Die Perspektiven von Kindern (be-)achten
Die neu berufene Professorin an der Fakultät für Bildungswissenschaften, Iris Nentwig-Gesemann, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesen pädagogischen Kernfragen und beschreitet dabei in ihren Forschungsarbeiten immer wieder neue Wege.
Was Kinder brauchen, wenn sie sich in einer pädagogischen Institution und in der Gemeinschaft mit anderen Kindern zurechtfinden müssen und sich ihre eigenen Weltzugänge erarbeiten, hat in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen und ist immer wieder Gegenstand kontroverser Diskussionen. Iris Nentwig-Gesemann setzte mit ihrer Arbeit wertvolle und wissenschaftlich abgesicherte Orientierungspunkte für die Entwicklung und Sicherung von Qualität im frühpädagogischen Feld: zum einen durch zahlreiche Studien und zum anderen mit der Gründung und Leitung eines der drei ersten kindheitspädagogischen Studiengänge in Deutschland an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. Seit Anfang März sucht die Professorin an der unibz noch einmal eine neue Herausforderung. Sie freut sich besonders, ihre Expertise und ihr Know-how im Bereich der Frühpädagogik nun auch in Südtirol einbringen zu dürfen. Die Studierenden für den Kindergarten zu begeistern, ist ihr ein Herzensanliegen, denn aus ihrer Sicht ist der Kindergarten „ein wunderbarer und sehr anspruchsvoller pädagogischer Ort, der ein unglaubliches Potenzial und eine sehr große Relevanz für die gesunde Entwicklung von Kindern hat.“ Weil die Kinder allerdings viel verletzlicher sind als im Grundschulalter, ist dies auch ein äußerst sensibler Bereich, der ausgezeichnet qualifizierte Pädagoginnen und Pädagogen erfordert, damit in diesem Altersbereich eine gute soziale, emotionale und kognitive Entwicklung gewährleistet ist. „Die Besten für die Kleinsten“, ist eines der Leitmotive von Iris Nentwig-Gesemann.
Doch was brauchen Kindergartenkinder tatsächlich, woran kann Qualität in der frühen Betreuung, Bildung und Erziehung festgemacht werden? Die Frühpädagogin benennt dafür einige wesentliche Aspekte. Insbesondere die unter Dreijährigen brauchen konstante, sensitiv-responsive Bindungspersonen, also eine sichere Basis. Immer wieder neue Bindungen aufzubauen, ist für die Kleinsten mit größter Anstrengung verbunden. „Zum Sich-Bilden gehört Loslassen, Explorieren, die Welt erkunden und sie mitgestalten. Ein Kind, das sich nicht sicher fühlt, ist nicht in der Lage, sich zu bilden“, sagt die Frühpädagogin. Um die Kleinsten ihren Bedürfnissen und Ansprüchen entsprechend gut betreuen zu können, sind ein Fachkraft-Kind-Schlüssel von 1:4, eine professionelle Haltung der Fachkräfte sowie geschützte und ruhige Bereiche innerhalb des Kindergartens grundlegende Voraussetzungen.
Und was wünschen sich die Vier- bis Sechsjährigen von einem Kindergarten, in dem sie sich „wohl, sicher, anerkannt und wertgeschätzt fühlen – und zwar auch und gerade dann, wenn sie nicht den Erwartungen und Vor-Urteilen der Erwachsenen entsprechen? In einem ihrer Projekte hat die Professorin mit ihrem Team erstmals überhaupt in dieser Form die wichtigsten Akteure selbst zu Wort kommen lassen, nämlich die Kinder: „Kinder sind für mich Forschungssubjekte nicht -objekte, ich forsche nicht über Kinder, sondern MIT Kindern“. Ihr großes Anliegen? Die Kinder zunehmend in Qualitätsentwicklungsprozesse einzubinden, ihre Stimmen hörbar zu machen, ihre Rechte und Kompetenzen ernst zu nehmen und sie als gleichberechtigte Akteure anzuerkennen. „Denn Qualitätsentwicklung funktioniert nur über Dialog, über Aushandlungsprozesse und Kompromisse aller beteiligten Akteure“, ist die Forscherin überzeugt.
Um zu erkunden und zu verstehen, welche Erfahrungen den Kindern wichtig sind, was ihnen gefällt und worüber sie sich beschweren, ist es notwendig, mit den Kindern selbst ins Gespräch zu kommen. „Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich vor Ort bin und mit den Kindern zusammenarbeiten kann“ so Iris Nentwig-Gesemann. Aber wie interviewt man eigentlich Vier- bis Sechsjährige? Die Kinder schätzen es sehr, wenn ihre Interessen und Erfahrungen gefragt sind, wie sie sich öffnen, ist jedoch ganz unterschiedlich. „Die einen machen es sprachlich, andere zeigen etwas oder malen ein Bild. Das so gesammelte empirische Material zu interpretieren, erfordert viel forschungsmethodische Erfahrung“. Im Zuge des Forschungsprojekts „Kita-Qualität aus Kindersicht sind so zehn Qualitätsdimensionen aus Kindersicht entstanden. Diese machen beispielsweise deutlich, dass für Kinder „unpädagogisierte, ungestörte Zeit zum Spielen mit den Freundinnen und Freunden das Wichtigste überhaupt ist.“ Als ein weiteres Qualitätsmerkmal aus Kindersicht entpuppte sich die Möglichkeit des spielerischen Austestens von Grenzen sowie die Erfahrung, dass „Ausnahmen von der Regel“ möglich sind. Können Kinder beispielsweise ein Bauwerk, an dem sie konzentriert arbeiten, in Ruhe fertigstellen und ihr Mittagessen dafür einmal viel später einnehmen, machen sie die wichtige Erfahrung, dass es den Erwachsenen nicht primär um das Einhalten von Regeln geht, sondern darum, dass die Kinder erfüllte und glückliche Momente erleben. Spannend erwies sich auch die Kompromissbereitschaft der Kinder: Beschwerten sie sich über etwas, das ihnen im Kindergarten nicht gefiel, hatten sie oftmals auch schon einen konstruktiven Verbesserungsvorschlag. In einer weiteren Studie, diesmal im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, hat Nentwig-Gesemann die Qualitätsdimensionen aus Kindersicht auf insgesamt 23 erweitert. Diese sollen in Deutschland künftig Dreh- und Angelpunkt von Qualitätsentwicklung und -sicherung in Kindertageseinrichtungen sein.
Ihr Wissen mit den Fachkräften zu teilen, die in den Kinderbetreuungseinrichtungen um die Weiterentwicklung der Qualität bemüht sind, ist Iris Nentwig-Gesemann ein besonderes Anliegen Aus diesem Grund hat sie eine Weiterbildung zur „Fachkraft für Kinderperspektiven“ entwickelt, die Pädagoginnen und Pädagogen die Möglichkeit gibt, Kinderperspektiven im Alltag ihrer jeweiligen Betreuungseinrichtung zu erforschen, zu analysieren, zu dokumentieren und dann in dialogische Qualitätsentwicklungsprozesse einzubeziehen, an denen, neben Fachkräften und Kindern, natürlich auch die Eltern beteiligt sein sollten. Mit diesem eher unkonventionellen Ansatz zeigt die Forscherin, dass und wie Wissenschaft, Forschung und Fachpraxis einander bereichern können.
Die Pädagogische Abteilung
Die Pädagogische Abteilung der Bildungsdirektion hat zugesagt interessierten Elternvertretern, aber auch allen Eltern und Erziehungsberechtigten die Möglichkeit der Fortbildung zu gewähren.
Alljährlich erscheint der Fortbildungskatalog für Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen, der auch Themen beinhaltet, die Eltern betreffen. Jeder der also an einer Fortbildung der Bildungsdirektion teilnehmen möchte, kann sich dafür in der Pädagogischen Abteilung (innerhalb der vorgegebenen Fristen) anmelden.
Hier zum Fortbildungskatalog: Landesplan der Fortbildung 2019/20 - Autonome Provinz Bozen
http://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/didaktik-beratung/downloads/LP…
Die Pädagogische Abteilung
Die Pädagogische Abteilung der Bildungsdirektion hat zugesagt interessierten Elternvertretern, aber auch allen Eltern und Erziehungsberechtigten die Möglichkeit der Fortbildung zu gewähren.
Alljährlich erscheint der Fortbildungskatalog für Lehrpersonen und Kindergärtnerinnen, der auch Themen beinhaltet, die Eltern betreffen. Jeder der also an einer Fortbildung der Bildungsdirektion teilnehmen möchte, kann sich dafür in der Pädagogischen Abteilung (innerhalb der vorgegebenen Fristen) anmelden.
Hier zum Fortbildungskatalog:Landesplan der Fortbildung 2019/20 - Autonome Provinz Bozen
http://www.provinz.bz.it/bildung-sprache/didaktik-beratung/downloads/LP…