Balanceakt für Arno Kompatscher
Erste Konsultationen mit allen, dann Koalitionsverhandlungen mit jener Partei, mit denen es am meisten programmatische Übereinstimmung gibt.: Das ist der Kurs, den der designierte Landeshauptmann Arno Kompatscher am Tag nach der Wahl vorgibt. An welche Forderungen die beiden wichtigsten deutschen Oppositionsparteien einen Eintritt in die Regierung verknüpfen würden, war bereits in der Morgenschiene des RAI Senders Bozen zu hören: Schluss mit den Finanzierungen für einen sinnlosen Flugplatz oder ein neues Urbanistikgesetz waren zwei Beispiele, die die Grüne Brigitte Foppa brachte. Aufrechterhaltung des muttersprachlichen Prinzips in der Schule oder mehr Kompetenzen in der Einwanderungspolitik, der Freiheitliche Pius Leitner.
Konnte solche gedanklichen Koalitionsspielereien vor dem Wahlkampf noch als politische Plänkelei abgetan werden, verleiht ihnen das Ende der absoluten SVP-Herrschaft eine neue Bedeutung. Zumindest laut Interpretation der Freiheitlichen zeigt das Wahlergebnis klar an, dass die Südtiroler die Erweiterung der bisherigen ethnischen Koalition mit dem PD wünschen. „Die Alleinregierung der SVP wurde abgewählt“, sagt Wahlsiegerin Ulli Mair. „Und es ist offensichtlich, dass die Wähler einen dritten deutschsprachigen Partner in der Regierung haben wollen – wer auch immer das dann ist.“
Mair: Keine großen Schnittmengen mit Freiheitlichen
Wie groß sind die Chancen, dass nach dem Wahltriumpf der Freiheitlichen aus den Konsultationsgesprächen mit Kompatscher mehr werden könnte? Vor allem nachdem der designierte Landeshauptmann nach dem ursprünglichen Korb zu Beginn des Wahlkampfs bereits in den vergangenen Wochen vom „Njet“ gegenüber ihrer Partei zurückgerudert ist? „Natürlich werden wir sehen, ob es einen gemeinsamen Nenner gibt“, sagt Mair. Doch primär seien solche Konsultationen Höflichkeitsgespräche, die es auch mit Durnwalder nach jeder Wahl gegeben hätte. „Und auch wenn natürlich jede Oppositionspartei irgendwann das Ziel hat, Verantwortung zu übernehmen: Soweit ich die politischen Inhalte der SVP kenne, glaube ich nicht, dass sich dabei riesengroße Schnittmengen ergeben werden.“
Neue Macht für den PD
Doch auch alle anderen Koalitionsmöglichkeiten haben einen Haken, mit dem die Volkspartei nach dem Verlust der absoluten Mandatsmehrheit erst einmal umzugehen lernen muss. Bleibt alles beim Alten, sprich bei einer Koalition mit dem PD, der nun voraussichtlich nur mit einem Landesrat in der neuen Regierung vertreten sein würde, wird die SVP erpressbar wie nie zuvor. Denn bei 17 Mandaten wären die beiden PD-Abgeordneten Bizzo und Tommasini bei jeder Entscheidung das Zünglein an der Waage.
Will sie sich nicht in diese Geiselhaft begeben, bleiben neben den Freiheitlichen vor allem die Grünen. Mit ihnen wäre zumindest theoretisch auch eine Koalition ohne PD möglich, wenn Riccardo dello Sbarba zum Landesrat gemacht würde, meint der ehemalige SVP-Obmann und Ex-Parlamentarier Siegfried Brugger. Dagegen spricht allerdings wiederum das Abkommen mit dem PD. Eine Dreier-Koalition mit den Grünen und PD würde dagegen einen klaren Linksruck mit sich bringen, der „von einem guten Teil der Sammelpartei nicht mitgetragen würde“, wie Brugger einschätzt. Die Chancen auf einen dritten Regierungspartner Freiheitliche würde schließlich schon allein am PD scheitern, der „bei solch einer Koalition nicht mitspielen würde“, so der langjährige SVP-Politiker.
Am Boden der Tatsachen
Ein verzwickte Situation, in dem wenig Platz für einen Freudentaumel über mehr als 80.000 Vorzugsstimmen bleibt. „Ich beneide Kompatscher nicht“, meint denn auch Siegfried Brugger. „Denn auch seine Vorzugsstimmen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Erneuerungsschub nicht ausreichend war, um das zu erreichen, was wir wollten: die absolute Mehrheit.“ Ohne die hat es Arno Kompatscher ohne Zweifel von Beginn an schwieriger als seine Vorgänger. Doch genau darin liegt wohl die wahre Erneuerung.
Demokratie
Für diese verzwickte Situation gibt es sogar einen Namen, Demokratie! Und jetzt endlich muss auch die SVP nach deren Regeln regieren! Ich hoffe nur, die Südtiroler Parteien haben das nicht verlernt.
Antwort auf Demokratie von Manfred Gasser
Wunderschön auf den Punkt gebracht
...danke dafür. Das wäre mir nicht so eingefallen, aber es tut irgendwie gut.
Demokratie muss man üben und lernen. Wir sind mit der Demokratie noch nicht einmal auf dem halben Weg.
Und in der Südtiroler Politik sind wir erst recht ziemlich eingerostet- nach 65 Jahren Alleinherrschaft!