Kultur | Salto Afternoon

Rot oder rosig?

Seit Ende Juli können Künstlerinnen und Künstler im Rahmen des 2. Maßnahmenpaketes um eine Künstlerförderung ansuchen. Nicht alle. Aber wie viele? Ein Zwischenbericht.
Night of Light: Jugend- und Kulturzentrum UFO Bruneck
Foto: Gunther Niedermair

Der experimentelle Musiker und Künstler Manuel Oberkalmsteiner sagt es klar und deutlich: „Es geht weniger um fehlende Wertschätzung für meine Kunst und Musik, sondern wie starr und unzeitgemäß wir uns immer noch bewegen.“ Oberkalmsteiner spricht zu den – aus seiner Sicht – unglücklichen Kriterien für den Anspruch an Coronahilfen im Bereich Kunst und Kultur. Die Kriterien würden in aller Deutlichkeit zeigen, dass zeitgemäße „Arbeitsmodelle in Form von Teilzeit und multiple Jobs und Einkommen, zwar in vielen Bereichen Realität und weit verbreitet sind, aber wo“, fragt sich Oberkalmsteiner „finden sie Berücksichtigung?“
Warum fallen er und andere Künstler*innen aus der Covid-Künstlerhilfe oder dem INPS-Bonus raus, nur weil sie zusätzlich einem Teilzeitjob nachgehen?
„Tatsache ist“, sagt Oberkalmsteiner, „dass viele großartige Künstler*innen nicht allein von ihrer Kunst leben und auf ein Nebeneinkommen angewiesen sind. Sie haben dadurch keinen Anspruch auf Hilfsmaßnahmen und blicken in eine unsichere Zukunft.“ Der Sozialpädagoge und Mitarbeiter im Forum Prävention hat zwar als Beirat für kulturelle Fördermaßnahmen (Bereich Musik) sogar einen direkten Draht ins Amt für Kultur und in den Kulturförderbereich, doch dieser scheint ihm in der aktuellen Situation wenig zu nützen – Oberkalmsteiner ist einer jeder Künstler, die aus dem Förderkorsett fallen. 



„Man hat in Anlehnung an die staatlichen Zuwendungen schnell handeln müssen – und natürlich wurde das erste Maßnahmenpaket beim Lockdown Anfang März über Nacht geboren. Es passierte ja nichts mehr im öffentlichen Leben“, erinnert sich der Beamte Volker Klotz an die Tage und Wochen im Frühjahr, als der 600-Euro-Bonus zur Förderung für Künstler und Künstlerinnen in Windeseile in die Medien und an die Künstler gebracht werden musste.
„Es sollte und soll bewusst keine Sozialmaßnahme sein, weil das auch nicht die Aufgabe eines Kulturamtes ist“, betont die Beamtin Angelika Gasser vom Amt für Kultur, „aber wir sind natürlich in der Situation, dass wir aufgrund der bestehenden Rechtsgrundlagen etwas auf die Beine stellen können“. Seit Monaten melden sich im Amt Künstler und Künstlerinnen, die sich in existenzieller Not befinden, auch jene, die aufgrund von Covid-19 nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten können.

Wir haben keine Lobby, keine Gewerkschaft, keine Stimme die sich gebündelt für unsere Anliegen stark macht. 
(Manuel Oberkalmsteiner)

Mit dem zweiten Maßnahmenpaket hat man sich nun vorgenommen, die Fehler vom Frühjahr nicht zu wiederholen. Gleichgeblieben ist die Forderung, dass Künstler und Künstlerinnen ihre Arbeit belegen müssen, rückwirkend und auch vorausschauend. So sollen beispielsweise Kulturschaffende über verschiedene Kanäle vermittelt und präsentiert werden. Damit dies gelingt, wurden eine Mittelsfrau und ein Mittelsmann engagiert, die ihrerseits gute Kontakte zum Landesrat und in die freie Szene haben: Kunigunde Weissenegger (Kulturnetzwerkerin und Kulturpublizistin) und Hannes Egger (Künstler und LanaLive-Macher). Die gewünschte Vermittlungsarbeit soll an neue Strukturen vermitteln, etwa in die BASIS nach Schlanders, in das Astra nach Brixen oder in die Kunsthalle Lana. „Wir wollen die Kulturlandschaft mit neuen Inhalten bestücken“, sagt Gasser, „um Raum zu schaffen und Kultur stärker zu spielen.“
Aber ist dieses Dirigieren überhaupt die Aufgabe eines Amtes, eines Landesrates? Oder will man einfach nur im Kulturbereich den Ton angeben, aus Angst die freie Kulturszene könnte sich nicht im Sinne der konservativen Kulturhaltung der jeweiligen Landesräte entwickeln? Zwei Beispiele der nahen Vergangeneheit belegen, wie von oben herab gedachte Kulturpolitik zum Scheitern verurteilt ist: die hausinterne Zeitschrift NUJ und das Jugendkulturhaus in der Bozner Goethestraße. Für beide Projekte war genügend Geld da, es fehlte aber die Basis und vor allem fehlte es an Ideen. Auch im italienischen und ladinischen Kulturbereich gibt es genügend ähnliche Beispiele – Inhouse schafft Kontrolle.


Seit Ende Juli – und bis Ende September – können Künstlerinnen und Künstler ein erneutes Ansuchen an das Amt für Kultur stellen. Bis jetzt sind rund 335 Ansuchen eingegangen (Stand 24. August). Davon suchen 70 Prozent der Antragsteller*innen im Bereich der deutschen Kulturförderung an, 20 Prozent beim italienischen Kulturamt und rund 10 Prozent beim ladinischen Kulturamt.

„Wir müssen im Dialog bleiben, die kritische Auseinandersetzung suchen und ständig daran arbeiten, wie man sich besser aufstellen kann, um derartige Situationen zu meistern“, sagen Klotz und Gasser und merken an, dass sich die Künnstler und Künstlerinnen in Zukunft vielleicht „verstärkt gewerkschaftlich einbringen müssen“, wie es beispielsweise auch einige Musiker und Musikerinnen während der letzten Monate erkannt haben.
„Bereits während des Lockdown ist mir klar geworden, dass Südtirols Musiker*innen, im Gegensatz zu den Theaterleuten oder den bildenden KünstlerInnen nicht organisiert sind“ sagt auch Manuel Oberkalmsteiner: „Wir haben keine Lobby, keine Gewerkschaft, keine Stimme die sich gebündelt für unsere Anliegen stark macht. Dieses Versäumnis müssen wir nun unbedingt nachholen.“

Was aber, wenn die Kultur-Million nicht aufgebraucht wird, da die Anforderungen zu streng und zu wenig zeitgemäß waren? Vielleicht erscheint ja eine neue NUJ.