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Initiativgruppe Doppelpass

Was im Brief an die österreichische Regierung genau steht, wer die 51 Unterzeichner sind, an wen der Brief geht und was hinter dem neuen Kürzel INOES steht.
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Foto: Salto.bz
Das Schreiben ging vor über zwei Wochen von Bozen in Richtung Wien.
Eigentlich sind es zwei Schreiben. Ein Begleitbrief und die eigentliche Depesche.
Auffallend dabei: Die Aktion läuft unter dem Namen einer neu gegründeten Initiativgruppe. „INOES – Initiative Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler“ steht oben links auf dem dreiseitigen Begleitschreiben zu lesen. Es ist ein Logo garniert mit der österreichischen Fahne.
 

Das Begleitschreiben

 
In dem mit 11. Oktober datierten Begleitschreiben heißt es:
 
„Verehrte Bundesminister!
 
Zur Umsetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler wurde die parteiübergreifende Initiativgruppe „Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler“ ins Leben gerufen. Ihr gehören Vertreter aller deutsch- und ladinischsprachigen Parteien im Südtiroler Landtag an, ebenso Vertreter aus
Wirtschaft, Gewerkschaft, Sport, Kirche, Kultur und Bildungswesen.
Beigefügtes Schreiben, mit dem wir - als Vertreter der Südtiroler Bevölkerung - uns für die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für Südtiroler aussprechen und Sie, verehrte Bundesminister, um einen Termin zur Besprechung der Umsetzung dieses für Südtirol so wichtigen Anliegens ersuchen, wurde von der Mehrheit der Abgeordneten des Südtiroler Landtages sowie von weiteren honorigen Südtiroler Persönlichkeiten unterzeichnet.
 
Mit vorzüglicher Hochachtung“.
 

Die Unterzeichner

 
Der neuen Initiative „INOES“ gehören derzeit 51 Personen an, Sie sind dann auch als Unterzeichner des Begleitschreibens und der eigentlichen Petition angeführt. 
 
 
Es sind in der Reihenfolge wie sie im Brief aufscheinen: Landtagspräsident Sepp Noggler, Landesrat und SVP-Obmann Philipp Achammer, Landesrätin Maria Hochguber-Kuenzer, Landesart Thomas Widmann und der SVP-Fraktionssprecher im Landtag Gerd Lanz, im Schreiben nach österreichischer Diktion als „Klubobmann" bezeichnet. Es folgen die SVP-Landtagsabgeordneten Helmuth Renzler, Franz Locher, Helmut Tauber, Jasmin Ladurner, Magdalena Amhof und Manfred Vallazza.
Es folgen die Landtagsabgeordneten Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle (Südtiroler Freiheit), die Team-K-Abgeordneten Alex Ploner, Franz Ploner, Josef Unterholzner, Maria Elisabeth Rieder und Peter Faistnauer sowie Andreas Leiter Reber und Ulli Mair (Freiheitliche).
Prominent vertreten sind auch die Altpolitiker: Bruno Hosp, Franz Pahl (beide SVP) Eva Klotz und Bernhard Zimmerhofer (Südtiroler Freiheit), die ehemaligen SVP-Senatoren Karl Ferrari und Alois Kofler und die Ex-SVP-Landtagsabgeordneten Georg Pardeller und Hanspeter Munter.
 
 
Es folgen der SVP-Bezirksobmann Bozen Stadt und Land Christoph Perathoner, ASGB-Chef Toni Tschenett, Alexander Wurzer, Vorsitzender der ASGB-Jugend, der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes Jürgen Wirth Anderlan, die ehemaligen SSB-Landekommandanten Elmar Thaler und Paul Bacher sowie der Bundesgeschäftsführer des Südtiroler Schützenbundes Egon Zemmer.
Mit dabei sind auch der Obmann des Südtiroler Heimatbundes Roland Lang, Michael Epp von der Plattform Heimat in der SVP, der Landesobmann der Südtiroler Bauernjugend Wilhelm Haller, der ehemalige AVS-Vorsitzende Luis Vonmetz und Franzjosef Roner, Vorstandsmitglied des Herz-Jesu-Notfonds.
 
 
Weitere Unterzeichner: Der langjährige Abteilungsleiter in der Südtiroler Landesregierung Othmar Partelli, die Historikerin Margareth Lun, Cristian Kollmann (Südtiroler Freiheit), die Bozner Lehrerin Dietlind Rottensteiner und der pensionierte Oberschuldirektor Herbert Raffeiner.
Als Vertreter der Wirtschaft folgen der „Inhaber des größten Personentransportunternehmens in Südtirol“, Ingemar Gatterer, Toni Corradina, Inhaber der Firma „Euro Alpe“, der „Verleger eines internationalen Kunstmagazins“, Hugo V. Astner und Manuela Atz vom HGV Kaltern.
Ganz am Ende dann zwei kirchliche Würdenträger: der Superior des Deutschordenskonvents Lana, Pater Christoph Waldner und der Guardian des Bozner Franziskanerklosters Pater Reinald Romaner.
 

„Vertreter der Bevölkerung“

 
Das eigentliche Schreiben ist an „Seine Exzellenz, den Bundesminister für Inneres Dr. Wolfgang Peschorn und an „Seine Exzellenz, den Bundesminister für Äußeres Mag. Alexander Schallenberg“  gerichtet.
Unter dem Betreff „Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler“ heißt es:
 
In seiner Sitzung vom 19. September 2019 hat sich der österreichische Nationalrat mehrheitlich für die Vergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Südtiroler ausgesprochen und mittels Entschließungsantrag die Bundesminister für Inneres und Äußeres beauftragt, mit ihren italienischen Kollegen sowie mit Vertretern der Bevölkerung in Südtirol in bilaterale Gespräche zum Thema „Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler“ zu treten, um im Anschluss daran dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag für eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler vorzulegen.
Im Herbst 2017 hat die Mehrheit der Abgeordneten des Südtiroler Landtages die neue österreichische Bundesregierung ersucht, den Südtirolern den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu gewähren. Dies wurde den Südtirolern daraufhin zugesichert. Das Innen- und Außenministerium lud die Klubobleute des Südtiroler Landtages zu einer Anhörung nach Wien, und eine Expertengruppe wurde von den Ministerien damit beauftragt, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Dieser Gesetzesvorschlag wurde in den darauffolgenden Monaten fertig ausgearbeitet, konnte auf Grund der vorzeitigen Beendigung der Koalition jedoch im Nationalrat nicht mehr zur Abstimmung gebracht werden.
 
 
Die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft stößt in Südtirol auf breite Zustimmung und wird von Vertretern der Politik, der Kultur und der Gewerkschaft gleichermaßen unterstützt. Im Rahmen des Autonomiekonvents - bei dem die Bevölkerung Südtirols vom Landtag eingeladen wurde, sich über die zukünftige Ausrichtung des Minderheitenschutzes in Südtirol zu äußern —wurde von der Zivilbevölkerung ebenfalls der große Wunsch nach einer Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Südtiroler deponiert.
Die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler wäre eine europäische Geste Österreichs, welche als Ausdruck der grenzüberschreitenden Verbindung rnit den Südtirolern (als österreichische Minderheit) zur Vertiefung der österreichisch-italienischen Freundschaft beitragen würde. Es ist daher begrüßenswert, dass sich der Nationalrat dafür ausgesprochen hat, Italien über alle weiteren Schritte zur
Umsetzung der doppelten Staatsbürgerschaft in Kenntnis zu setzen. Damit Polemiken und Missverständnisse vermieden werden können, erscheint es jedoch sinnvoll, zuerst mit Südtirol den Text des Gesetzesvorschlages einvernehmlich abzuklären, sodass Italien in der Folge über die konkret geplanten Maßnahmen informiert werden kann.
 
Damit Polemiken und Missverständnisse vermieden werden können, erscheint es jedoch sinnvoll, zuerst mit Südtirol den Text des Gesetzesvorschlages einvernehmlich abzuklären, sodass Italien in der Folge über die konkret geplanten Maßnahmen informiert werden kann.
 
Als Vertreter der Südtiroler Bevölkerung ersuchen wir Sie verehrte Bundesminister, daher um ein Treffen, um den bereits fertigen Gesetzesvorschlag zur doppelten Staatsbürgerschaft für die Südtiroler zu erörtern und das weitere Vorgehen bei der Umsetzung der Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft für die Südtiroler zu besprechen."
 
Datiert ist das Schreiben mit 7. Oktober 2019. Also acht Tage nach den österreichischen Nationalratswahlen.
Hier scheint es jemand sehr eilig zu haben.
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Quo Vadis Südtirol Di., 29.10.2019 - 18:49

Gut wenn es sich nicht nur um eine parteipolitische Angelegenheit handelt sondern aus den verschiedenen Interessengruppen der Gesellschaft getragen wird. Schade, dass die Grünen da nicht dabei sind. Außerhalb Südtirols stehe ich ihnen oft sehr nahe, aber hier bei uns verstehe ich einfach nicht ihre Politik der Abschottung und gegen die Pluralität.

Di., 29.10.2019 - 18:49 Permalink
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Felix von Wohlgemuth Di., 29.10.2019 - 18:56

Sehr interessant wer da alles unterschrieben hat - und wer nicht!

SVP und das Team K scheinen zu diesem Thema keine einheitliche Linie zu haben und unterstützen teilweise (bzw. das Team K komplett, nur eben ohne K) dieses eigenartige Manöver der Lederhosenfraktion.

Wenn diese Damen und Herren schon so gerne einen Doppelpass hätten, dann sollten sie auch belastbare Kriterien dafür präsentieren können!

Aber - ja, das unterstelle ich jetzt mal - das können sie eben nicht und scheinen selbst nicht den geringsten Plan zu haben, wie ein solches Vorhaben umsetzbar sein sollte. Aber wehe, wer bei drei nicht auf den „patriotischen“ Zug aufgesprungen ist – also schnell unterschreiben, ohne Hirn und ohne Verstand.

Ich vermute – und unterstelle ebenso – dass die unterzeichnenden Landtagsabgeordneten nicht einmal wissen, wer oder was hinter dieser „INOES – Initiative Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler“ überhaupt steht.

Ich lasse mich natürlich gerne eines Besseren belehren, aber die Ploners, Ladurnerns & Co werden brav schweigen….und der K sowieso (sind ja bald Gemeinderatswahlen in Bozen ;) )

Di., 29.10.2019 - 18:56 Permalink
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Sylvia Rier Di., 29.10.2019 - 19:42

da fällt mir grad ein: was würde denn aus der "österreichischen Minderheit", wenn - sagen wir Mal - ein Viertel davon (wie war das nochmal mit der Umfrage, neulich? 130.000 Doppelpasswünscher?) "richtige" Österreicher mit österreichischem Pass wären? Würde das die Minderheit/ihren Status im Staat nicht schwächen?

Di., 29.10.2019 - 19:42 Permalink
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Quo Vadis Südtirol Di., 29.10.2019 - 19:55

Antwort auf von Sylvia Rier

Nein. Ich würde sagen wenn dann eher stärken. Sicher nicht schwächen. Viel problematischer sehe ich es aber eher wenn sich die Minderheit immer mehr mit der Mehrheit identifiziert. Denn dann schon würde der berechtigte Zweifel nach Recht auf Autonomie bestehen. Beispiele davon gibt es ja genug in Europa. Aber es gibt ja auch Beispiele genug wo Doppelstaatsbürger so normal sind dass kein Hahn danach kräht. Siehe zB Irland/Nordirland... Nur bei uns ist es so kompliziert ....

Di., 29.10.2019 - 19:55 Permalink
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Martin Federspieler Di., 29.10.2019 - 20:54

Ich hätte gerne zu meinem Pass "Unione Europea - Repubblica Italiana" auch den der Marke "Europäische Union - Republik Österreich". Wenn denn die italienische Regierung die Größe hätte, dieses nationalistisch/anachronistische Neidgehabe beiseite zu legen. (EU-Reife sieht anders aus).
Dann könnte ich mich tatsächlich als EU-Bürger bezeichnen und fühlen.

Di., 29.10.2019 - 20:54 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Di., 29.10.2019 - 21:12

Ich habe mich nie besonders für den österreichischen Pass interessiert, weil er mir - so war meine bisherige Info - keinen Vorteil bringt. Und ich identifiziere mich auch nicht als Österreichen - dann schon eher als Bayer!
Bei den Stellungnahmen, die ich heute im Radio gehört habe, war der Tenor: Es müsse alles noch mit Wien und Rom abgestimmt werden. Niemand denkt daran, die Südtiroler Italiener und Zwei-Muttersprachler mit einzubeziehen. Ob man da nicht die Rechnung mit den Falschen macht? Rom reagiert doch am Meisten auf die hysterischen Reaktionen der politischen Vertreter der erwähnten Gruppen.
Wenn es nicht anders geht, sollte man schnell machen, um nicht eine dauernde gereizte und aggressive Stimmung im Land zu haben!
Übrigens: Die beiden Geistlichen Herren sind/waren Seelsorger der Schützen: Pater Christoph Waldner ist der aktuelle Kurat des Schützenbundes und Pater Reinald Romaner wird bei seiner Auszeichnung mit der Verdienstmedaille bzw. mit dem Verdienstkreuz des Landes Tirol wie folgt vorgestellt "Neben seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Südtiroler Schützenbund ist Pater Reinald Romaner sowohl als Mitglied (bei der SK Bozen seit 1981) als auch als Seelsorger in mehreren ehrenamtlichen Vereinen und Verbänden tätig. Als Mitglied im Südtiroler Heimatbund, (...) der Kaiserjäger Südtiroler Unterland. (...).

Di., 29.10.2019 - 21:12 Permalink
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19 amet Di., 29.10.2019 - 22:09

Soeben habe ich in einem Buch die Passvorschriften für Österreicher gültig im Jahre 1912, also vor dem von Nationalisten befeuerten ersten Weltkrieg gelesen. Damals konnte man folgende Länder OHNE PASS bereisen : Deutschland,Schweiz, Frankreich, England, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden, Spanien, Portugal, Vereinigte Staaten von Amerika.
Nach dem Weltkrieg kamen die Nationalisten, Fanatiker, Faschisten u.s.w an das Ruder und aus war es mit der Reisefreiheit. Denn ohne Kontrolle des Volkes kann man keine totalitäre Idee durchsetzen. Es hat dann fast 100 Jahre gedauert bis sich die Freiheit des Reisens durch die europäische Einigung wieder durchsetzte. Und wer einmal nach Amerika gereist ist, kann sich nicht vorstellen dass es vor 100 Jahren, die heutige irrsinnige US Bürokratie nicht gebraucht hat. Und trotzdem gibt es heute wieder Menschen die dem Fetisch Pass huldigen. Viele nur aus wahltaktischen Gründen, aber manche wirklich. Den öster.Pass dem Carabiniere unter die Nase halten und frech dreinschauen, geht leider nicht mehr, man riskiert ja das Auto. Sie möchten sich aber vom gemeinen, schon verwalschten, Volk abheben, als Urtiroler, die ein Anrecht auf das Büchl mit dem böse dreinblickenden Adler haben. Und die Nachkommen der walschen Kaiserjäger, die Trentiner Schützen, wo bleiben dann die ? Für die gibt es einen Stempel auf der ersten Seite "Tiroles de Trent".Wär doch gelacht, ospele.

Di., 29.10.2019 - 22:09 Permalink
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19 amet Di., 29.10.2019 - 22:12

Kunze. Sicher können Sie uns erleuchten wo dieses Recht der Südtirler verbrieft ist. Dann könnten sie sich in Wien das ganze Theater ersparen.

Di., 29.10.2019 - 22:12 Permalink
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Karl Gudauner Di., 29.10.2019 - 23:54

Die Vorgangsweise ist längst bekannt, wie, wenn überhaupt, eine brauchbare Lösung für diese Frage angebahnt werden kann. Jetzt wieder einen Brief zu schicken, zeigt, dass diese Information selbst auf Landtagsebene noch nicht angekommen ist. Die Aktion ist also kontraproduktiv, auch aufgrund des Wortlautes, nachdem im Brief nur von einer Information der italienischen Regierung über die Maßnahmen der österreichischen Regierung die Rede ist anstatt von mit Rom abgestimmten Schritten. Durch dieses Detail kommt auch zum Ausdruck, dass hier Schützenbund und Co. ihre politische Linie durchgezogen und andere bereitwillig und blauäugig mitgemacht haben. Nach dem "Alto Adige-Versehen" also gleich der nächste politische Ausrutscher.

Di., 29.10.2019 - 23:54 Permalink
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Manfred Klotz Mi., 30.10.2019 - 07:36

Antwort auf von Karl Gudauner

Quoto und füge hinzu, es wird explizit nur von "deutsch- und ladinischsprachigen..." geschrieben. Also die dritte Sprachgruppe im Land schließen die Urheber schon mal von vorne herein aus. Ein weiterer Schuss ins Knie. So weit war nicht einmal Werner Neubauer von der FPÖ gegangen. Dabei bräuchte es Konsens und nicht Konfrontation.

Mi., 30.10.2019 - 07:36 Permalink
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Karl Egger Mi., 30.10.2019 - 12:02

Antwort auf von G. P.

Finde ich ebenfalls... Meine Hoffnung auf einen Konsens bzgl. Toponomastik und ähnlicher Fragen (wie dieser bzgl. dem Doppelpass) habe ich bereits aufgegeben, als die Umbenennung des sog. „Siegesplatz“ in Friedensplatz abgelehnt wurde... Ich glaube, dass solange Italien seine Geschichte nicht aufarbeitet, wird es auch keinen Konsens bei og. Themen geben.
Es gibt auch Italiener, die es überhaupt für eine Provokation halten, dass hier deutsch gesprochen wird... Was sollen wir also machen? Ich denke, man könnte den Italienern den Doppelpass schon zumuten, auch wenn einige ihn (bewusst?) als Revanchismus missverstehen - ihre geliebte Unità wird deswegen schon nicht zerbrechen...

Mi., 30.10.2019 - 12:02 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Mi., 30.10.2019 - 15:05

Antwort auf von Karl Egger

Doch es kann einen Konsens geben - ohne dass jemand das Gesicht verliert: Mit einem Landesgesetz werden die deutschen Orts- und Flurnamen anerkannt und festgeschrieben und die italienischen so belassen. Die italienische Sprachgruppe kann dann selbst entscheiden, welche Namen sie verwendet. Wichtig ist, wir haben unsere deutschen - andere Minderheiten wären froh, wenn ihre eigenen Bezeichnungen offiziell verwendet werden dürften!
Alles andere ist Hetze und hat mehr rechtes Gedankengut in sich als die aktuellen Namen, wie sie die Italiener von Geburt auf kennen. Für die aller größte Mehrheit sind diese Bezeichnungen an sich neutral von jeder Ideologie.

Mi., 30.10.2019 - 15:05 Permalink
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Profil für Benutzer Manfred Klotz
Manfred Klotz Mi., 30.10.2019 - 15:05

Antwort auf von G. P.

Wenn Sie in Bereichen, die Sie nicht selbst kontrollieren können etwas erreichen wollen, brauchen Sie Vereinbarungen, nicht einen Sturschädel.
Man nennt das auch Diplomatie, von der die 51 Unterzeichnenden offenbar keine Ahnung haben.
Es hat den Anschein, als ob es manchen gar nicht darum ginge, den Doppelpass zu erhalten, sondern ihn "gegen die anderen" zu erhalten.

Mi., 30.10.2019 - 15:05 Permalink
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Profil für Benutzer Max Benedikter
Max Benedikter Mi., 30.10.2019 - 09:15

Team K.
Sehr interessante Strategie für eine Partei, die eigentlich auch für italienische-sprachige Südtiroler wählbar sein sollte.

Mi., 30.10.2019 - 09:15 Permalink
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Profil für Benutzer alfred frei
alfred frei Mi., 30.10.2019 - 11:12

Die selbsternannte Patriotenfraktion für die “Vertiefung der österreichischen-italienischen Freundschaft” ; hier eine kleine Auswahl der Vorkämpfer:
- das Gladiatorentrio Philipp Achammer – Sven Knoll - Jürgen Wirth Anderlan
mit den Gladiatorenäzten Thomas Widmann und Christoph Perathoner (*siehe
Gladiatoren-Ärzte - die „Müller-Wohlfahrts“ der römischen Antike)
> für die Finanzierung zuständig Franzjosef Roner vom Herz-Jesu-Notfond und
für die Wienreisen Ingemar Gatterer
> die Jeanne D’Arc Gruppe> Eva Klotz–Ulli Mair–Maria Hochgruber- Kuenzer
> für den sozialen Anstrich sorgen Toni Tschenett mit Helmuth Renzler
> die Vorbeter Pater Reinald Romaner und Pater Christoph Waldner
> den Ordnungsdienst verrichten Alex und Franz Ploner
> last but not least das letzte Aufgebot eng umschlungen Bruno Hosp, Franz
Pahl, Alois Kofler, Georg Pardeller und Karl Ferrari.
Auf Geht’s Südtirol !

Mi., 30.10.2019 - 11:12 Permalink
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Profil für Benutzer 19 amet
19 amet Mi., 30.10.2019 - 11:28

Wir warten immer noch, Kunze, auf die Erläuterung ihrer grosspurigen Erklärung ,dass die Südtiroler ein Recht auf einen Doppelpass hätten? Haben sie das selbst erfunden ?

Mi., 30.10.2019 - 11:28 Permalink
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Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Do., 31.10.2019 - 07:20

In Wien lacht man, wenn ein solcher Brief NICHT von der Landesregierung kommt, und OHNE Unterschrift des Landeshauptmannes ist. Und in ROM freut man sich... zeigt sich doch, was für ein in sich strittiges Volk der Tiroler ist.

Do., 31.10.2019 - 07:20 Permalink
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Profil für Benutzer Hannes Benedetto Pircher
Hannes Benedet… Fr., 01.11.2019 - 21:30

Wider den Ungeist europäischer Desintegration

Instruktive Anmerkungen wider die Denkerei von »INOES – Initiative Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler«

(1)
Die mit unerträglicher Insistenz vorgetragene Behauptung, daß in der Südtiroler Bevölkerung »der große Wunsch nach einer Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft« bestehe, ist eine als seriöser soziologischer Befund getarnte dummdreiste Lüge. Die Petition einiger Südtiroler Volksvertreter, die den Koalitionsverhandlern in Wien anno 2017 überhändigt wurde, sprach sogar vom »sehnlichen Wunsch vieler Südtiroler, die österreichische Staatsbürgerschaft als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem historischen Vaterland Österreich wiederzuerlangen«. Ein solcher »sehnlicher Wunsch« ist in keiner Hinsicht von der Lebenswirklichkeit und dem lebensweltlichen Erfahrungshorizont der heute in Südtirol und im ehemaligen Welschtirol lebenden Menschen gedeckt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß ein (alt)österreichisches Bewußtsein, welches als ein Indikator für eine identitätsstiftende Verbundenheit (mit der Habsburgermonarchie?) gelten könnte, bei den allermeisten Südtirolerinnen und Südtirolern schlechterdings nicht ausmachbar ist, stellt der behauptete »sehnliche Wunsch« die papierene Projektion bzw. das Postulat einer als Patriotismus getarnten Denkungsart dar, die nationalistischen Wertewelten »freiheitlicher« Gesinnungsstuben entstammt und vornehmlich an den Stammtischen der entsprechenden Honoratiorengesellschaften ausgebildet wird. Für die allermeisten Menschen, die heute in Südtirol leben, ist die Frage, ob der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für sie von (selbstbildformender) Bedeutung sei, ebenso unzugänglich und opak wie die Frage, welche orientierende Rolle die Seligsprechung von Kaiser Karl I. in ihrem Leben spiele. Was INOES als Anliegen in vorgeblicher Vertreterschaft der Südtiroler Bevölkerung formuliert, ist den allermeisten, weidlich saturierten Südtirolern und Südtirolerinnen nicht einmal »Blunzen« (Vorsicht: Austriazismus!).

(2)
Apropos Welschtirol ‒ die Anschauung liebt bekanntlich das erschleckliche Fallbeispiel: Wenn die Damen und Herren der INOES willens und fähig wären, im Rahmen einer soliden Feldforschung südlich des Brenners nach den kärglichen Spuren (alt)österreichischen Bewußtseins zu suchen und, falls überhaupt ausmachbar, diese Spuren soziologisch aussagekräftig zu beschreiben, dann würde ich nämlichen Damen und Herren raten, Zeit zu sparen, also Meran und Bozen gleich ganz links liegen zu lassen (Franz Joseph I. und Franz Josef Strauß bleiben hier immer noch ununterscheidbar wie die Hegelschen Kühe in der Nacht) und schnurstracks in die entlegendsten Täler und Winkel des ehemaligen Welschtirol (Trentino) zu reisen: Hier finden die geschichtsbewußten Geschichtsvergessenen dann und wann zumindest noch ein Wirtshaus, in dem an angemessenem Platze ein schönes Portraitbild von Cecco Beppe (Kaiser Franz Joseph I.) hängt. Allenfalls können sich die Herren der INOES in Moerna (Valvestino, Provinz Brescia) mit österreichisch-ungarischer Soldatensuppe laben und in den Genuß eindrucksvoll inszenierter »scaramucce tra soldati francesi e austriaci« kommen. Günstigstenfalls aber geraten die Damen und Herren der INOES in die gesellige Runde liebenswürdiger alter Herren, die das Lob der guten alten Zeit singen, in der die Dinge noch so geordnet waren, daß Gott, der Herr, Cecco Beppe erhalten hat ‒ zum Wohle seiner Untertanen. Nocheinmal: Die allermeisten Menschen, die heute in Südtirol leben, verfügen weder über ein altösterreichisches noch über ein österreichisches Bewußtsein, welches von einer nennenswerten identitätsstiftenden, selbstbildformenden und handlungsleitenden Bedeutung für ihr Leben und Wirken wäre. Sooft ich meine Heimat Südtirol besuche, muß ich das schlicht feststellen (durchaus auch mit Schrecken über die generelle historische Unbildung meiner Landsleute, allein in familiengeschichtlicher Hinsicht). Die meisten Südtiroler und Südtirolerinnen, die ich in der Fußgängerzone befragt habe, verbinden mit dem Stichwort »Österreich« allenfalls ein Urlaubsziel, höchstenfalls den Wolferl Mozart, der aber ‒ Potzteufel auch! ‒ bekanntlich weder Österreicher noch Freistaatsbayer war, sondern als Untertan des Fürsterzbischofs von Salzburg zur Welt kam.

(3)
Aus welchem Stoff die Träume der Kurz-Strache-Regierung waren, einerseits, und aus welchem Stoff die Träume der INOES sind, andererseits, würde spätestens dann offenbar, wenn ehrwürdigen Angehörigen einer Alttyroler Volksgruppe italienischer Muttersprache nicht die Möglichkeit eingeräumt würde, zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Gleichwohl: Es steht zu befürchten, daß das Lob auf Cecco Beppe als Nachweis der Dignität des Antragstellers behufs Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft wohl kaum ausreichen dürfte ‒ vielleicht zwar gar ein notwendiger, gleichwohl nicht hinreichender Grund? Womit sich die Katze einmal mehr in den Schwanz beißt. Die insistent vorgetragene Behauptung, daß es sich bei der Südtiroler Bevölkerung um eine »österreichische Minderheit im italienischen Staat« handle, spottet jeder differenzierten historischen Reflexion und geht an der Lebenswirklichkeit der heutigen Südtiroler Bevölkerung völlig (und bewußt!) vorbei. Wenn überhaupt, dann kann und darf ‒ unter rein historischem Gesichtspunkt! ‒ von einer »altösterreichischen Minderheit« die Rede sein.

Ich schlage vor: Die 51 Damen und Herren der INOES sollen nach Österreich auswandern. Freilich stellte sich dann die sauschwierige Frage: In welches Österreich will ich denn auswandern? In das der Doppelmonarchie? In das der Ersten Republik? In das des »Ständestaates«? In das des »Dritten Reiches«? In das der Zweiten Republik? Oder will ich gar nach Europa auswandern, indem ich ins heutige Österreich auswandere? Und genau an dieser letzten Frage ist überprüfbar, was INOES wirklich meint, wenn sie in der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler deutscher und ladinischer Zunge »eine europäische Geste Österreichs« erkennen will. Der Europabegriff der INOES entlarvt sich schnell als jene unheilvolle Vision von Europa, die in den neuen Nationalismen und rechtspopulistischen Tribalismen tagtäglich gefeiert wird: ein Europa ohne Europäer! Ist das die Vision der INOES von einem zukunftsfähigen, starken Europa? Das heutige Österreich tut sich – nach dem Trauma von 1918/19 ‒ immer noch sehr schwer, seine nationale Identität zu formulieren. Die Phantomschmerzen des schwer traumatisierten Rumpfstaates Österreich spiegeln sich bis zum heutigen Tag etwa in den Wahlkampfparolen der FPÖ wider. Die Gretchenfrage ist und bleibt: Welches Verständnis von gesellschaftlicher Identität und historischer Kontinuität steht hinter dem Europabegriff von INOES?

Der tiefe Fall der Kurz-Strache-Regierung hat die Damen und Herren der INOES ganz offensichtlich nervös gemacht. Warum bloß? Des Pudels Kern erkennt, wer sich folgende Fragen stellt: Wer stellt wem wozu etwas in Aussicht? Wer spricht bei wem wozu als Bittsteller oder Werber vor? Wer will mich wozu umarmen oder umgarnen? Das sind die entscheidenden Fragen, um in dieser Frage die Geister zu unterscheiden. Der Geist, aus dem heraus die Kurz-Strache-Regierung Südtirolern den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt hat, verhöhnt mein humanistisches Selbstverständnis, depraviert den Geist europäischer Integration und verunglimpft auf dummdreiste Weise die Anstrengungen all jener, die an einem zukunftsfähigen Europa bauen und alle Kräfte daransetzen, um die unheilvollen Fesseln des (Ethno-)Nationalismus zu zerschlagen.

(4)
Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, ob EU-Bürgern (z. B. italienischen Staatsbürgern), die seit vielen Jahrzehnten in Österreich leben und arbeiten, eine angemessene Form politischer Partizipation eingeräumt wird (Wahlrecht auf nationaler Ebene). Darüber nachzudenken stünde jeder österreichischen Regierung gut zu Gesichte. Oder nicht? Wenn nicht, warum? ‒ Auf daß vom Geist europäischer Integration zumindest 35 Prozent Alkoholgehalt aus der schönen Wachau überbleibe! Wehret den Anfängen des Ungeistes!

Hannes Benedetto Pircher
(Südtiroler des Jahrgangs 1971; italienischer Staatsbürger; lebt und arbeitet seit 27 Jahren in Österreich, seit 23 Jahren in Wien)

Fr., 01.11.2019 - 21:30 Permalink
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Sepp.Bacher Sa., 02.11.2019 - 09:07

Antwort auf von Hannes Benedet…

Wenn es zu einer gesamttiroler Vereinigung kommen sollte und die Bürger des Bundeslandes Tirols abstimmen müssten, ob sie "Uns" (Deutsch- und Welchtiroler an der Etsch) auch wieder nehmen würden, könnte es uns so ergehen, wie den Vorarlbergern, die nach dem Untergang des Habsburgerreiches den Anschluss an die Schweiz beantragten und von den alemannischen Brüdern per Volksentscheid nicht genommen wurden.

Sa., 02.11.2019 - 09:07 Permalink
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Peter Gasser Sa., 02.11.2019 - 09:26

Antwort auf von Sepp.Bacher

... und unsere Autonomie wäre obsolet, und etwa 50% der Selbstverwaltungs-Kompetenzen und Landesfinanzen würden nach Wien abwandern.
Und der heutigen Logik entsprechend wären es dann die Mitbürger italienischer Muttersprache, welche Minderheitenschutz genießen würden mit all den sichtbaren Vorteilen.

Sa., 02.11.2019 - 09:26 Permalink
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Profil für Benutzer Hannes Benedetto Pircher
Hannes Benedet… Fr., 01.11.2019 - 21:32

Wider den Ungeist europäischer Desintegration

Instruktive Anmerkungen wider die Denkerei von »INOES – Initiative Österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler«

(1)
Die mit unerträglicher Insistenz vorgetragene Behauptung, daß in der Südtiroler Bevölkerung »der große Wunsch nach einer Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft« bestehe, ist eine als seriöser soziologischer Befund getarnte dummdreiste Lüge. Die Petition einiger Südtiroler Volksvertreter, die den Koalitionsverhandlern in Wien anno 2017 überhändigt wurde, sprach sogar vom »sehnlichen Wunsch vieler Südtiroler, die österreichische Staatsbürgerschaft als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem historischen Vaterland Österreich wiederzuerlangen«. Ein solcher »sehnlicher Wunsch« ist in keiner Hinsicht von der Lebenswirklichkeit und dem lebensweltlichen Erfahrungshorizont der heute in Südtirol und im ehemaligen Welschtirol lebenden Menschen gedeckt. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß ein (alt)österreichisches Bewußtsein, welches als ein Indikator für eine identitätsstiftende Verbundenheit (mit der Habsburgermonarchie?) gelten könnte, bei den allermeisten Südtirolerinnen und Südtirolern schlechterdings nicht ausmachbar ist, stellt der behauptete »sehnliche Wunsch« die papierene Projektion bzw. das Postulat einer als Patriotismus getarnten Denkungsart dar, die nationalistischen Wertewelten »freiheitlicher« Gesinnungsstuben entstammt und vornehmlich an den Stammtischen der entsprechenden Honoratiorengesellschaften ausgebildet wird. Für die allermeisten Menschen, die heute in Südtirol leben, ist die Frage, ob der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für sie von (selbstbildformender) Bedeutung sei, ebenso unzugänglich und opak wie die Frage, welche orientierende Rolle die Seligsprechung von Kaiser Karl I. in ihrem Leben spiele. Was INOES als Anliegen in vorgeblicher Vertreterschaft der Südtiroler Bevölkerung formuliert, ist den allermeisten, weidlich saturierten Südtirolern und Südtirolerinnen nicht einmal »Blunzen« (Vorsicht: Austriazismus!).

(2)
Apropos Welschtirol ‒ die Anschauung liebt bekanntlich das erschleckliche Fallbeispiel: Wenn die Damen und Herren der INOES willens und fähig wären, im Rahmen einer soliden Feldforschung südlich des Brenners nach den kärglichen Spuren (alt)österreichischen Bewußtseins zu suchen und, falls überhaupt ausmachbar, diese Spuren soziologisch aussagekräftig zu beschreiben, dann würde ich nämlichen Damen und Herren raten, Zeit zu sparen, also Meran und Bozen gleich ganz links liegen zu lassen (Franz Joseph I. und Franz Josef Strauß bleiben hier immer noch ununterscheidbar wie die Hegelschen Kühe in der Nacht) und schnurstracks in die entlegendsten Täler und Winkel des ehemaligen Welschtirol (Trentino) zu reisen: Hier finden die geschichtsbewußten Geschichtsvergessenen dann und wann zumindest noch ein Wirtshaus, in dem an angemessenem Platze ein schönes Portraitbild von Cecco Beppe (Kaiser Franz Joseph I.) hängt. Allenfalls können sich die Herren der INOES in Moerna (Valvestino, Provinz Brescia) mit österreichisch-ungarischer Soldatensuppe laben und in den Genuß eindrucksvoll inszenierter »scaramucce tra soldati francesi e austriaci« kommen. Günstigstenfalls aber geraten die Damen und Herren der INOES in die gesellige Runde liebenswürdiger alter Herren, die das Lob der guten alten Zeit singen, in der die Dinge noch so geordnet waren, daß Gott, der Herr, Cecco Beppe erhalten hat ‒ zum Wohle seiner Untertanen. Nocheinmal: Die allermeisten Menschen, die heute in Südtirol leben, verfügen weder über ein altösterreichisches noch über ein österreichisches Bewußtsein, welches von einer nennenswerten identitätsstiftenden, selbstbildformenden und handlungsleitenden Bedeutung für ihr Leben und Wirken wäre. Sooft ich meine Heimat Südtirol besuche, muß ich das schlicht feststellen (durchaus auch mit Schrecken über die generelle historische Unbildung meiner Landsleute, allein in familiengeschichtlicher Hinsicht). Die meisten Südtiroler und Südtirolerinnen, die ich in der Fußgängerzone befragt habe, verbinden mit dem Stichwort »Österreich« allenfalls ein Urlaubsziel, höchstenfalls den Wolferl Mozart, der aber ‒ Potzteufel auch! ‒ bekanntlich weder Österreicher noch Freistaatsbayer war, sondern als Untertan des Fürsterzbischofs von Salzburg zur Welt kam.

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Aus welchem Stoff die Träume der Kurz-Strache-Regierung waren, einerseits, und aus welchem Stoff die Träume der INOES sind, andererseits, würde spätestens dann offenbar, wenn ehrwürdigen Angehörigen einer Alttyroler Volksgruppe italienischer Muttersprache nicht die Möglichkeit eingeräumt würde, zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Gleichwohl: Es steht zu befürchten, daß das Lob auf Cecco Beppe als Nachweis der Dignität des Antragstellers behufs Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft wohl kaum ausreichen dürfte ‒ vielleicht zwar gar ein notwendiger, gleichwohl nicht hinreichender Grund? Womit sich die Katze einmal mehr in den Schwanz beißt. Die insistent vorgetragene Behauptung, daß es sich bei der Südtiroler Bevölkerung um eine »österreichische Minderheit im italienischen Staat« handle, spottet jeder differenzierten historischen Reflexion und geht an der Lebenswirklichkeit der heutigen Südtiroler Bevölkerung völlig (und bewußt!) vorbei. Wenn überhaupt, dann kann und darf ‒ unter rein historischem Gesichtspunkt! ‒ von einer »altösterreichischen Minderheit« die Rede sein.

Ich schlage vor: Die 51 Damen und Herren der INOES sollen nach Österreich auswandern. Freilich stellte sich dann die sauschwierige Frage: In welches Österreich will ich denn auswandern? In das der Doppelmonarchie? In das der Ersten Republik? In das des »Ständestaates«? In das des »Dritten Reiches«? In das der Zweiten Republik? Oder will ich gar nach Europa auswandern, indem ich ins heutige Österreich auswandere? Und genau an dieser letzten Frage ist überprüfbar, was INOES wirklich meint, wenn sie in der doppelten Staatsbürgerschaft für Südtiroler deutscher und ladinischer Zunge »eine europäische Geste Österreichs« erkennen will. Der Europabegriff der INOES entlarvt sich schnell als jene unheilvolle Vision von Europa, die in den neuen Nationalismen und rechtspopulistischen Tribalismen tagtäglich gefeiert wird: ein Europa ohne Europäer! Ist das die Vision der INOES von einem zukunftsfähigen, starken Europa? Das heutige Österreich tut sich – nach dem Trauma von 1918/19 ‒ immer noch sehr schwer, seine nationale Identität zu formulieren. Die Phantomschmerzen des schwer traumatisierten Rumpfstaates Österreich spiegeln sich bis zum heutigen Tag etwa in den Wahlkampfparolen der FPÖ wider. Die Gretchenfrage ist und bleibt: Welches Verständnis von gesellschaftlicher Identität und historischer Kontinuität steht hinter dem Europabegriff von INOES?

Der tiefe Fall der Kurz-Strache-Regierung hat die Damen und Herren der INOES ganz offensichtlich nervös gemacht. Warum bloß? Des Pudels Kern erkennt, wer sich folgende Fragen stellt: Wer stellt wem wozu etwas in Aussicht? Wer spricht bei wem wozu als Bittsteller oder Werber vor? Wer will mich wozu umarmen oder umgarnen? Das sind die entscheidenden Fragen, um in dieser Frage die Geister zu unterscheiden. Der Geist, aus dem heraus die Kurz-Strache-Regierung Südtirolern den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt hat, verhöhnt mein humanistisches Selbstverständnis, depraviert den Geist europäischer Integration und verunglimpft auf dummdreiste Weise die Anstrengungen all jener, die an einem zukunftsfähigen Europa bauen und alle Kräfte daransetzen, um die unheilvollen Fesseln des (Ethno-)Nationalismus zu zerschlagen.

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Auf einem ganz anderen Blatt steht die Frage, ob EU-Bürgern (z. B. italienischen Staatsbürgern), die seit vielen Jahrzehnten in Österreich leben und arbeiten, eine angemessene Form politischer Partizipation eingeräumt wird (Wahlrecht auf nationaler Ebene). Darüber nachzudenken stünde jeder österreichischen Regierung gut zu Gesichte. Oder nicht? Wenn nicht, warum? ‒ Auf daß vom Geist europäischer Integration zumindest 35 Prozent Alkoholgehalt aus der schönen Wachau überbleibe! Wehret den Anfängen des Ungeistes!

Hannes Benedetto Pircher
(Südtiroler des Jahrgangs 1971; italienischer Staatsbürger; lebt und arbeitet seit 27 Jahren in Österreich, seit 23 Jahren in Wien)

Fr., 01.11.2019 - 21:32 Permalink