Kultur | salto weekend

Was ist geblieben?

Martin Peer war bei der Besetzung des Monopolgebäudes 1979 dabei. Auch beim Theaterstück im Jänner 1980. Sein Resümee aus dem eben erschienenen Buch als Salto-Gastbeitrag
plan.jpg
Foto: Reinhard Knopp

Die Besetzung des Monopolgebäudes war eines der prägendsten Ereignisse meiner Jugend. Aufgewachsen in einer deutschsprachigen Familie in Bozen, hatte ich irgendwie schon früh ein Interesse für Italien und die „Italie­ner" entwickelt. Ich war damals achtzehn Jahre alt, besuchte die Maturaklasse einer deutschsprachigen Schule und alle meine Freunde und Bekannten waren deutschspra­chig. Und dann kam plötzlich die Besetzung des Monopolgebäudes.

Bei der Versammlung an einem Samstagnach­mittag Anfang Oktober 1979 wurde noch dis­kutiert, ob das Monopolgebäude nun besetzt werden solle oder nicht, als einige der „Jun­gen“ aufstanden, ihre Stühle packten und zum Monopolgelände gingen. Die Entschei­dung war damit gefallen. Bereits von diesem ersten Nachmittag und Abend an war alles anders. Im gemeinsamen Tun, Diskutieren und Lachen fand ich mich plötzlich in einer Gruppe von jungen Men­schen wieder, für die die Sprache, die Zuge­hörigkeit zu einer „Volksgruppe" keine Rolle spielte. Wobei, das stimmt so nicht. Wir – Deutsch- und Italienischsprachige – waren wahnsinnig neugierig aufeinander. Auf das Leben der anderen, deren Geschichte, deren Bräuche, deren Alltag, usw. usw. Alle woll­ten Watten lernen und ich erinnere mich an durchwachte Nächte, in denen ich über die Beweggründe der Südtiroler „Freiheits­kämpfer" erzählen sollte. und ich wollte wissen, wie es ist, als Kinder ehemaliger „Besatzer“ in Südtirol zu leben. und ich wurde zu ihnen nach Hause eingeladen; eine Zeit lang war eine italienische Familie mein zwei­tes Zuhause.


Deutschsprachig und italienischsprachig, das alles war für uns ganz weit weg. Nicht dass irgendjemand von uns seine Kultur aufge­ben wollte, im Gegenteil. Aber das war doch kein Grund, nicht miteinander zu leben und zu träumen. All das Gerede über deutsch ­und italienischsprachige Volksgruppen, die sich verteidigen müssten oder ähnliches, war uns fremd. Sogar in den meist doch vor­wiegend entweder deutsch- oder italienisch­sprachigen Vereinen und Gruppen, die das Monopolgebäude besetzt hatten oder die Besetzung unterstützten, fanden wir uns nicht wieder.

In der Gruppe von Jugendlichen, bei denen ich mein Zuhause gefunden hatte, gab es eine große Abneigung (oder Angst?), sich zu ir­gendetwas zugehörig zu erklären. Das Mit­machen bei Die Rundköpfe und die Spitzköpfe kam da gerade richtig.

Was ist geblieben, heute nach 40 Jahren? Ich weiß es nicht. Für mich war es auf jeden Fall – jenseits von Gut und Böse – sehr wichtig und prägend.


Mit freundlicher Genehmigung von Alpha Beta Verlag