Politik | Gemeindewahlen

Gemeinsam geht’s nicht?

Bringen Einheitslisten mehr Demokratie oder die Wähler durcheinander? Bei “Pro & Contra” diskutierten Philipp Achammer (SVP) und Paul Köllensperger (Team K).
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Foto: Arnaud Jaegers/Unsplash

“Einheitslisten bei den Gemeinderatswahlen – übertriebene Gleichmacherei oder eine parteiunabhängige Alternative für die Gemeinden?” Zu dieser Frage diskutierten am Dienstag Abend SVP-Obmann Philipp Achammer und Team-K-Vorsitzender Paul Köllensperger in der Sendung “Pro & Contra” auf RAI Südtirol.

Dem Vorschlag von Team K, Einheitslisten zu schaffen – eine einzige Liste, auf der sämtliche Kandidaten parteiunabhängig antreten und die auf ein Parteisymbol verzichtet –, kann die SVP seit nichts abgewinnen. Schon Anfang Oktober wurde der Beschluss gefasst, in möglichst allen Gemeinden, in denen am 3. Mai gewählt wird, mit eigenen Edelweiß-Listen und nur einem Bürgermeisterkandidaten anzutreten. Und trotzdem: Auch unabhängige Kandidaten, die nicht SVP-Mitglied sind, sollen unterm Edelweiß antreten können. Am 16. Februar führen 55 SVP-Ortgruppen in 30 Gemeinden Vorwahlen durch, bei der Kandidaten für das Bürgermeisteramt und/oder den Gemeinderat ermittelt werden. Die Modalitäten sind recht unterschiedlich: eine offene Basiswahl, an der sich alle Bürger der Gemeinde beteiligen können – mit oder ohne vorgegebener Kandidatenliste; eine Basiswahl, an der nur Parteimitglieder teilnehmen können.

 

In St. Lorenzen werden die Kandidaten der im Gemeinderat vertretenen Bürgerliste “Gemeinsam für St. Lorenzen” auf der SVP-Liste antreten. Ob das nicht auch eine Einheitsliste sei, wird Parteiobmann Achammer am Dienstag Abend von Moderator Hannes Senfter gefragt. Abgesehen davon, dass die SVP nicht auf das Parteisymbol verzichten wird, sei es keine Gemeinschaftsliste, “weil sich die Kandidaten im Vorfeld zu einem gemeinsamen Programm bekennen müssen”, so Achammer.

“Der Preis für das Absaugen der Opposition ist hoch, das wird sich zeigen”, warf der ehemalige Grüne Landtagsabgeordnete Hans Heiss jüngst auf Twitter ein.

Achammer hingegen verweist auf die völlige Autonomie der SVP-Ortsgruppen in den Gemeinden bei der Entscheidung, auch unabhängige, nicht der Partei angehörige Kandidaten aufzustellen. Als weiteres Beispiel verweist der SVP-Obmann auf Roland Tinkhauser. Der ehemalige Freiheitliche Landtagsabgeordnete, der seine Partei im Streit verlassen hat, tritt bei SVP-Vorwahlen in seinem Heimatort Pfalzen gegen den amtierenden Vizebürgermeister Siegfried Gatterer an und will Bürgermeister werden. Unabhängig ist Tinkhauser allerdings nicht mehr, sondern inzwischen in die SVP eingetreten.

Anders laufen die Dinge in Auer. Dort waren die Kandidaten der SVP 2015 ohne Parteisymbol, sondern auf der Liste “Gemeinsam für Auer” zusammen mit der Bürgerliste “Für Auer” angetreten. Heuer kehrt das Edelweiß zurück, doch auch die Bürgerliste geht eigene Wege. “In dem von der SVP geschnürten Korsett einer Kandidatur als sogenannte ‘Unabhängige’ unter dem Edelweiß, konnten unsere Kandidaten sich nicht wiederfinden”, erklärt Martin Feichter, Sprecher von “Für Auer”, in einer Aussendung.

 

“Das Denken und Handeln nach Parteibuchlogik und der Fraktionszwang auf Gemeindeebene schadet mehr als zu nützen – es würden mehr Menschen kandidieren, wenn sie sich dem nicht unterordnen müssten.” Davon ist Paul Köllensperger überzeugt. Er findet eine Gemeinschaftsliste und einen Bürgermeister, der sich im Gemeinderat wechselnde Mehrheiten beschaffen muss, effizienter und demokratischer. “In vielen Gemeinden sind die Gemeinderatssitzungen zu einer Alibivorstellung geworden, es findet kaum noch Diskussion statt, viele heben einfach nur die Hand auf. Das schafft Frust und hält auch gar einige davon ab, erneut zu kandidieren”, will der Team-K-Chef in “hunderten Einzelgesprächen” in Erfahrung gebracht haben.

Dagegen, dass es Parteien auf Gemeindeebene nicht brauche, verwehrt sich Philipp Achammer entschieden. Für ihn sind Einheitslisten etwas “Abstruses”, wo “jeder sein eigenes Programm mitbringt” und die Wähler am Ende nicht wüssten, was herauskomme. Eine Partei wie die SVP hingegen stehe für “Kontinuität, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit”, die “gemeinsame Werte, Ideale und Programme” vertrete. Auch variable Mehrheiten würden vielmehr zur Spaltung als zu mehr Demokratie und Effizienz führen, sagt der SVP-Obmann. Und von einem Fraktionszwang in den Gemeinderäten will er gar nichts wissen, das sei “die Ausnahme”.

“Gemeinschaftslisten in den kleinen Gemeinden halte ich für ein moderneres Modell. Aber ich verstehe die SVP, denn mit solchen Listen würden die Parteiabgaben der Gewählten entfallen und ihr Modell zusammenbrechen – die SVP braucht dieses System”, so der Vorwurf von Paul Köllensperger, auf den Achammer wiederum kontert: “Das Denken, dass Parteien etwas Schlechtes seien, ist eine Modeerscheinung. Es wird immer wieder gerne die negativ konnotierte Vorstellung von Machtbesessenheit und den Abgaben in den Raum geworfen.” Die SVP aber bleibe bei ihrer Überzeugung: “Keine Einheitslisten auf Gemeindeebene! Damit man heute weiß, was man morgen hat!” Nach dem Motto: Mitmachen ja. Aber nur unterm Edelweiß.

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Sebastian Felderer Mi., 05.02.2020 - 19:52

Habe es schon versucht, in etwa zu schildern, wie es in den ländlichen Gemeinden aussieht. Paul Köllensperger hat vollkommen Recht damit, dass eine Einheitsliste eine in jeder Hinsicht "bessere" Gemeindeverwaltung abgeben würde. Wenn das Wörtchen "aber" nicht wäre. Eine Vorstufe zur Veränderung ist die interethnische Liste, mit vereinten Kräften gegen die Mehrheitspartei. Schon da runzeln viele die Stirn. Es geht nicht so leicht, eine "technische" Gemeindeverwaltung zusammenszustellen. Würde sogar sagen, zu 90 % unmöglich. Leider sind wir als Personen doch alle politisch gefärbt, oder glauben zumindest, es sein zu müssen. Versuchen wir mal eine Bürgerliste in der Gemeinde zusammenzustellen, welche der Summe der Oppositionsparteien im Landtag entspricht. Dazu noch den derzeitigen Koalitionspartner. Möglich? Ich sage, nicht unmöglich, aber sehr schwierig, schon das Zusammenstellen des gemeinsamen Programms und mehr noch das Zusammenhalten nachher. Ich winke ab, bin einfach nicht zu überzeugen davon. Es drängt sich ein Vergleich in mir auf, die Pestiziddebatte. Auch da, goldrichtig die Grundsatzüberlegung und die Bemühung zur Veränderung. Aber nicht durchführbar, wenn nicht in kleinen Schritten über Jahrzehnte. Beginnen muss jemand damit, einverstanden. In der Gemeindepolitik haben einige schon begonnen gehabt und sind auf die Nase gefallen. Der Wähler und auch der Kandidat lässt sich nicht einfach so steuern, so wie es sich die Schädlinge und Pilze beim Obstbau nicht verbieten lassen, Schäden zu verursachen, wenn sie nicht bekämpft werden. Also wird auch im Gemeinderat bis auf weiteres "gekämpft " werden, um die eigenen Interessen zu vertreten. Eine Demokratie stützt sich auf Mehrheiten und die müssen sicher auch weiterhin gefunden werden. Eine vorgetäuschte oder erzwungene Einigkeit um jeden Preis, das haben wir schon in der SVP mehr als genug.

Mi., 05.02.2020 - 19:52 Permalink
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Sepp.Bacher Do., 06.02.2020 - 11:10

Antwort auf von Sebastian Felderer

Einheitslisten gibt es schon in vielen Gemeinden; es sich die SVP-Listen. Und oft scheint es auch gut zu funktionieren, z. B. im Passeiertal (Moos, St. Leonhard, St Martin). In den beiden letzteren gibt es schon seit vielen Jahren Bürgermeister/innen der Arbeitnehmer. Die SVP gibt auch den alternativen Kandidaten Platz. Und es scheint gut zu funktionieren, obwohl nicht alle für die SVP sind. Bei Landtagswahlen gibt genauso wie in anderen Gemeinden ein Vielfalt an Stimmen. Da hat sicher auch Köllensperger davon profitiert.
Wenn weitere Einheitslisten, dann sollten es Sammellisten der Opposition sein! Jede/r Kandidat/in muss aber seine Anschauungen und Ziele offen legen. Bei Abstimmungen kann jede/r nach eigener Überzeugung stimmen. Je nach Personen und Charakteren kann es auch schwierig werden; muss aber nicht sein!

Do., 06.02.2020 - 11:10 Permalink
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Sebastian Felderer Mi., 05.02.2020 - 20:04

Kann es mir nicht verkneifen, dem Team K einen kleinen Seitenhieb zu verabreichen. Wenn dem so wäre, wie Paul Köllensperger sagt, dann dürfte nicht stillschweigend hingenommen werden, dass Bemühungen genau in diese angepeilte Richtung im Keime erstickt werden, von Leuten die zwar eine dicke Brieftasche haben mögen, aber nichts im Kopf und keinen Respekt noch dazu. Diesen Vorfall werde ich nie vergessen, selbst nach 50 Jahren politischer Abhärtung nicht. Dafür ist nun alles nicht mehr mein Problem. Es lebe die Freiheit.

Mi., 05.02.2020 - 20:04 Permalink
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Martin Federspieler Mi., 05.02.2020 - 22:14

Die Einheitsliste kann Team K gerne mit Grünen, PD, Bürgerlisten u.dgl. machen, da braucht es die SVP nicht.
Was dem Herrn Köllensperger da vorschwebt ist wohl eher eine Trittbrettfahrer-Liste.
Mit den gelben Sprechblasen Protestwähler bei Landtagswahlen zu motivieren ist halt um einiges leichter als Leute für Gemeindewahlen zu finden, welche sich für eine 1-Kopf-Partei als Kandidat zur Verfügung stellen, von der niemand genau weiß, wofür sie steht, als dass sie halt angeblich alles besser machen würden als andere.
Aber bitte nicht falsch verstehen: ich respektieren jeden der sich politisch einsetzt, vor allem auch auf Gemeindeebene. Davon lebt die Demokratie!

Mi., 05.02.2020 - 22:14 Permalink