlichen Verwaltung, die ihren Sitz in der Region haben, den Grundsatz der Gleichheit der Bürger wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachgruppe verletzen, so können sie von (…) Landtagsabgeordneten (…) angefochten werden.” Voraussetzung dafür ist, dass die Verletzung von der Mehrheit der Landtagsabgeordneten jener Sprachgruppe anerkannt wird, die sich in ihren Rechten verletzt fühlt.
In diesem Fall ist die deutsche Sprachgruppe betroffen. Mit den 13 deutsch erklärten SVP-Abgeordneten und den beiden Freiheitlichen wäre die Mehrheit der insgesamt 25 deutschsprachigen Landtagsabgeordneten (13 SVP, 6 Team Köllensperger, 2 Freiheitliche, 2 Südtiroler Freiheit, 2 Grüne) bereits erreicht. Achammer und Leiter Reber aber haben sämtliche deutschsprachigen Landtagskollegen eingeladen, sich dem Rekurs, der von den Anwälten Meinhard Durnwalder – der Senator ist in dieser Sache der Rechtsbeistand der SVP – und Markus Larch (für die Freiheitlichen), anzuschließen. “Und alle haben zugesichert, ihn geschlossen mitzutragen”, berichten die beiden Parteiobmänner. Die Landtagsabgeordneten der anderen beiden Sprachgruppen, so hoffen sie, werden die Anfechtung “zumindest im Geiste” mittragen – schließlich gehe es um ein Grundprinzip der Südtiroler Autonomie. Sie sei bereits in dieser Hinsicht tätig geworden und werde auch mit ihrem Parteikollegen Riccardo Dello Sbarba sprechen, betont die Grüne Brigitte Foppa. “Denn das soll keine ethnische Geschichte werden.”
Die Geschlossenheit des Landtags – für Achammer “ein beeindruckendes Zeichen”. Denn er sieht den “Moment gekommen, parteiübergreifend die Stimme zu erheben”. Auch, weil die Angelegenheit weit über die Person Thomas Müller – “indirekt würde diese Regelung auch den Zuzug von Ärzten aus dem deutschen Sprachraum oder dem osteuropäischen Raum, wo vielfach Deutschkenntnisse da sind, erschweren”, so Leiter Reber – und die Sanität hinausgeht. “Sollte der Beschluss der Ärztekammer nämlich so stehen bleiben, wäre das ein sehr gefährlicher Präzedenzfall auch für andere Berufsverzeichnisse – das würde einem Berufsverbot gleichkommen.”
Partner auf Abruf
Ein Seitenhieb kommt aus dem Team Köllensperger. Am Mittwoch hat der IV. Gesetzgebungsausschuss bzw. die SVP-Vertreter einen Antrag von Franz Ploner abgelehnt, mit einem eigenen Landesgesetz die Grundlage zu schaffen, um die Einschreibung von Ärzten ohne Probleme zu ermöglichen – auch die Ärztekammer hat eine solche Südtiroler Regelung in der Vergangenheit bereits gefordert. “Es wäre die Aufgabe der Landesregierung und des zuständigen Landesrats, solche Probleme frühzeitig aus dem Weg zu räumen, anstatt im Schulterschluss mit den Freiheitlichen als Anfechtungsapostel zu erscheinen”, so Ploners Kritik nach der Ablehnung seines Antrags am Mittwoch.
Die lässt Philipp Achammer nicht auf sich sitzen. “Warum sollten wir ein Landesgesetz zu etwas schaffen, das unsere Landesverfassung, das Autonomiestatut, als Grundprinzip festschreibt? Warum sollten wir uns hier mit einer hierarchisch niedrigeren Rechtsquelle abfinden?” Und von einem Schulterschluss mit den Freiheitlichen will der SVP-Obmann auch nicht wirklich etwas wissen: “Dass wir hier zum ersten Mal zusammen sitzen, hat damit zu tun, dass sich bereits im Zuge der Sondierungsgespräche nach den Landtagswahlen herausgestellt hat, dass die Freiheitlichen, wenn es um Grundsäulen der Autonomie geht, immer bereit sein werden, uns zu unterstützen – dafür danke ich den Kollegen Leiter Reber und Mair.”
Warum war die Sued-Tiroler
Warum war die Sued-Tiroler Freiheit in dieser Aktion nicht beteiligt?
Antwort auf Warum war die Sued-Tiroler von Mattia Frizzera
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