Politik | Porträt
Die Reizfigur
Foto: salto
„Nein, das macht mir nichts aus“, sagt Franz Pahl. Die Frage, ob er es nicht müde sei, angefeindet, manchmal sogar angespuckt und angepöbelt zu werden, irritiert ihn keineswegs. „Ich habe meine Haltung und dabei bleibe ich, ganz gleich wie sich der Wind dreht“, sagt er dann ruhig und überlegt.
Man sieht es ihm fast an. Widerspruch und Gegnerschaft spornen den ehemaligen Landtagsabgeordneten auch heute noch an. „Es ist mir angeboren, widerspenstig zu sein“, meint er irgendwann im Laufe des Gesprächs.
In einer Zeit, in der manche Politiker und Politikerinnen den Großteil ihres Engagements in den Versuch investieren, von allen geliebt zu werden, in der man politische Farben, Meinungen und Bündnisse wechselt wie die Hemden und in denen Konsequenz fast nur mehr im Fremdwörterbuch der Politik vorkommt, ist dieser Mann eine Art Dinosaurier.
Franz Pahl ist nicht nur eine aussterbende Spezies. Er ist vor allem ein lebender Reibbaum. Es gibt kaum einen anderen Politiker, der die Meinungen in Südtirol so entzweit wie Pahl. Über ihn zu schimpfen, zu lästern und zu spotten gehört seit Jahrzehnten zum bon ton in diesem Land. Dass dieser Politiker auch nur eine gute Seite haben könnte, übersteigt das Vorstellungsvermögen der meisten Zeitgenossen. Vor allem außerhalb der SVP und der patriotischen Szene.
Unzweifelhaft hat Franz Pahl in den vergangenen fünf Jahrzehnten das Seinige dazu getan, dass sich dieses Bild im Südtiroler Bewusstsein verfestigt hat. Es ist nicht leicht, Sympathien für diesen störrischen Stahlhelm zu entwickeln, der an der Volkstumsfront steht wie das letzte Aufgebot. Manche seiner Ansichten kann man auch durchaus als grenzwertig bezeichnen.
Er ist vor allem ein lebender Reibbaum. Es gibt kaum einen anderen Politiker, der die Meinungen in Südtirol so entzweit wie Pahl. Über ihn zu schimpfen, zu lästern und zu spotten gehört seit Jahrzehnten zum bon ton in diesem Land.
Schaut man aber genauer auf den Menschen Franz Pahl und tut man sich wirklich die Mühe an, seine Positionen zu hinterfragen, so entsteht schnell ein anderes Bild, das weit differenzierter und vielschichtiger ist. Manches in der Biographie Pahls lässt sich so leichter verstehen. Es kommen dabei Dinge zum Vorschein, denen selbst politisch völlig Andersdenkende (wie der Autor dieser Zeilen) Respekt zollen können.
Der Keiler Franz
Franz Pahl wird am 15. November 1949 in Taisten geboren. Sein Großvater war vor dem ersten Weltkrieg Bürgermeister des Dorfes, das damals unter Österreich noch eine eigenständige Gemeinde war. Die Heimat der Familie Pahl ist der kleine „Keilerhof.“ „Ich war deshalb in meiner Jugend im Dorf immer nur der Keiler Franz“, erinnert sich der Politiker.
Franz Pahl wächst in ärmlichen Verhältnisse auf. Er hat fünf Geschwister. Der Vater ist Bauarbeiter und Sargschneider. In den 1960er Jahren muss der Vater als Arbeiter nach Wattens in Nordtirol gehen, um die Familie ernähren zu können. Die Mutter war in der Faschistenzeit Katakombenlehrerin, und sie wäre nach dem Krieg gerne Lehrerin geworden. Ein Traum, der aber nie in Erfüllung ging. Es gibt nicht viel auf dem Keilerhof in Taisten. Manchmal bekommen die Pahls Lebensmittel und Unterstützung vom Vinzenzverein.
„Ich bin froh, arm aufgewachsen zu sein“, meint Franz Pahl heute, „das hat meinen Blick auf die Welt nachhaltig geprägt“.
Auch das sieht man Franz Pahl an. Hager, fast schon asketisch. Ein Mensch, der sich selbst nur wenig gönnt. „Ich esse seit Langem nur einmal am Tag“, sagt er. Jahrelang verzichtet er auf ein Handy. Wegen der Strahlung. Am Ende knickt er dann irgendwann doch ein.
Der Nazi
Franz Pahl ist in Südtirol auch heute noch ein Synonym für Rechts. Für viele ist er ein Nazi. Er selbst kann darüber lachen: „Ja, ich bin patriotisch und ein Volkstumspolitiker, aber mit Nazis oder dem Rechtsextremismus wollte ich nie etwas zu tun haben, und hatte es auch nie“.
Dann erzählt er die Lebensgeschichte seines Vaters. 1910 geboren, wird er mit 29 Jahren einige Monate vor Kriegsausbruch zum Militärdienst einberufen. Trotz Kriegseintritt Italiens kann er nach der Grundausbildung nach Hause zurückkehren. Die Option ignoriert Pahls Vater einfach. Er optiert weder für Deutschland noch für Italien. Er erhält deshalb eine Geldstrafe vom Podestá. Dagegen klagt er. Franz Pahl findet später die Rechnung des Anwalts: 438,6 Lire.
„Er war nicht hitlerfreudig“, beschreibt Franz Pahl die Einstellung seines Vaters, „und so lange wir unter Italien waren, ist ihm nichts passiert“. Das änderte sich mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Südtirol im September 1943. Pahls Vater wird über Nacht und völkerrechtlich völlig widerrechtlich zur Wehrmacht einberufen. Bei der Ausbildung in Deutschland werden er und die anderen Südtiroler als „Beutedeutsche“ bezeichnet.
Bei einem Heimaturlaub schwadroniert der Taistner Ortszellenleiter der NSDAP im Gasthaus über „Hitlers Endsieg“. Pahl Vater explodiert und widerspricht energisch. Der Südtiroler Nazi zeigt Pahl senior daraufhin an. Im Juni 1944 kommt Pahls Vater deshalb in Deutschland wegen Wehrkraftzerrsetzung vor das Kriegsgericht. „Das war ein Mordanschlag des Ortszellenleiters, denn meinem Vater winkte die Todesstrafe“, erregt sich Franz Pahl noch heute. Weil die Zeugenaussagen widersprüchlich sind, sprechen gutgesinnte Richter Pahl senior am Ende aber frei.
Pahls Vater war nach dem Krieg Mitglied im Südtiroler Kriegsopfer- und Frontkämpferverband (SKFV). „Schon als Kind merkte ich, wie angespannt und aufgeregt er immer war, wenn es zur Jahresversammlung kam“, erinnert sich Franz Pahl. Irgendwann erfährt er den Grund: Auch der ehemalige Taistner NSDAP-Ortszellenleiter war SKFV-Mitglied und meistens beim Jahrestreffen anwesend.
Als Franz Pahl 20 Jahre alt ist, wird es ihm zuviel. Er marschiert zur SKFV-Versammlung, ersucht um eine Aussprache mit dem Vorsitzenden und verlangt, dass der ehemalige Nazi seinen Vater um Verzeihung bittet. Zudem schreibt er dem Sohn des hochbetagten ehemaligen Zellenleiters. Wenn jener sich nicht entschuldige, so soll es wenigstens der Sohn tun. Was dann auch passierte. „Mein Vater hat die Entschuldigung angenommen und damit war die Sache vorbei“, erinnert er sich.
Der Rausschmiss
„Ich habe meine Haltung und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn “, sagt der SVP-Politiker von sich selbst. Es ist eine der Konstanten im Leben des Franz Pahl.
Nach der Pflichtschule in Welsberg kommt er ins Brixner Vinzentinum. Dort fliegt er nach zwei Jahren mit dem sogenannten „consilium abeundi“ aber von der Schule. Der Grund ist der Einsatz für einen Mitschüler.
Dieser wird eines Nachts im Trakt der weiblichen Mitarbeiterinnen erwischt. Er muss am nächsten Morgen innerhalb einer Viertelstunde Schule und Heim verlassen. Franz Pahl begehrt dagegen auf. „Man kann doch nicht jemand ohne Recht auf Verteidigung einfach verurteilen“, argumentiert er energisch. Bei einer Studierstunde mit dem Präfekten hält er für seinen Mitschüler eine Brandrede. Zu Jahresende muss er das Vinzentinum dann verlassen. In einem Brief an seine Eltern heißt es, „er habe die Gemeinschaft schwer gestört“.
Heute sagt er, „dass war mein großes Glück“. Franz Pahl kommt ans humanistische Gymnasium Bruneck, wo er – nach eigener Aussage - die Freiheit und Liberalität der späten sechziger Jahre kennen und schätzen lernt.
Ich habe immer gesagt, ich werde im Leben Lehrer oder nichts.
Franz Pahl: „Ich habe immer gesagt, ich werde im Leben Lehrer oder nichts“. Nach der Matura arbeitet Franz Pahl als Supplent an verschiedenen Südtiroler Schulen und studiert nebenbei an der Universität Verona Sprachen. Von 1979 bis 1983 unterrichtet er Deutsch am italienischen Realgymnasium, das damals als „scuola rossa“ verschrien ist. Auch das ist eine bewusst gewählte Herausforderung. „Die Schüler habe mich trotz unterschiedlichster Auffassung sehr gemocht“, meint er heute.
Die Politik
In die Politik kommt Franz Pahl durch einen Zufall. Als junger Mensch hält er die SVP für eine „rückständige Partei“. 1976 wird die Jugendleitung im Bezirk Pustertal gewählt. Ein Freund bittet ihn, für den Stellvertreterposten zu kandidieren. Pahl tritt an, auch weil er denkt, sowieso nicht gewählt zu werden. Er absolviert bei der Kandidatenvorstellung seinen ersten Auftritt und wird überraschend gewählt. Denn selbst die ärgsten Gegner müssen Pahl eines konzedieren: Der Mann hat rhetorische und argumentative Fähigkeiten, wie sie in der Südtiroler Politik eher selten gesät sind.
Ein Jahr später macht Oskar Peterlini Franz Pahl dann zum JG-Landessekretär. Doch das Intermezzo dauert nur zwei Jahre. Denn 1979 kommt es zum einen öffentlichen Skandal, der das Bild von Franz Pahl als gefährlichem Rechtsaußen maßgeblich mitgeprägt hat.
In seiner Funktion als JG-Sekretär fragt Pahl beim deutschen „Kulturwerk für Südtirol“ um Stipendien für Südtiroler Studenten an. Es ist Peter Kienesberger, der als Vertreter des Kulturwerkes dem JG-Sekretär schriftlich antwortet. „Ich wusste damals nicht einmal,wer Kienesberger ist“, schwört Pahl heute.
Das Schreiben des „gefährlichen Terroristen“ an Pahl wird aus SVP/JG-Kreisen aber dem „ Giornale“ zugespielt. Die rechte Mailänder Tageszeitung veröffentlichtein großes Interview mit Pahl, in dem dieser seine patriotischen Ansichten preisgibt. Gleichzeitig lässt man die Kienesberger-Bombe platzen.
Die Aktion ist perfekt orchestriert. Noch am selben Tag richten die Pahl-Gegner in der JG, eine Gruppe um Werner Frick und Dieter Schramm, einen Antrag an die Parteileitung, Pahl wegen „parteischädigende Verhaltens“ auszuschließen und abzusetzen. Wenige Tage später soll auf einer Sondersitzung der SVP-Parteileitung das Scherbengericht über die Bühne gehen. Franz Pahl trägt auf der Sitzung einen 30 Seiten langen Verteidigungsschriftsatz vor und klagt seine Gegner an, ihm den Brief aus dem Schreibtisch entwendet zu haben. Er fordert deshalb die Einsetzung einer Untersuchungskommission.
Es sind Parteigranden wie Hans Benedikter, Peter Brugger und vor allem Silvius Magnago, die den damals 30-jährigen JG-Sekretär in der Parteileitung verteidigen. Man beschließt die Einsetzung einer Untersuchungskommission. Diese nimmt ihre Arbeit dann zwar nie auf, doch es ist ein Sieg für Franz Pahl.
Spätestens damit beginnt die politische Karriere von Franz Pahl.
Alias Frank Turan
Dass Franz Pahl seine Rolle als Rechtsaußen am SVP-Spielfeld durchaus mit Genuss ausgefüllt hat, steht dabei außer Zweifel. Diesem Mann gefallen die ideologischen Auseinandersetzungen mit der Linken. Vor allem in der heißen Zeit der Studentenbewegung und der Neuen Linken.
Franz Pahl war in den siebziger und Anfang der achtziger Jahre einer der jungen, die das Establishment einspannte, um gegen Alexander Langer & Co anzuschreiben. Der junge Volkstumspolitiker passte perfekt in das konservative Weltbild und in den Abwehrkampf gegen die Linke.
Was heute nur die Wenigsten wissen: Es war ausgerechnet Toni Ebner senior, der Franz Pahl ins Herz geschlossen hatte. Pahl schrieb so immer wieder in den Dolomiten Kommentare gegen Langer und Genossen. Die Artikel waren nicht gezeichnet. „Selbst in der Redaktion war niemand eingeweiht“; sagt Franz Pahl, „nur Ebners Sekretärin, die die Artikel abholte“.
Zudem durfte Franz Pahl unter Toni Ebner senior in den Dolomiten die internationale Politik kommentieren. „Ich habe dann unter dem Pseudonym Frank Turan geschrieben“, gesteht er durchaus spitzbübisch. Auch das ist typisch Pahl.
Zudem durfte Franz Pahl unter Toni Ebner senior in den Dolomiten die internationale Politik kommentieren. „Ich habe dann unter dem Pseudonym Frank Turan geschrieben“, gesteht er durchaus spitzbübisch. Auch das ist typisch Pahl.
Schreiduell mit Durnwalder
1982 wird der Taistner Lehrer zum Landesjugendreferenten gewählt. Ein Jahr später schafft er auf der SVP-Liste den Sprung in den Landtag. 25 Jahre lang wird Franz Pahl danach für die SVP dort tätig sein.
Pahl nimmt dabei die Rolle des Prellbocks gegen rechts ein. Vor allem aber ist er es, der bei einem halben Dutzend Wahlgängen die volkstumspolitische Flanke der SVP sichert und die Stimmenerosion in Richtung der deutschsprachigen rechten Oppositionsparteien deutlich eindämmt. Franz Pahl ist dafür wie geschaffen. Denn es sind seine Themen. Der Mann braucht sich nicht zu verstellen. Er ist authentisch. Deshalb wird er auch gewählt.
Doch es gibt eine andere Seite von Franz Pahl: Pahl ist durch und durch Demokrat.
Die Überzeugung, seine eigene Haltung auch dann nicht aufzugeben, wenn sie inopportun ist, macht ihn zudem immer wieder zum Unruheherd unterm Edelweiß. So ist er einer der wenigen, die sich in Sachfragen innerhalb der SVP mehrmals offen gegen Luis Durnwalder stellen. „Es gibt eine grundlegende Pusterer Solidarität unter uns und wir haben uns immer gut verstanden“, sagt Pahl über Durnwalder. Dennoch sind mehrere Schreiduelle zwischen den beiden in der SVP-Fraktion und in den Parteigremien überliefert. Etwa als Pahl als offenere Gegner der geplanten Rodelbahn Meransen auftritt. Oder als es um die Lösung der Toponomastik-Frage geht.
Zum „Krieg“ (Pahl) kommt es aber,als die SVP unter Luis Durnwalder das Landtagswahlrecht so ändern will, dass die SVP mit den gleichen Stimmen mehr Mandate erhalten soll. Franz Pahl und einige wenige unterm Edelweiß sprechen sich aus demokratiepolitischen Gründen dagegen aus. Als die SVP die Wahlreform durchdrücken will, droht der streitbare Pusterer Abgeordnete mit Austritt. Es tut es mit einem typischen Pahl-Satz: „Wenn die Partei meint, sie hätte zu viele Abgeordnete im Landtag, dann muss sie es nur sagen.“
Kandidatur gegen Ebner
Franz Pahl zeigt aber auch persönlichen Mut. Er tut das, was sich viele in der SVP niemals trauen würden.
Bei den Europawahlen 2004 will der amtierende EU-Parlamentarier Michl Ebner unbedingt noch eine Legislatur in Brüssel anhängen. Vor allem aus dem Pustertal kommt innerhalb der SVP aber Widerstand. Man will den Bozner Erbhof aufbrechen.
Landesrat Hans Berger möchte ernsthaft ins EU-Parlament wechseln. Berger überlegt lange. Auch weil er weiß, was es heißt, gegen den mächtigen Verleger in Südtirol anzutreten. Am Ende wird dem Ahntaler Politiker der Druck zu groß. Er zieht seine Kandidatur zurück.
„Ich bin dann viel zu spät in den Ring gestiegen“, sagt Franz Pahl. Er, der für Ebners Vater Leitartikel geschrieben hat, sieht das Ganze als normalen politischen Wettkampf. Formal gibt es in der SVP damals noch keine Vorwahlen. Es wird aber in den Bezirken abgestimmt, dabei schneidet Pahl mehr als nur überraschend gut ab. Ebner hat am Ende nur 50 Stimmen Vorsprung.
Die formale Entscheidung fällt aber im Parteiausschuss. Eine Woche vor der Wahl schaut es ernsthaft so aus, als würde Pahl gegen Ebner gewinnen. Mehrmals versucht man, Franz Pahl zum Rückzug seiner Kandidatur zu bewegen.
Wenige Tage vor der Wahl gelingt es Michl Ebner, Luis Durnwalder zu mobilisieren. Der Hardliner aus Taisten ist drauf und dran, das subtile Gleichgewicht der Macht in diesem Land nachhaltig zu zerrütten. Durnwalder interveniert halbherzig für Ebner, und der Athesia-Patron gewinnt am Ende das Stechen im Parteiausschuss gegen Pahl.
„Ich habe diesen Ungehorsam danach in der Ebner-Presse noch lange zu spüren bekommen“, sagt er mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen.
Humanitärer Einsatz
Franz Pahl engagiert sich seit über dreißig Jahren in der humanitären Hilfe, ohne das an diegroße Glocke zu hängen.
Der SVP-Politiker scheut dabei auch nicht davor zurück, die eigene Unversehrtheit auf Spiel zu setzen. Zu Weihnachten 1991, im ausbrechenden Jugoslawienkrieg, sammelt er in Südtirol Medikamente und bringt sie in drei Fahrten mit seinem Opel Corsa in ein Krankenhaus ins kroatische Karlovac, das unter Beschuss steht. Später begleitet er mehrere Hilfskonvois der Caritas nach Bosnien.
Aus dem privaten humanitären Engagement wird schon bald ein amtliches. 1993 erlässt die Region Trentino-Südtirol auf Betreiben von Oskar Peterlini ein Gesetz zur humanitären Hilfe. 1994 wird Franz Pahl Regionalassessor und bekommt diese Zuständigkeiten. Als er das Amt annimmt, verteilt die Region 250.000 Euro (500 Mil. Lire). Als er als Regionalassessor abtritt sind es 4,2 Millionen Euro (8,2 Mrd. Lire), die in internationale Hilfsprojekte fließen.
„Wir haben 300 Studenten und Studentinnen aus Bosnien ein Studium finanziert“, sagt er mit sichtlichem Stolz. Als er 2008 aus der Politik ausscheidet, wollte er damit eigentlich aufhören.
„Das geht aber nicht“, sagt er heute, „denn ich war und bin für zu viele Menschen eine Bezugsperson“. Derzeit unterstützt er 69 verschiedene Projekte überall auf der Welt. Franz Pahl hat weit über eine Million Euro an eigenem Geld in all diesen Jahren dafür ausgegeben. Im Gespräch mit salto.bz will er darüber eigentlich nicht sprechen. „Ich habe die Freigiebigkeit von meinen Eltern und vor allem von meiner Mutter geerbt“, wiegelt er ab, „es ist deshalb nicht mein Verdienst“.
Feinbild Politikerrentner
Franz Pahl hat seine politische Karriere mit einem Hungerstreik begonnen und auch beendet. Am 1. März 1979 erregte er mit einem Hungerstreik gegen die Restaurierung des Bozner Siegsdenkmals internationale Aufmerksamkeit. 29 Jahre später wiederholte er eine ähnliche Aktion. Diesmal stand er tagelang vor dem Bozner Museion, um gegen Kippenbergers Frosch zu protestieren. Nachts schlief er in einem Zelt.
Die SVP wollte unbedingt, dass Franz Pahl bei den Landtagswahlen 2008 wieder antritt. Man brauchte ihn und noch mehr seine Stimmen aus dem patriotischen Lager. Er stellte aber eine Bedingung: Die Landesregierung und die SVP sollen die Abhängung des gekreuzigten Frosches durchsetzen. Sonst kandidiere er nicht.
Der Frosch blieb, und Franz Pahl verabschiedete sich aus der Mandatspolitik. „Man muss zu seinen Überzeugungen stehen, auch dann wenn es unbequem wird“, versucht der langjährige Landtagsabgeordnete sein Credo zu beschreiben.
2009 geht er in den Schuldienst zurück und ein Jahr später in die Politpension.
Franz Pahl wäre aber nicht Franz Pahl, wenn er sich nicht auch als Rentner eine Aufgabe suchen würde, mit der er sich unbeliebt machen kann.
Die Altmandatare kämpfen gegen die Kürzung ihrer Renten vor Gericht. Es braucht einen Sprecher, der die Anliegen in der Öffentlichkeit darlegt. „Keiner wollte es machen, da habe halt ich den Kopf wieder einmal hingehalten“, sagt Franz Pahl.
Pahl versucht seitdem, einen Kampf um Prinzipien zu erklären, der im derzeitigen vorherrschenden politischen Mainstream unverteidigbar ist. Er wird deshalb als Nimmersatt und geldgeil beschimpft.
Franz Pahl wäre aber nicht Franz Pahl, wenn er sich nicht auch als Rentner eine Aufgabe suchen würde, mit der er sich unbeliebt machen kann.
Dass man ihm in diesem Punkt aber schwer Unrecht tut, zeigt sein gesamtes Leben. Franz Pahl hat aus der Entschädigung als Politiker eine kleine Wohnung im sanierten Elternhaus in Taisten erworben. Zudem besitzt er eine 33 Quadratmeter große Wohnung in Bozen, die an einen älteren, zumeist arbeitslosen Ausländer vermietet ist, dem der Hausherr seit Jahren immer wieder die Miete nachlässt.
Wie Franz Pahl tickt, zeigt sich an einem konkreten Beispiel. Seit Jahren unterstützt er ein tibetisches Ehepaar, dessen Übersiedlung nach Deutschland er auch finanziert hat. Eigentlich plante er, diesen Menschen eine kleine Wohnung zu kaufen. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts muss er jetzt aber rund 350.000 Euro an die Region zurückzahlen. „Ich kann das jetzt leider nicht mehr stemmen“, sagt er deshalb mit Wehmut.
Für sich selbst braucht dieser so unbequeme und schwer einzuordnende 70-Jährige wenig und fast nichts. „Ich habe einen Anzug für den Sarg“, sagt er irgendwann unverblümt.
Es ist kein Witz, sondern eine kühle Bestandsaunahme.
Fotos: Othmar Seehauser
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Chapeau vor so viel
Chapeau vor so viel uneigennützigem Engagement.
Antwort auf Chapeau vor so viel von Elisabeth Garber
Chapeau ob Ihrer Ironie!
Chapeau ob Ihrer Ironie!
Antwort auf Chapeau ob Ihrer Ironie! von Hans Hanser
@H.H. Ich meinte das todernst
@H.H. Ich meinte das todernst.
....Franz Pahl habe ich immer
....Franz Pahl habe ich immer schon wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten bestaunt. Im ersten freien Fernsehsender Südtirols, der " Sender Meran TVS", hat Pahl mit sehr viel Pathos, Gestik und todernstem und verbissenen Audruck im Gesicht, (die strenge Frisur verstärkte noch den Eindruck), den wöchentlichen internationalen Pressespiegel gestaltet. Irgendwie erinnerte er in seiner Art an einen Propagandaminister.
Wie gesagt, diesen Eindruck erweckte er, in Wirklichkeit war ein netter, korrekter und sympatischer Kollege. In diesem Sinne Gratulation zum 70. Geburtstag!
Alles Gute zum 70. Herr Pahl,
Alles Gute zum 70. Herr Pahl, und toll was sie alles geleistet haben und weiter leisten, an privater, humanitäre Hilfe.
Kunst kann, ja, soll
Kunst kann, ja, soll provozieren, daher kann ich diese Aktion von FP nicht nachvollziehen, ansonsten ist sein Leben aber doch als vorbildlich zu betrachten
"Wer ist dieser Mensch, der
"Wer ist dieser Mensch, der für viele das Feinbild schlechthin ist?", schreibt Christoph Franceschini. Auch wenn es ein Tippfehler sein sollte, so ist es wohl ein Freud'scher Tippfehler. Viele Menschen haben von Franz Pahl ein recht grobes Bild. Ein Feinbild ist hier gefragt, um die Feinheiten eines durch und durch guten, immer konsequenten und daher oft unbequemen Menschen zu erkennen.
Antwort auf "Wer ist dieser Mensch, der von Hartmuth Staffler
"...eines durch und durch
"...eines durch und durch guten,..." - Wer ist das schon? Er ist ja noch nicht gestorben, dass man nur das Gute hervorheben muss. Ich hab diesbezüglich, von Menschen die ihm mindestens ein Zeit lang nahe standen, auch schon anderes gehört!
Seine Kohärenz und Konsequenz - ähnlich wie bei Eva K. - ist sicher lobenswert und hervorzuheben!
Sein grösstes Geheimnis
Sein grösstes Geheimnis verschweigt Franz Pahl bis heute,das finde ich feige und nicht gut,aber er hat das Recht dazu,er weiss genau was ich meine!
Antwort auf Sein grösstes Geheimnis von Günther Alois …
@ Günther Alois Raffeiner
@ Günther Alois Raffeiner Ich bin der Meinung, dass die Öffentlichkeit kein Recht auf die großen u. kleinen Geheimnisse eines Menschen hat.
Antwort auf @ Günther Alois Raffeiner von Elisabeth Garber
Frau Elisabeth Garber,wenn
Frau Elisabeth Garber,wenn man so unverschämt abkassiert wie die goldenen Politrentner/innen,dann hat der Bürger das Recht über bestimmte Dinge auch informiert zu sein!Schliesslich sind dies verschwendete Steuergelder!OK!
Antwort auf Frau Elisabeth Garber,wenn von Günther Alois …
Und Sie als braver Bürger
Und Sie als braver Bürger würden das Geld, das Ihnen laut Gesetz zusteht, also nicht nehmen, weil Sie ja nicht unverschämt sind, oder?
Ist es Pahl's Schuld, dass andere die Gesetze so gemacht haben?
Ach hören Sie doch auf mit dem Moralapostel-Getue, wir nehmen doch alle(oder fast wenigstens), was wir kriegen können, ohne Rücksicht auf Verluste.
Antwort auf Und Sie als braver Bürger von Manfred Gasser
Herr Gasser ,was soll das
Herr Gasser ,was soll das,wollen sie mich belehren??? Gerade Herr Pahl ist der ,der am meisten auf den Geldsack schaut und das noch für andere mit.Sie wären vieleicht einer,oder sind es ???? der alles mitnehmen würde,sonst würden sie nicht so argumentieren.Ich habe halt noch eine gesunde Moral und Ethik,was ich von ihnen nicht glaube.OK(beweist ja ihre Aussage:ohne Rücksicht auf Verluste)diese Menschen wie sie sind in meinen Augen Oberegoisten!!!
Antwort auf Herr Gasser ,was soll das von Günther Alois …
Herr Pahl macht genau das,
Herr Pahl macht genau das, was jeder Arbeitnehmer hier im Land denke ich auch macht, er verlangt das, was ihm laut Gesetz zusteht.
Oder wie würden Sie reagieren, wenn man Ihnen rückwirkend das Gehalt halbieren würde, und Sie die andere Hälfte zurückzahlen sollten?
Was meine moralischen und ethischen Ansichten betrifft, denke ich, bin ich nicht besser oder schlechter als andere. ich sage nur, bevor man Menschen für etwas verurteilt, sollte man zuerst ganz tief in sich hineinhorchen, um ganz ganz sicher zu sein, dass man nicht genau das gleiche machen würde. Und da beginne ich an mir, und an der Gesellschaft zu zweifeln, leider.
Antwort auf Herr Pahl macht genau das, von Manfred Gasser
Der große Unterschied ist
Der große Unterschied ist aber, Manfred Gasser, dass kein Lohnabhängiger oder Rentner selber entscheiden kann, wie viel er per Gesetz erhalten wird - nach einem Gesetz, das die Politiker selber gemacht haben! Und Pahl hat m.W. auch nicht - wie auch mehrere Kolleg/inn/en - den Vorschuss zurückgezahlt, den er in großer Summe erhalten hat. Damals ging es darum, ob diese Summe nicht zu viel bzw. ethisch nicht vertretbar war!
Auch die Auszahlung der Vorschüsse haben sich die Abgeordneten selbst gewährt; und noch dazu mit der Bemessung einer höheren Lebenserwartung als der Durchschnitt. Falls jemand nach 10 Jahren stirbt oder verunglückt, hat er das Geld schon gehabt, während du die Rente nur erhältst, so lange du lebst und nicht nach dem Durchschnitt bis zum Lebenserwartung-Alter (Hinterbliebene). Welcher Rentner kann sich die Rente im Voraus bezahlen lassen?
Politikergehälter und -Renten müssen in Zukunft per Volksentscheid festgelegt werden! Mal hören, was die Politiker dann sagen?
Es ehr Pahl wenn er den Großteil seines Einkommens für soziale Zwecke ausgibt. Gerecht ist es aber trotzdem nicht!!
Antwort auf Der große Unterschied ist von Sepp.Bacher
Ich glaube nicht, dass Herr
Ich glaube nicht, dass Herr Pahl an dem Gesetz mitgeschrieben hat, er hat einfach nur davon profitiert.
Und ich habe nie davon geschrieben, dass es gerecht sei, dass sich Politiker mit einem eigens gemachten Gesetz das Geld selbst in den Allerwertesten schieben. Ich frage nur, ob man/frau selbst wirklich anders, ethisches, gerechter wäre. Und da habe ich meine Zweifel, bei mir und bei vielen anderen auch.
Schön, endlich mal ein
Schön, endlich mal ein umfassenderes Bild des Politikers und Menschen Franz Pahl zu erhalten. Er ist tatsächlich eine schwer zu greifende Persönlichkeit. Sein Inneres und Äußeres sind seltsam unstimmig, deshalb auch die Irritation der Öffentlichkeit, die ihn nicht einzuordnen vermag. Wahrscheinlich war vor allem die karge Kindheit prägend, sonst ist die zur Schau gestellte Härte nicht verständlich. Gefühle zulassen und diese auch zeigen war wohl über die Jahrzehnte hinauf schlicht unmöglich. Vielleicht hätte sich Franz Pahl gar nicht so zu verstellen brauchen, um seine Ziele und Überzeugungen durchzusetzen und als sensibler, sozialer Mensch wahrgenommen zu werden (natürlich durch die heutige Brille betrachtet).
Könnten Sie bitte hin und
Könnten Sie bitte hin und wieder einen Kommentar schreiben, der themenbezogen und sachlich ist, und wenn möglich eine minimale Intelligenz vermuten lässt?
Danke.
@ Kunze Frührentnerin.
@Kunze Ja, Frührentnerin.
auch auf die Gefahr hin,
auch auf die Gefahr hin, einen Verweis zu riskieren (off topic), bin ich jetzt provokant und spiegele zurück:
dann legen Sie sich hier selbst auch in diese Schublade „Rentner“!
Aber wenn ich den Verweis bekomme, erhalten Sie ihn auch, da nehme ich dies mal sportlich hin (das SCM möge mir diese Schelmerei nachsehen).
Herr Kunze kümmern sie sich
Herr Kunze kümmern sie sich um ihre Angelegenheiten und lernen sie zu akzeptieren,dass es in Südtirol immer noch Meinungsfreiheit und Kritik geben darf. Das muss eine Demokratie aushalten.