Es war ein ungewohntes Inserat, das die Leser der Frankfurter Allgemeinen in dieser Woche im Blatt fanden. Auftraggeber der bezahlten Anzeige war eine Gruppe italienischer Parlamentarier, Bürgermeister und Regionalpräsidenten – von Carlo Calenda bis zu Giovanni Toti und von Beppe Sala bis zu Stefano Bonaccini.
Der Tonfall war bewusst dramatisch gehalten: "È una sfida che riguarda la sopravvivenza dell'UE. E se l'Unione Europea non prova che esiste ora, cesserà di esistere." Nach der durchaus pathetischen Einführung kommen die Unterzeichner zur Sache: "Nove stati europei, tra cui Italia, Francia, Spagna e Belgio hanno proposto l'emissione di Eurobond per far fronte alla crisi. Non si chiede la mutualizzazione dei debiti pubblici pregressi, ma di dotare l'Unione europea di risorse sufficienti per un grande rescue plan europeo sanitario e sociale, gestito dalle istituzioni europee." Am Schluss folgt ein polemischer Fingerzeig auf die fast 30 Milliarden Mark Kriegsschulden, die von den Alliierten auf der Londoner Konferenz von 1953 halbiert wurden.
Der rhetorische Schlussappell wendet sich an die deutsche Regierung: "Cari tedeschi, la memoria aiuta a prendere le decisioni giuste. Il vostro posto è con i grandi paesi europei, è con l'Europa delle istituzioni, dei valori di libertà e solidarietà."
Der Hintergrund des brisanten Streits ist bekannt. Deutschland und vor allem Hollands stramm rechter Regierungschef Mark Rutte sperren sich gegen die Einführung der von Rom geforderten Eurobonds.
Der Streit hat Von der Leyens süsslichen "Siamo tutti italiani"-Appell" bereits weggewischt und eskaliert jetzt im Internet.
Am Dienstag stellte der italienische Schauspieler und Kabarettist Tullio Solenghi eine deftige Retourkutsche ins Netz: "Oggi non voglio essere ironico – sono incazzato e basta. Ieri sera l'eurogruppo non è riuscito a varare gli eurobond. Voglio ricordare come i tedeschi hanno inciso negli ultimi 100 anni di storia: hanno provocato la prima guerra mondiale, la seconda e hanno sterminato 6 milioni nelle camere a gas e ancora oggi hanno un'arroganza spietata. Noi italiani saremo cialtroni, ma empatici. Grazie a Dio siamo italiani."
Hunderte fühlten sich bemüssigt, im surrealen Streit ihre Meinung einzubringen. Die einen erinnerten an den italienischen Faschismus und die Eroberung Nordafrikas, die anderen schlossen sich dem Angriff auf die "stets überheblichen Deutschen" an.
So wurde Von der Leyens süssliche Fernsehbotschaft in Sache Corona-Virus ("Siamo tutti italiani") weggewischt – um die historischen Vorurteile vom bösen Deutschen und dem stets freundlichen Italiener wieder aufleben zu lassen. Ein stupides und vor allem unnützes Spiel.