Politik | Corona-Krise

Geld und Grenzen

Österreich erwägt eine teilweise Öffnung zu Italien Mitte Juni. Indes verhandelt Südtirol mit Rom um die Finanzierung des Neustarts – mit dramatischen Worten.
Geldmünzen
Foto: Othmar Seehauser

Für viele bot das extra lange Pfingstwochenende samt sommerlichem Wetter eine willkommene Gelegenheit, den Sorgen der vergangenen Wochen zumindest vorübergehend zu entfliehen. Der Politik aber vergönnt die Corona-Krise samt Folgeerscheinungen weder am Pfingstmontag noch am Staatsfeiertag Pause. Dabei wurden in den vergangenen Tagen für Südtirol dies- und jenseits des Brenners wichtige Weichen gestellt. Wenn auch zaghaft.

 

Offene Steuerlöcher und Sezessionisten

 

Aufgrund der Corona-Krise rechnet man beim Land für 2020 mit etwa einer halben Milliarde Euro weniger an Steuereinnahmen. Ein großes Loch, das die Finanzierung öffentlicher Strukturen massiv gefährdet. Der Plan des Landeshauptmannes war es gewesen, die Aussetzung des Mailänder Abkommens zu erzielen. Laut der Finanzregelung von 2014 überweist das Land – laut Abkommen bis 2022 – jährlich einen Fixbetrag von 476 Millionen Euro zur Sanierung des Staatshaushaltes an Rom. Könnte Südtirol diese Summe einbehalten, wäre ein Großteil der entgangenen Steuereinnahmen gedeckt.

Diesen Deal aber hat die Regierung nicht akzeptiert – was wiederum den Landeshauptmann auf die Palme gebracht und zu dramatischen Aussagen aus dem Mund von Arno Kompatscher geführt hat. “Wir wollen nichts, außer dass uns die Ressourcen überlassen werden, um die Krankenhäuser offen zu halten. Wenn die Regierung keinen Kurswechsel vollzieht, weiß ich nicht, wie ich den Bürgern die Situation erklären soll und die Sezessionisten werden auf den Tischen tanzen, um zu feiern”, zitiert der Corriere dell’Alto Adige den Landeshauptmann am Wochenende. Er sieht nichts weniger als das Verhältnis zwischen Staat und Regionen auf dem Spiel.

Am Montag sollte eine Aussprache zwischen Regionen und Ministerpräsident Giuseppe Conte stattfinden. Dessen “Decreto Rilancio” sieht staatliche Unterstützungsmaßnahmen in der Höhe von 55 Milliarden Euro vor. Die Regionen hatten 5,5 Milliarden Euro davon für sich gefordert, am Ende wurden es nur 1,5 Milliarden, eine davon für die Regionen mit Sonderstatut. Die aber haben insgesamt “Mindereinnahmen von rund 3,1 Milliarden Euro geschätzt”, rechnet Kompatscher vor.

 

Geld nach und von Rom

 

Doch nun wird nachverhandelt. Und zwar an getrennten Tischen: Es wird zwei verschiedene Arbeitstische für die Regionen mit Normal- und jene mit Sonderstatut gebildet. So das Ergebnis der Videokonferenz am Montag, an dem anstelle von Conte Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri teilnahm. Arno Kompatscher, amtierender Präsident der Region Trentino-Südtirol, vertrat dabei alle Autonomen Regionen und Provinzen und somit rund neun Millionen Bürgerinnen und Bürger. Er betont: “Die Finanzierung der Regionen mit Sonderstatut beruht auf völlig anderen Abkommen mit dem Staat. Daher ist es auch wichtig, getrennt zu verhandeln.”

Mit Minister Gualtieri wurde vereinbart, sich auf technischer Ebene auf einheitliche Bewertungskriterien für die Mindereinnahmen zu einigen, die die Corona-Krise für die Regionen verursacht. “Auf deren Grundlage würde dann der Staat den Regionen die nötigen Mittel zum Ausgleich dieser Mindereinnahmen und zur Finanzierung der Dienste der öffentlichen Verwaltung für die Gesellschaft rückerstattet” – das habe Gualtieri versichert, berichtet der Landeshauptmann. Konkret bedeutet das: Südtirol wird die 476 Millionen aus dem Mailänder Abkommen an den Staat überweisen, der seinerseits aber eine außerordentliche Zahlung für die Abfederung der zu erwarteten Steuerverluste von circa 500 Millionen an das Land leistet.

 

Kompatscher zeigt sich vorsichtig optimistisch: “Wir haben einen grundsätzlichen Konsens gefunden. Nun aber ist es nötig, auf allen Ebenen – technisch wie politisch – hart an der Umsetzung zu arbeiten. Wir werden weiter auf ein zufriedenstellendes Resultat drängen.”

 

Kein Herz für Südtirol?

 

Ein solches wünscht man sich in Südtirol auch mit Blick über den Brenner – und zwar in der brennenden Frage, wann Österreich seine Grenzen zu Italien wieder öffnet. Am Mittwoch will die Bundesregierung darüber befinden. Bisher haben sich beide Regierungsparteien, ÖVP und Grüne, strikt dagegen ausgesprochen, in absehbarer Zeit die Reisefreiheit mit dem südlichen Nachbar wieder herzustellen.

Am Dienstag gab es ein Telefonat zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Philipp Achammer. Der SVP-Obmann hatte, ebensowenig wie der Landeshauptmann, in den vergangenen Tagen keine offenen Worte für Kurz’ Beharren auf die Grenzschließungen gefunden. Der Politologe Günther Pallaver spricht in diesem Zusammenhang von einem “Ende des Südtiroler Wunschkonzerts”.

“Wenn Südtirol irgendein Problem mit Rom hat, ruft es Österreich an. Und Österreich interveniert. Denn Südtirol ist für alle österreichischen Parteien eine ‘Herzensangelegenheit’. In der Regel geht es zu wie bei einem Wunschkonzert: Südtirol wünscht, Österreich spielt. Und plötzlich sagt Österreich Nein zur Grenzöffnung. Das hat Südtirol tief getroffen, weil damit eine scheinbar konsolidierte Usance gebrochen wurde, von Wien in allen Angelegenheiten unterstützt zu werden. Das schmerzt vor allem die Südtiroler Volkspartei, die Kurz als ihren großen Freund betrachtet”, schreibt Pallaver in einem Gastkommentar für den Standard.

 

Südtirol, nicht Italien?

 

In dem Telefongespräch mit Achammer habe der Bundeskanzler die positive gesundheitliche Entwicklung in Südtirol hervorgestrichen und “bekräftigt, dass Österreich zur Wiederherstellung der Reisefreiheit mit Italien bereit sei, sobald die epidemiologische Entwicklung es zulasse – falls möglich sogar schon Mitte des Monats”. Das teilt die SVP in einer Aussendung mit.

In Österreich glaubt man nicht daran, hält eine Öffnung zu ganz Italien weiterhin für “kaum vertretbar”. Die Regierung erwäge vielmehr, Reisen in einzelne italienische Regionen bereits Mitte Juni wieder zu ermöglichen. Das habe man aus Regierungskreisen erfahren, schreibt Die Presse am Dienstag. Doch weiter heißt es: “Wie sich eine solche Differenzierung administrieren lassen soll und ob auch für Südtirol keine Beschränkungen mehr gelten sollen, ist fraglich.”

Aus der SVP heißt es hingegen, dass Kurz den Vorschlag, “wonach gegenüber Südtirol und jenen Regionen geöffnet werden könne, welche eine positive epidemiologische Entwicklung vorweisen könnten” für “denkbar” halte. Fahrten in grenznahe Regionen wie Südtirol, Friaul oder Veneto könnten für Österreicher bald möglich werden. In die Lombardei soll es wegen der noch relativ hohen Infektionszahlen bis auf weiteres keinen Reiseverkehr geben.

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Profil für Benutzer Johann Georg Bernhart
Johann Georg B… Mi., 03.06.2020 - 08:22

Frau Gasser,ein recht informativer Beitrag,wie es am Ende ausschaut ist abzuwarten,die Bevölkerung ist verunsichert,Wem kann man noch glauben??
Jetzt hat man hautnah gesehen und miterlebt was Südtirol für Österreich wert ist
Italien hat schon genug Sorgen und muss schauen wie es weitergeht. EU verspricht Hilfen,nur wie ist noch unklar, diese Situation belastet die Regierung,jede Region fordert ,jede Region versucht das maximun herauszuholen, es wird für alle schwierig werden.

Mi., 03.06.2020 - 08:22 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Fr., 05.06.2020 - 09:56

Es ist schon erstaunlich wie sich unsere SVP Gurus in Schweigsamkeit hüllen um ja nicht Österreich und den "FREUND" KURZ??? zu beleidigen.Am 15 Juni ist dann alles ausgesessen???Aber nicht vergessen,meine Herrschaften. Solche "das eigene Hemd ist mir am nächsten Aktionen von Österreich" kann man nicht tolerieren! The day after-wird kommen!

Fr., 05.06.2020 - 09:56 Permalink