Politik | Sechserkommission
Die Unperson
Foto: Fondazione Alexander Langer Stiftung
Guido Denicolò kann lachen. „Mich hat niemand kontaktiert“, sagt er, „und ich weiß von der ganzen Sache nichts.“ Am Ende des Gesprächs mit salto.bz fügt der Staatsadvokat dann einen Satz hinzu, den er ohne Groll aber durchaus mit Überzeugung sagt: „Ich bin aber zuversichtlich, dass die SVP meine Ernennung zu verhindern weiß“.
Regionenminister Francesco Boccia hat angekündigt, dass die Regierung noch innerhalb Oktober ihre Vertreter in der Sechser- und Zwölferkommission namhaft machen wird. Sicher ist, dass von den drei von der Vorgängerregierung ernannten Vertretern in der Sechserkommission zwei gehen müssen: Filippo Maturi und Michl Ebner. Ob der unabhängige Techniker Antonio Lampis bleibt, wird sich in diesen Tagen entscheiden.
Seit vergangener Woche spekuliert man über die möglichen Nachfolger. Es fallen die Namen Gianclaudio Bressa (er hat bereits abgewinkt) und Sandro Repetto. Der PD-Landtagsabgeordnete zeigt durchaus Interesse. Weil die Regierung aber auch einen deutschsprachigen Südtiroler nominiert, kommt auch diesmal ein Name ins Spiel: Guido Denicolò.
Das Tagblatt der Südtiroler berichtet in seiner Donnerstag-Ausgabe Denicolo´s mögliche Ernennung und wartet dabei mit einem prominenten und schwergewichtigen Gegner auf. „Er ist nicht unbedingt ein Garant für unsere Autonomie“, wird Luis Durnwalder gleich im Titel des Artikels zitiert.
Der Altlandeshauptmann weiß natürlich, dass der Staatsvertreter in der Sechserkommission Garant des Staates zu sein hat, doch das zählt nicht. Denn die SVP sieht rot, wenn der Name Guido Denicolò fällt. Und das seit über zwei Jahrzehnten.
Wer aber ist dieser Guido Denicolò? Und warum hat die Volkspartei eine solche Angst vor diesem Mann? Mehrmals war der diskrete Südtiroler Staatsadvokat bereits als Vertreter des Staates in der Sechserkommission ernsthaft im Gespräch. Immer wieder setzte die SVP alle politischen Hebel in Bewegung, um seine Ernennung zu verhindern.
Der Grund dafür ist einfach: Guido Denicolò ist fachlich zu kompetent und er steht politisch auf der falschen Seite. Vor allem aber hat es sich der Südtiroler Jurist mehrmals erlaubt, der politischen Macht Paroli zu bieten. Denicolo brachte dabei die SVP und die Landesregierung ernsthaft in die Bredouille. Allein das stempelt ihn unterm Edelweiß zu Unperson auf Lebzeiten.
Der Vinschger Staatsadvokat
Guido Denicolò wird 1955 in Mals geboren. Er ist der jüngere Bruder, des vor einigen Jahren überraschend verstorbenen SVP-Landtagsabgeordneten Herbert Denicolò. Politisch engagiert sich Guido Denicolò von seiner Jugend an im entgegen gesetzten Lager Denicolo gehört der „Neuen Linken“ und dem Kreis von Alexander Langer an, er kandiert zuerst für eine Bozner Spontiliste und später für die Grünen. Obwohl ohne Partiefunktionen macht er aus seiner politischen Überzeugung Zeit seines Lebens keinen Hehl.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften arbeitet Guido Denicolò zunächst als Stammrollenlehrer für Rechtskunde und Volkswirtschaft an der Oberschule. Nebenbei absolviert er die Anwaltsprüfung und die Prüfung zum Richter. 1987 wechselt er an die Staatsadvokatur nach Trient. Dort ist er auch heute noch tätig, wobei er immer wieder zeitweise in Mailand, Turin, Florenz und anderen Stadtadvokaturen Dienst tut.
Als Staatsadvokat verteidigt er dabei nicht nur den Staat, sondern auch Südtirols Sanitätseinheiten und viele Südtiroler Gemeinde. Guido Denicolò vertritt die Staatsverwaltung als geschädigte Partei auch in den Ein-Tirol-Terrorprozessen. Die Staatsadvokatur ist aber auch zuständig für Rechtsgutachten zu Landesgesetzen und Bestimmungen. Mehrmals stoßen dabei Denicolòs Gutachten der Landesregierung und der SVP sauer auf. Auch weil der politische denkende Jurist so manchen Plan der SVP damit durchkreuzt.
Drei Anläufe
Mit 38 Jahren wird Giudo Denicolò 1993 vom Ministerratspräsidium zum Cavaliere ernannt. Als zwei Jahre später die Ernennung der Mitglieder der Sechserkommission ansteht, will der Staat als seinen Vertreter Denicolò in die Kommission entsenden. Das Ministerratspräsidium fragt beim Südtiroler Staatsadvokaten nach, ob er Interesse habe und nach seiner Zusage, ersucht man ihn die nötigen Unterlagen zu übermitteln. Zwei Tage später wird dann der damalige Südtiroler Eisenbahndirektor Ewald Fischnaller an seiner statt ernannt.
Es war Luis Durnwalder und den SVP-Parlamentariern gelungen die Regierung umzustimmen.
Dieses Schauspiel wiederholt sich ähnlich noch zweimal. Guido Denicolò war auch im Herbst 2001 als Staatsvertreter in der Sechser- und Zwölferkommission ernsthaft im Gespräch. Doch dann ernannte die Regierung Berlusconi am Ende den Sterzinger Kaufmann Manfred Girtler. Auch hier hat es eine klare Intervention aus der Brennerstraße gegeben.
Dieses Schauspiel wiederholt sich ähnlich noch zweimal. Guido Denicolò war auch im Herbst 2001 als Staatsvertreter in der Sechser- und Zwölferkommission ernsthaft im Gespräch. Doch dann ernannte die Regierung Berlusconi am Ende den Sterzinger Kaufmann Manfred Girtler. Auch hier hat es eine klare Intervention aus der Brennerstraße gegeben.
Dass der Südtiroler Jurist für das Amt in der Autonomiekommission eine dauern wiederkehrende Konstante ist, musste die SVP spätestens vor sechs Jahren erkennen. Als auch die PD-Regierung unter Premier Enrico Letta sich anschickte, Guido Denicolo als ihren Vertreter in der Sechserkommission zu entsenden. Diesmal wollte die Regierung nicht nachgeben. Es war am Ende SVP-Chefunterhändler Karl Zeller, der in Rom einem „absurden Kompromiss“ zustimmen musste.
Im Dezember 2013 wurde die Bozner Richterin Brunhilde Platzer als Staatsvertreterin ernannt. Sie ist die Ehefrau von Guido Denicolò. „Damit sitzt auch Denicolo in der Kommission“, witzelte man damals in SVP-Kreisen.
Sowohl die juridische Qualifikation als Autonomieexperte von Guido Denicolò, als auch die unerklärliche Aversion aus dem Hause SVP gegen seine Person, lassen sich an zwei konkreten Vorgängen und Episoden festmachen.
Es sind zwei Todsünden, die er in den Augen der SVP begangen hat.
Das EU-Verfahren
2001 reicht der Verein „Convivia“ bei der EU-Kommission, beim italienschen Datenschutzbeauftragten und beim für die Aufsicht der Sprachminderheiten zuständigen Ministerkomitee in Straßburg einen Rekurs gegen die Sprachgruppenerklärung ein. Der Rekurs war federführend von Guido Denicolò (zusammen mit Francesco Palermo) ausgearbeitet worden und so stichhaltig, dass er von allen drei Institutionen als berechtigt angenommen wurde. Denicolo hatte eine Achillesferse der Südtiroler Autonomie getroffen.
Die EU-Kommission war dabei ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien und Südtirol einzuleiten (das Verfahren war bereits protokolliert), was die SVP im allerletzten Moment durch Intervention der österreichischen Regierung (über Andreas Khol) und durch direkter Vorsprache beim damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi abwenden konnte. Die SVP musste sich aber verpflichtet, das rigide System der Sprachgruppenerklärung abzuändern, was drei Jahre später dann mit verschiedenen Lockerungen und Neuregelungen geschehen ist. Etwa der heute möglichen Ad-Hoc-Erklärung.
Der Schilder-Streit
Der zweite Fall ist jünger und auch dort geht es um ein Südtiroler Reizthema: Die Toponomastik.
2009/2010 beginn der Alpenverein Südtirol (AVS) auf Südtirols Wanderwegen einsprachige Schilder aufzustellen. Finanziell vom Land gefördert. Es folgen ein monatelange öffentliche Polemik und eine Ermittlung der Bozner Staatsanwaltschaft. Die Ordnungskräfte ermitteln 1.500 Wegweiser, die nicht dem Gesetz der Zweisprachigkeit entsprechen.
Man sucht eine politische Lösung. Am 22. September 2010 unterzeichnen der damalige Regionenminister Raffaele Fitto und Landeshauptmann Luis Durnwalder ein Abkommen mit dem ein Schlussstrich unter den Streit gezogen werden soll. Der Kern des Abkommens: Gemeinden und Ortschaften sollen zwei- bzw. dreinamig bezeichnet, erklärende Begriffe übersetzt, aber sonst die historisch gewachsenen Orts- und Flurnamen verwendet werden.
Was die beanstandeten Wegweiser und Ortnamen betrifft, so wird eine vierköpfige Kommission eingesetzt, die eine konkrete Lösung präsentieren soll. Das Land ernennt den damaligen Durnwalder Kabinettchef Karl Rainer und Autobahn-Präsident Ferdinand Willeit, der Staat ernennt die später Vizeregierungskommissärin Francesca De Carlini und Guido Denicolò. Dazu kommt für die ladinischen Namen Hugo Valentin.
„Sie haben sich von Denicolò über den Tisch ziehen lassen“.Luis Durnwalder 2011 in den Dolomiten.
Als diese Kommission im April 2011 ihre Arbeit fertig stellt, explodiert Luis Durnwalder. Weil die Expertenkommission zum Schluss kommt, dass rund 80 Prozent der beanstandeten Namen zweisprachig bleiben müssen, lehnen der Landeshauptmann und die SVP den Bericht und die beigelegte Liste kurzerhand ab. Der Streit geht danach noch jahrelang (bis heute) weiter.
Luis Durnwalder putzte damals die beiden Vertreter des Landes in der Kommission Karl Rainer und Ferdinand Willeit öffentlich zusammen. „Sie haben sich von Denicolò über den Tisch ziehen lassen“, erklärte Durnwalder damals in den Dolomiten.
Dieser Mann soll jetzt in die Sechserkommission kommen und dort jenen Platz einnehmen soll, den sich Athesia-Direktor Michl Ebner erst vor wenigen Monaten über die Lega gesichert hatte? Das geht auf keinen Fall.
Vor diesem Hintergrund passt es perfekt ins Bild, dass das Tagblatt der Südtiroler am Donnerstag ausgerechnet den Altlandeshauptmann gegen die Ernennung von Denicolò aufbietet.
Feind bleibt Feind. Daran hat sich unterm Edelweiß auch im Jahr 2019 nichts geändert.
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Die Neue Linke
Die Neue Linke
Ich bin die Neue Linke
Und bin aus Südtirol
Verzeiht mir, dass ich stinke
Mag kein Nitro - Toluol.
Es sollt' mich nicht mehr geben
Ja schon seit manchem Jahr
Dabei tu gut ich leben
Es ist schon fast bizarr.
Was hilft denn nun das Beten
Zwischen Kriechen und Geschnarr?
Wer auf die Eier wird getreten
Tanzt meistens selber sehr bizarr.
(Zitat aus: "Wer die Qual hat, hat die Wahl", Wahlkabarett der Kleinen Experimentierbühne, Bozen 1966)
ich finde es bedenklich, dass
ich finde es bedenklich, dass Sie Ebner und die SVP mit "die Südtiroler" gleichsetzen. Denicolò ist auch Südtiroler.
Abgesehen davon ist er halt ein unbequemer, auch weil fachlich sehr kompetenter Mensch. Dass man der römischen Regierung das Vertrauen nicht ausgesprochen hat, wird bei den jetzt anlaufenden Interventionen gegen Denicolò sicher nicht hilfreich sein. Jetzt können die Verweigerer Jung-Durni, Du-Philipp, Kopfschüttel-Parteisekretär und compagnia bella diesem Fehler bis zum nächsten Regierungswechsel bei jeder sich bietenden Gelegenheit nachlaufen..
Karma is a bitch
... demzufolge wäre ich also
... demzufolge wäre ich also kein Südtiroler, worüber man bei einer solchen Gemengelage ja beinahe schon wieder froh sein könnte.
Man möchte dem lieben Guido fast wünschen, dass er sich nicht in diesem Morast das Schuhwerk dreckig machen muss.
Was das obligatorisch anzukreuzende Kästchen anbelangt:
Ich bin gezwungenermaßen die Netiquette in Person!
Antwort auf ... demzufolge wäre ich also von Dominikus Ande…
Staatsadvokat in der
Staatsadvokat in der Sechserkommission. Oder doch lieber ME? Der eine wird halt die Interessen des Staates vertreten müssen, der andrere seine eigenen. Keine Ahnung, was fürs Landl besser (=weniger schlecht) ist.