Mehr Deutsch statt „Krautwalsch“
Mussten Sie schon mal den „Hydrauliker“ zu sich nach Hause rufen? Ja? Dann kommen Sie bestimmt aus Südtirol, denn im deutschen Sprachgebrauch gibt es diesen Terminus nicht, der bei uns fälschlicherweise dem italienischen Wort „idraulico“ entnommen ist. Wären Sie ein Dolmetscher, hätten Sie ein Ohr für diese selbstkreierten Lehnwörter à la „krautwalsch“, denen so viele Südtiroler zum Opfer fallen. Solange Sie aber bloß mit Ihrem Nachbarn darüber sprechen, dass Sie wieder mal „zu warm haben“, anstatt, dass Ihnen „zu warm ist“, dürfen Sie ruhig mit einem lachenden Auge über dieses Konglomerat italianisierter deutscher Mundart hinwegsehen. Es geht allerdings zu weit, wenn man beim offiziellen Formularausfüllen, dauernd auf die italienisch abgedruckte Spalte zurückgreifen muss, um zu verstehen, dass mit „Kaufen grün“, „Acquisti verdi“ gemeint sind. Das erlebte jüngst die Präsidentin des Südtiroler Dolmetscherverbandes Ulrike Egger. „Texte in der öffentlichen Verwaltung müssen häufig möglichst treu übersetzt werden. Da haben sich über die Jahre Wendungen in die deutschen Texte eingeschlichen, die einfach nicht Deutsch sind. Muss dann noch unter Zeitdruck gearbeitet werden, dann wird einfach 1:1 übersetzt, Satzbau und Formulierungen werden übernommen, die im Italienischen aber ganz anders sind, wie im Deutschen.“
Um diese Problematik anzusprechen, traf sich vor kurzem eine Delegation des Südtiroler Dolmetscherverbandes, um dem Landesrat für Dienstleistungen und deutsche Kultur, Philipp Achammer, eine Reihe von Maßnahmen für eine qualitativ hochwertigere Auftragsvergabe bei Übersetzungen in der öffentlichen Verwaltung vorzuschlagen. Auch die Präsidentin Egger war dabei: „Es war uns ein Anliegen, beim Landesrat das Thema des sinkenden Niveaus des Sprachgebrauchs in Südtirol, bedingt auch durch mangelhafte Qualität der Übersetzungen, anzusprechen. Gerade bei der öffentlichen Auftragsvergabe braucht es einfach mehr Kontrollen im Vorfeld, sprich, an wen die Aufträge vergeben werden, und dann auch im Nachhinein, ob die erbrachte Leistung tatsächlich den bestehenden Qualitätsanforderungen entspricht.“
Ein Deutscher spricht nicht immer Südtirolerisch
Ein Grund für schlechte Übersetzungen liege nicht nur an mangelnder Professionalität, sondern häufig auch in der Auftragsvergabe, erklärt Egger. Oftmals würden in der öffentlichen Verwaltungen Aufträge nach dem Kriterium des billigsten Preises an provinzfremde Anbieter vergeben, kritisiert der Berufsverband der Südtiroler Dolmetscher. Zur Erläuterung teilt die Präsidentin des Verbandes Egger einen weiteren Insider aus den Abgründen öffentlichen Sprachgebrauchs im Lande Südtirol: „Kürzlich war in der Presseaussendung einer Südtiroler Gemeinde, nicht von ‚Boznern‘, sondern von ‚Bauzanern‘ die Rede. Besagte Gemeinde hatte den Auftrag zur Übersetzung der Pressemitteilungen außerhalb von Südtirol vergeben.“
Gerade ein einheimischer Dolmetscher, kenne jedoch die Besonderheiten der Südtiroler Kultur, auch in der Sprache. Es gehe nicht darum, einfach einen Text zu übersetzen, sondern darum, die Botschaft dem Leser oder Zuhörer im Kontext seines kulturellen Hintergrundes zu vermitteln, erklärt die Dolmetscherin Egger: „Ein Dolmetscher aus Südtirol weiß einfach, wann er bei einem Kongress „Kondominium“ sagen sollte, damit das Publikum versteht, worum es geht, und wann dieser Begriff für das Publikum definitiv nicht verständlich ist.“
Kürzlich war in der Presseaussendung einer Südtiroler Gemeinde, nicht von ‚Boznern‘, sondern von ‚Bauzanern‘ die Rede. Besagte Gemeinde hatte den Auftrag zur Übersetzung der Pressemitteilungen außerhalb von Südtirol vergeben.
Und trotzdem geht die Qualität der Übersetzungen in der öffentlichen Verwaltung häufig auf Kosten der Geldeffizienz. Da die meisten Südtiroler Dolmetscher freiberuflich arbeiten, sind ihre Preise etwas höher, als etwa in anderen Ländern, in denen auch die Lebenserhaltungskosten niedriger sind. Dabei werde die regionale Wertschöpfung komplett ignoriert, gibt Egger vom Dolmetscherverband zu bedenken: „Es macht keinen Sinn, einen Dolmetscher von auswärts zu holen, der vielleicht 10 Euro weniger verlangt, aber dann in Summe das Geld auch anderswo ausgibt und anderswo Steuern zahlt. Ein lokaler Dolmetscher zahlt in Südtirol von seinem Honorar seine Steuern; was dann übrigbleibt, gibt er hier aus und fördert damit die lokale Wirtschaft.“
Warum brauchen wir eigentlich Dolmetscher?
Besonders Südtirol, als wirtschaftliche Schnittstelle zwischen Italien und dem deutschsprachigen Raum ist auf Übersetzungen vom Deutschen ins Italienische und umgekehrt angewiesen. Doch braucht es überhaupt professionelle Übersetzer in einem Land, in dem es zweisprachige Menschen zur Genüge gibt? Dieses Argument lässt Egger nicht gelten. Zweisprachigkeit im Alltag sei etwas anderes als Textarbeit auf professionellem Niveau, bei dem es auch um die kulturellen Kontexte und die fachsprachlichen Feinheiten ginge. „Unsere Arbeit beginnt schon lange bevor wir in der Dolmetschkabine das Mikrophon einschalten. Die meisten Veranstaltungen erfordern eine intensive Vorbereitung, damit wir uns in die Materie und die entsprechende Terminologie einarbeiten können.“ Dolmetscher brächten dafür die entsprechende akademische Ausbildung mit. Außerdem bedürfe das gleichzeitige hören, analysieren, verarbeiten und sprechen der eigenen Übersetzung sehr viel Konzentration, die nur durch Professionalität und Arbeit im Team funktioniere: „Grundsätzlich arbeiten wir in Teams von mindestens zwei Dolmetschern und wechseln uns alle 20-30 Minuten ab. Dolmetschen kann man nur über einen kurzen Zeitraum, danach sinkt die Konzentration und leidet schlussendlich die Qualität.“ Die Privatwirtschaft, insbesondere Unternehmen, die sich auf dem deutsch-italienischen Markt bewegen, schätzten daher ihre Arbeit.
Es macht keinen Sinn, einen Dolmetscher von auswärts zu holen, der vielleicht 10 Euro weniger verlangt, aber dann in Summe das Geld auch anderswo ausgibt und anderswo Steuern zahlt
Jetzt bleibt es nur mehr, die öffentliche Verwaltung von der Wichtigkeit qualitativ hochwertiger professioneller Übersetzungen zu überzeugen. Das Treffen mit Phillip Achammer war vielleicht ein erster Schritt in diese Richtung. „Der Landesrat war sehr aufgeschlossen unseren Themen gegenüber, gerade was Niveau und Qualität der Sprache anbelangt, die ihm selbst ein großes Anliegen sind. Ich hoffe, dass ein größeres Bewusstsein für die Qualität des Sprachgebrauchs in Südtirol geschaffen wird. Dass man schlechte Übersetzungen nicht einfach als unvermeidlich hinnimmt, sondern sich darüber im Klaren ist, dass das auch anders geht“, schließt Ulrike Egger ab. Hoffen wir, dass die öffentliche Verwaltung in Zukunft öfter auf professionelle Dolmetscher und Übersetzer zurückgreift. Ansonsten kommt es so weit, dass mancher Südtiroler beim Formularausfüllen auf der Gemeinde sagen muss: „Ma io non mi conosco più fuori!“
Ich erfahre in diesem Beitrag
Ich erfahre in diesem Beitrag etwas für mich Neues: ich dachte, dass die Übersetzungen z. T. von den Sachbearbeiters selbst und vor allem von den Übersetzungs-Ämtern der jeweiligen Behörde gemacht werden. Wenn es nun so ist, dass die Übersetzungen in Auftrag gegeben werden, würde ich erwarten, dass die Qualität der Übersetzung überprüft wird und erst dann im entsprechenden Verwaltungsakt eingebracht oder veröffentlicht wird.
Ich weis, die Realität war und ist aber häufig schlimm. Ich erinnere mich z. B. an Broschüren, die von der Dienstelle des Europäischen Sozialfonds jährlich veröffentlicht wurden, in denen sich die "deutschen" Texte so lasen, als kämen sie vom Google-Übersetzer. Z. B. wurden geläufige technisch-berufliche italienische Abkürzungen einfach 1:1 übernommen und man musste wirklich den italienischen Text lesen, um zu verstehen, was diese Bildungsangebote wirklich beinhalten - und es war auch dann noch schwer!
Wenn also die von den jeweiligen Behörden angestellten Text-Übersetzer den Aufwand nicht schaffen, dann müssten sie und auch noch die zuständigen Sachverständigen, die Lesbarkeit und Korrektheit der Texte überprüfen!
Ich hätte mich am Hydrauliker
Ich hätte mich am Hydrauliker-Beispiel nicht verschluckt, eher am "Außerdem bedürfe das gleichzeitige *h*ören, *a*nalysieren, *v*erarbeiten und *s*prechen der eigenen Übersetzung sehr viel Konzentration". :-). Eine Kunst, die bei den angesprochenen, schriftlichen Textübersetzungen vielleicht gar nicht so zentral ist.
Diese Initiative kann man nur begrüßen, wobei mangelnde Sprachqualität allerdings nicht nur bei Übersetzungen zu beobachten ist.
Antwort auf Ich hätte mich am Hydrauliker von Benno Kusstatscher
landläufig, selbst gehört:
landläufig, selbst gehört:
“aaah, Sie bringen den autocarro wegen des neuen gancio zum collaudo”?
Antwort auf landläufig, selbst gehört: von Peter Gasser
Oder “Tschüpp” für Jeep.
Oder “Tschüpp” für Jeep.
Antwort auf Oder “Tschüpp” für Jeep. von Maximi Richard
Ich bin ähnlich verwundert
Ich bin ähnlich verwundert wie Herr Bacher. Das Problem der deutschen Sprache betrifft aber nicht nur Übersetzungen, vornehmlich aus dem Italienischen, sondern auch Gesetzestexte, die zuerst in Deutsch verfasst werden. Die sind zuweilen in einer schauderlichen Sprache formuliert und die vorgeblich erzwungene Anlehnung an das Italienische zieht in diesem Falle nicht als Ausrede. Besonders in der Schulgesetzgebung möchte man meinen, dass hierin die Verfasser sich der Verwendung einer guten Sprache verpflichtet fühlen, aber gerade dort treten häufig falsche Formulierungen auf. Das Landesgesetz Nr. 12/2000 (Schulautonomie) war ein gutes, ausgewogenes Gesetz und dies schlug sich auch in der Sprache nieder. Die späteren Landesgesetze und -dekrete im Schulbereich erfüllen den Anspruch einer klaren und stimmigen Sprache nicht mehr. Dies gilt insbesondere für das Landesgesetz 5/2008 und für das verunglückte Gesetz zur Schulreform von 2011. Sprachliche Ausrutscher können vor allem dann unterlaufen, wenn der Gesetzgeber und die Helfershelfer in der Vorbereitung der Gesetze mit Fleiß ganz bestimmte nicht koschere Interessen durchdrücken wollen.