Wirtschaft | Interview

"Wir überstehen auch diese Machthaber"

Der Brixner Unternehmer Harald Oberrauch über Brexit, „sexy Berufe" und warum er dem menschengemachten Klimawandel nichts abgewinnen kann.
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Foto: Harald Oberrauch

Harald Oberrauch leitet als Präsident von Durst und Alupress zwei Südtiroler Vorzeigeunternehmen mit Standorten auf der ganzen Welt. Daneben bekleidet er als Wirtschaftsvertreter ein Amt im Universitätsrat der Uni Bozen und investiert in junge Südtiroler Start-Ups. 

 

Salto.bz: Der bevorstehende aber noch unvollendete Brexit wirft nach wie vor viele Fragen auf. Inwiefern haben die Entwicklungen Auswirkung auf die Südtiroler Wirtschaft und speziell auf Ihre Unternehmen?

Harald Oberrauch: Ich bin der Meinung, dass es uns alle betreffen wird, auch Südtirol. Ganz konkret aber unsere Tochtergesellschaft in England, die Vertrieb und Service macht. Es sind bürokratische Sachen vorzubereiten, in der Lagerwirtschaft; man muss schauen was mit dem Geld passiert, das in den Firmen liegt. Das große Problem ist jetzt, dass man keine wertschöpfenden Arbeiten machen kann und das Bürokratische überwiegt, was keinem was bringt. Weder dem Kunden, noch der Firma. Auf einer so hohen Ebene darf man leider nicht das Volk befragen. Dazu hat man Politiker. Deswegen hat man sie gewählt, um solch große Entscheidungen zu treffen. Das Grundproblem liegt viel weiter zurück und jetzt haben wir damit zu kämpfen

 

Auf einer so hohen Ebene darf man leider nicht das Volk befragen. Dazu hat man Politiker. 

 

Sie sind also besorgt?

Eine Ungewissheit ist sicherlich immer eine Besorgnis.

Ein weiteres, international relevantes Thema sind die Schutzzölle der USA auf beispielsweise Aluminium. Was hat dieser Handelsstreit für Auswirkungen auf Ihre Unternehmenstätigkeit?

Die Zölle betreffen uns natürlich auch. Grundsätzlich ist der Protektionismus der USA weltwirtschaftlich ein negatives Resultat. Wir können nicht von offenen Grenzen reden in den letzten Jahren und uns dann wieder komplett verschließen und Zölle einführen. Die Strategie Amerikas ist sicher nicht förderlich für die globale Wirtschaft, betrifft uns aber auch auf lokaler Ebene. Unsere Firmen haben bisher noch alle politischen Regierungen überstanden und werden auch diese Machthaber, sowohl weltpolitisch als auch national, überstehen. Solche Höhen und Tiefen ist man als Unternehmer gewohnt. 

 

In einer freien Marktwirtschaft mit geeigneten Rahmenbedingungen regelt sich der Markt von selbst.

 

Sollte die Politik also die Finger von Wirtschaftsfragen lassen? 

Ich bin derselben Meinung, wie sie schon der schottische Ökonom und Moralphilosoph Adam Smith im 18. Jahrhundert formulierte: in einer Marktwirtschaft soll die unsichtbare Hand der Politik walten. Das heißt, sie soll sehr wohl wichtige wirtschaftliche Aufgaben übernehmen, die sich aber auf die Schaffung von gerechten und geeigneten Rahmenbedingungen konzentrieren und die Unternehmen frei arbeiten lassen sollten. In einer freien Marktwirtschaft mit geeigneten Rahmenbedingungen regelt sich der Markt von selbst.

Schwenk zu Südtirol. Arbeits- bzw. Fachkräftemangel ist ein Stichwort, dass man immer wieder in den Medien hört. Aber was bedeutet das für Ihre Unternehmen jetzt konkret und wie wirkt man dem entgegen?

Ja, die Problematik besteht. Trotzdem bin ich bin der Meinung, dass jeder Unternehmer bzw. jedes Unternehmen zuerst in den Spiegel schauen und sich fragen sollte, wieso man so schwer Facharbeiter bekommt. Die Firmen müssen auch selber was tun, um attraktiv am Arbeitsmarkt zu sein. Es braucht ein gutes Erscheinungsbild und angemessene Arbeitskonditionen. Wenn man da top ist, hat man auch das Problem des Arbeitskräftemangels nicht mehr. In der Firma Durst kennen wir das Problem nicht. Wir haben viel eher die Qual der Wahl, geeignete Fachkräfte auszuwählen.

Ein viel größeres Problem wird in Zukunft auf uns zukommen: heute gehen bereits immer weniger Studierende in technische Ausbildungen. Eigentlich absurd, werden technische Berufe am Markt doch am besten bezahlt und sind größtenteils krisenresistenter als Arbeitsplätze im nicht-produzierenden Gewerbe. Deshalb muss man die technischen Berufe wieder sexy machen, das ist auch Aufgabe der Firmen selber und heute eine wichtige Mission des Unternehmerverbandes. In Zukunft werden aber Unternehmen gewinnen, in welchen sich die Mitarbeiter am besten fühlen. 

 

Wir haben viel eher die Qual der Wahl geeignete Fachkräfte auszuwählen. 

 

Weil Sie die gute Bezahlung technischer Berufe erwähnen. Das Lohnniveau in Südtirol ist laut WIFO seit 2005 nun erstmals gesunken. Wäre eine Erhöhung des Reallohns ausreichend, um die Attraktivität bestimmter Berufe wieder zu steigern?

Stellen Sie sich eine Torte vor, in der der Lohn sicherlich einen großen Anteil ausmacht. Er ist aber nicht allein ausschlaggebend. Ich bin der Meinung, dass die Torte grundsätzlich auch aus anderen Faktoren bzw. weichen Faktoren besteht: Das Ambiente, die Philosophie und die Werte einer Firma. Sind wir uns ehrlich, wir sind alle mehr bei der Arbeit als zuhause. Wenn man diese Zeit so angenehm wie möglich gestaltet, dann haben alle nur Vorteile davon. Man muss vermehrt auch auf flexible Arbeitszeiten und extrem auf den Mitarbeiter und seine Bedürfnisse eingehen. Die Modelle haben sich geändert, heute sind Freizeit und Flexibilität am Arbeitsmarkt viel mehr wert als ausbezahlte Überstunden. Wenn man das bieten kann, spielt man vorne mit. Denn wie man so schön sagt – und von dem bin auch ich absolut überzeugt – sind die Mitarbeiter das größte Kapital im Unternehmen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Südtirol vor dem Hintergrund vermehrt auftretender ökologischer Krisen?

Südtirol hat den Vorteil, das Tüfteln und den Erfindergeist in seiner DNA zu haben. Den Willen, über die Berge hinauszuschauen, etwas schaffen zu wollen. Die Arbeitsmentalität der Südtiroler ist laut meiner Erfahrung extrem hoch angesehen und im internationalen Vergleich an erster Stelle.  Wir müssen uns jedoch noch stärker auf Innovation konzentrieren und dahingehend investieren. Wir müssen sicherlich den sechsten Gang einlegen und uns fragen, wie wir global durch neue Technologien und Businessmodelle neue Mehrwerte für den Kunden schaffen können, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein. Die Basis ist da, die Mentalität auch. Die Weltkonjunktur spielt uns zwar gerade nicht in die Karten, aber nach einer Krise kommt wieder ein Hoch und wenn man da 'gesettled' ist, hat man nur gewonnen. Jede Krise ist gewissermaßen eine Opportunität. 

 

Die Arbeitsmentalität der Südtiroler ist laut meiner Erfahrung extrem hoch angesehen und im internationalen Vergleich an erster Stelle.

 

Sie sind nun auf ökonomische Krisen eingegangen, die Frage bezog sich aber auf Umweltkrisen. Inwiefern sieht man sich als Global Player verantwortlich, gewisse Akzente zu setzen, z.B. im Kampf gegen den Klimawandel?

Wir leben in einer Welt, wo Nachhaltigkeit an erster Stelle steht. Das muss natürlich von den Firmen getragen werden, auch in deren Strategien. Man kann heute nicht mehr nur in einem reinen Consumer-Denken agieren. Man muss sicherlich vorneherein strategische Grundsteine legen, damit man den nächsten Generationen eine Umwelt weitergibt, die ertragbar ist.

Bezüglich Klimawandel gibt es verschiedene Theorien, es kann nicht alles auf CO2 zurückzuführen sein. Dort widerspricht sich sogar die Literatur. Es hat in der Geschichte der Menschheit schon mehrere klimatische Schwankungen gegeben. Aber ja, der Klimawandel ist da und nicht abzustreiten. Was mir unklar ist, ist dessen Ursache.

Sie zweifeln also an, dass die derzeitige Klimaerwärmung primär durch uns Menschen herbeigeführt wurde?

Genau, genau. Schauen Sie mal morgens zum Fenster hinaus. Was sehen Sie da? Die Sonne, oder? Sie ist der heißeste und glühendste Stern in unserem Sonnensystem und nur 150 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, beeinflusst Tag und Nacht, Sommer und Winter, Hitze und Kälte auf unserer Erde. Und das seit vielen Millionen Jahren. Glauben Sie etwa nicht an die Kraft der Sonne und wie sie unsere Welt beeinflusst?

 

Aber ja, der Klimawandel ist da und nicht abzustreiten. Was mir unklar ist, ist dessen Ursache.

 

Es ergeben sich aber aber im Zuge eines gesteigerten Umweltbewusstseins sicherlich auch Chancen einhergehend mit der Elektrifizierung der Automotive-Branche?

Klar, aber hier reden wir wieder von der unsichtbaren oder doch nicht unsichtbaren Hand der Politik. Heute ist zum Beispiel der ganze Trend hin zu mehr Elektrofahrzeugen ganz stark von der Politik getrieben und eigentlich nicht vom Konsumenten. Mittlerweile haben wir das große Problem, dass der Endkonsument beim Autokauf stark verunsichert ist. Man weiß gar nicht mehr, was man kaufen soll. Kauf ich mir einen Diesel? Darf ich nicht. Kauf ich mir noch einen Verbrennungsmotor oder steige ich auf E-Antrieb um, wo die Reichweiten und die Distribution der Ladestätten noch ein Thema sind? Und wo sich nach wie vor die Frage der Nachhaltigkeit des Recyclings der Batterien stellt.

Ich bin aber der Meinung, dass im Automotiv-Markt der Elektromarkt in Zukunft sicherlich ein Teil des Antriebs sein wird. Wobei es noch andere Potentiale gibt. Interessant werden neue Technologien, die in Forschung und Entwicklung oder teilweise schon auf dem Markt sind. Ich denke, dass in Zukunft zwei bis drei neue Antriebstechnologien neben dem Verbrennungsmotor ihre Berechtigung auf dem Markt haben werden, zum Beispiel die Brennstoffzelle.

Es heißt oft „Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut“. Ist eine florierende Wirtschaft allein aber ausreichend, um die Lebensqualität in einer Region zu bemessen?

Vollkommen ausreichend ist es nicht. Ein Großteil des Wohlstandes kommt sicherlich von der Wirtschaft. Natürlich müssen aber auch Rahmenbedingungen bestehen. Es braucht Planbarkeit, Rechtsstaatlichkeit und eine gewisse politische Stabilität. Es ist also ein Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Politik und natürlich sozialer Dimensionen. Alleine kann es die Wirtschaft auch nicht machen.

 

Heute ist zum Beispiel der ganze Trend hin zu mehr Elektrofahrzeugen ganz stark von der Politik getrieben und eigentlich nicht vom Konsumenten.

 

Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang von der italienischen Regierung geplante und bereits umgesetzte Maßnahmen wie die Flat Tax oder ein Grundeinkommen?

Einerseits gibt es in Südtirol schon eine Art Grundeinkommen (das sogenannte Lebensminimum, A.d.R). Das Thema wird aber in Zukunft sicherlich noch stärker kommen. Die definitive Lösung hat man heute sicherlich noch nicht, weil das Konzept auf einer anderen Dimension steht, wie wir sie heute haben. Wenn wir wirklich ein Grundeinkommen machen, müssen auch die Rahmenbedingungen angepasst werden und alles ganz gut durchdacht werden. Man müsste eigentlich die ganze Sozialwirtschaft anpassen und neu aufstellen, was extreme Herausforderungen mit sich bringt. Ich würde nie von heute auf morgen etwas derartiges einführen, sondern „Step by Step“ gehen. Es gibt solche Modelle, an denen man sich inspirieren kann. Zum einen sicherlich jenes in Südtirol, zum anderen jenes der skandinavischen Länder, die auch dort Vorreiter sind. 

Bevor Sie als Unternehmer durchgestartet sind, hatten Sie Erfahrungen im Eishockeysport. Was hat Sie diese Zeit im Hinblick auf Ihre unternehmerische Tätigkeit gelehrt?

Ich habe schon als kleiner Junge am zugefrorenen Völser Weiher Eishockey zu spielen begonnen und als Abschluss meiner Karriere zwei Jahre professionelles Eishockey in Mailand gespielt. Das war insgesamt eine wirklich gute Lebensschule, die mir heute extrem weiterhilft. In einem Mannschaftssport ist man allein aufgeschmissen. Heute in der Wirtschaftswelt kann man alleine auch nichts bewegen. Deswegen bin ich absolut der Meinung, dass Sport uns alle prägt und uns auf die konkrete Arbeitswelt nur vorbereiten kann.