Ich gestehe: Ich war’s. Ich bin der Täter. Ich bin an allem schuld.
Wahrscheinlich leide ich an einer unheilbaren Krankheit: Ich glaube an die Aufklärung und die Vernunft, an eine Diskussions- und Streitkultur, die hart, kontrovers, aber mit offenem Visier geführt wird. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der, der öffentlich austeilt, auch öffentlich einstecken muss. Wobei ich aus eigener Erfahrung weiß, dass das nicht leicht ist.
In den Zeiten von Corona gilt das alles aber anscheinend nicht mehr. Deutlich macht das die Diskussion, die derzeit auf dieser Onlineplattform, auf Facebook und Twitter geführt wird. Der Sündenbock dabei: Salto.bz.
Stellen Sie sich vor, dieses Onlinemedium hat sich erlaubt, einen Meraner Erleuchteten als User zu sperren, nachdem er uns in mehreren langen Blogbeiträgen und Dutzenden Kommentaren in die weite Welt der Corona-Skeptiker, Stammtischimmunologen und Weltversteher eingeführt hat.
Diese Salto-Redaktion muss eine ganz miese Brut sein.
Doch nicht genug damit. Da gibt es einen jungen Südtiroler Wissenschaftsjournalisten, der eigentlich für Die Zeit, Spiegel und NZZ schreibt, und sich mutig auf Salto.bz und überall im Netz den (nicht nur) lokalen Verschwörungstheoretikern, Fake-News-Produzenten und Pseudowissenschaftlern mit der Feder in der Hand in den Weg stellt. Die Folge: Er wird, wie er mehrfach darlegt vom erwähnten Corona-Skeptiker auf Facebook und Twitter gestalkt. Ja, sogar Drohanrufe soll es gegeben haben.
Und was tut Salto? Es lässt den Wissenschaftsjournalisten einfach im Regen stehen. Die Redaktion beschäftigt sich mit so etwas Unwichtigem wie den Gemeinderatswahlen oder dem Maskenskandal, anstatt auf seine Hilferufe umgehend zu antworten. Selbst dem insistenten Ersuchen, die Beiträge seines Widersachers unwiederbringlich zu löschen, kommt man nicht stante pede nach.
Diese Salto-Redaktion muss eine ganz miese Brut sein.
Der Anfang der Geschichte
Angefangen hat alles mit
einem offenen Brief einer Gruppe von Ärztinnen und Ärzten, die in einem Schreiben an den Landeshauptmann und die Landesregierung einen Paradigmenwechsel der Politik in Sachen Covid-19 gefordert haben. Der Brief, den innerhalb weniger Tage über 2.000 Südtiroler und Südtirolerinnen unterzeichnen, führt in den Kommentarspalten auf Salto zu einer langen und hitzigen Diskussion.
Es meldet sich der junge, bei der Europäischen Akademie beschäftigte „Informatiker und Wissenschaftsjournalist“ mit dem Ansinnen, eine Entgegnung zum offenen Brief anhand eines Faktenchecks zu machen. Der junge Mann ist sympathisch und gescheit. Ich stelle von vorneherein klar, dass Salto für keinen Gastbeitrag bezahlt.
Der Autor watscht in seinem Beitrag die Ärzte im wahrsten Sinne des Wortes ab. Und er provoziert ordentlich.
Bereits am nächsten
Tag erscheint der Artikel. Es ist eine Mischung aus Faktencheck und offener Polemik. Der Autor watscht in seinem Beitrag die Ärzte im wahrsten Sinne des Wortes ab. Und er provoziert ordentlich. Das macht allein schon sein selbstverfasster Lebenslauf deutlich, wo es sich als „Wissenschaftsjournalist mit angeborener Bullshit-Allergie. Er recherchiert gerade über Pseudowissenschaften wie Homöopathie, anthroposophische Medizin und sonstiges Geschwurbel“ vorstellt. Auch sein Incipit „Ok, Boomers“ ist, nun ja, bemüht provokant, aber lassen wir das. (Ehrlich gesagt: Meine erwachsenen Kinder mussten mir erst erklären, was damit gemeint ist).
Ich denke mir: „Nicht schlecht, der junge Mann hat ein gesundes Selbstvertrauen“. Aber wenn einer für Zeit, Spiegel und NZZ schreibt, dann wird das halt so sein. Und mir gefällt Polemik sowieso besser als langweilige Schreibe.
Doch dann bricht irgendwie der dritte Weltkrieg aus.
Die Sperrung
Der Meraner Masseur schreibt insgesamt 70 Kommentare auf Salto.bz. Dazu noch fünf überlange und ausführliche Artikel, in denen er seine Weltsicht zum Besten gibt. Nachdem der User tagelang fast in jedem zweiten Kommentar den Wissenschaftsjournalisten angreift, schreitet das Salto-Community-Management ein:
„Sehr geehrter Herr XXXX Sie haben jetzt mit mehreren Dutzend Kommentaren und einem der längsten Beiträge in der Salto-Geschichte auf den Beitrag von XXXX repliziert. Das dürfte reichen! Salto.bz ist keine Spielweise, um unendliche persönliche Streitigkeiten auszutragen, über Facebook-Sperrungen zu lamentieren oder sich gegenseitig andauernd verbal eines über die Rübe zu ziehen. In diesem Sinne ersuchen wir Sie, diese inzwischen mehr als ausgereizte Diskussion zu beenden. Es gibt sicher andere Möglichkeiten als Salto.bz, um diese persönliche Fehde fortzuführen.“
Weil die Diskussion immer abstruser wird, zieht Salto die Notbremse.
Am 31. August schreibt das Salto-Community-Management:
"Sehr geehrter XXXX, sehr geehrte Community,
Meinungsfreiheit ist eines der wichtigsten Grundrechte in einer Demokratie, dem Salto.bz sich besonders verbunden fühlt. Deshalb veröffentlichen wir auch immer wieder Community-Beiträge, die nicht unserer Blattlinie entsprechen.
Das gilt natürlich auch für das Thema Corona. Wir haben Dutzende von kritischen Beiträgen veröffentlicht, die sich mit den Auswüchsen dieser Krise, den eingeschränkten Bürgerrechten und mit Themen beschäftigen, die in den meisten traditionellen Medien zu kurz kommen. Salto.bz soll aber nicht als Plattform der Corona-Leugner und der neuen Rechten missbraucht werden. Wir denken, dass Sie, Herr XXX, inzwischen ihren Standpunkt in Dutzenden von Kommentaren und einigen Blogs dargelegt haben. Es ist jetzt Zeit zum Durchatmen.
In diesem Sinne ersuchen wir Sie und Ihre Gesinnungsgenossen, diese Plattform nicht mit ihren Überzeugungen und persönlichen Auseinandersetzungen zuzupflastern. Wir schließen deshalb diesen Kommentarbereich und behalten uns die Sperrung einzelner User vor.
In der Hoffnung, dass es nicht soweit kommen muss."
Nach einigen wütenden Kommentaren macht der User das Angebot, freiwillig zurückzutreten. Salto nimmt dieses Angebot dankend an und sperrt den Meraner Masseur.
Die zweite Runde
Dass die leidige Debatte damit ein Ende findet, erweist sich aber als Illusion.
Nach dem Auftritt des Internisten und Onkologen Walter Weber Ende August im Bozner Waltherhaus schreibt der junge Wissenschaftsjournalist einen weiteren Gastbeitrag für Salto.
Unter dem Titel
„Dr. Web - Hiesige Coronaleugner laden einen Arzt ein, um ihr Weltbild wissenschaftlich anzuhauchen. Doch der Experte hat nur Halbwahrheiten, Panikmache und Netzgerüchte im Gepäck“ schaut er dabei sehr geschickt hinter die Kulissen der Veranstaltung und des Redners.
Am vergangenen Sonntag erscheint auf Salto dann eine Entgegnung zu diesem Artikel: „Dr. Wer? - Hiesige Genossenschaft lädt einen "Wissenschaftsjournalisten" ein, um ihr Forum "wissenschaftlich anzuhauchen". "Doch der Experte hat nur Halbwahrheiten" im Gepäck“. Es ist ein Frontalangriff auf Salto.bz und den Südtiroler Wissenschaftsjournalisten. Gezeichnet mit dem Pseudonym „Der Unbequeme“. Schnell wird klar, dass sich dahinter der Meraner Masseur verbirgt. Der Account wird umgehend gesperrt und der Artikel offline gestellt.
Ende gut, alles gut?
Weit gefehlt. Denn längst taucht ein anderes Problem auf. Der junge Wissenschaftsjournalist beklagt weiterhin, von seinem Meraner Widersacher gestalkt zu werden. Salto hat den Meraner User inzwischen auf der Facebookseite blockiert, Kommentare entfernt.
Gleichzeitig verlangt der Wissenschaftsjournalist, dass der Artikel des Meraner Masseurs ebenfalls gelöscht wird, mit dem dieser auf seinen Faktencheck erwidert hat. Dieser Beitrag sei für ihn rufschädigend. Wir lassen alle Texte von unserem Anwalt prüfen. Dessen Antwort: Es werde hier von beiden Seiten hart ausgeteilt, doch rufschädigende Aussagen könne er keine erkennen. Die Entscheidung teilt die Chefredakteurin dem jungen Autor freundlich mit.
Seine Reaktion in einem öffentlichen Salto-Kommentar am Mittwoch:
„In eigener Sache: Hiermit verabschiede ich mich von Salto.bz, für die Art und Weise, wie persönliche Angriffe sowohl hier als auch auf der Facebook-Seite mehrfach toleriert und unmoderiert bleiben und Fake News-Quellen eine Plattform geboten wird.
Sie lesen von mir dort, wo man sich um seine Autoren anständig kümmert. Alles Liebe einstweilen.“
Nachdenkpause
Einen Reisenden soll man ziehen lassen. Was aber nicht angeht, ist, dass der junge Mann sich jetzt als Opfer hochstilisiert, der vom bösen „Salto“ ausgebeutet wurde. So verkündet er auf Twitter:
„Wenn ein Portal zwar Deine Gratis-Kolumnen für die Klicks mag, es dann aber zulässt, dass Dich die braunen Schwurbler auf deren Seiten "Brandstifter", "tendenziös", "verzerrend" und "selbsternannt" nennen. Wow. Bye forever“.
Einer, der in so großen Medienhäusern ein- und ausgeht, sollte eigentlich den Unterscheid zwischen einer bezahlten journalistischen Auftragsarbeit und dem Beitrag eines Selbstanbieters kennen. Auch dann, wenn er glaubt, die Welt warte nur auf (s)eine Botschaft.
Salto geht mit seinen Autoren so um, wie wir alle unsere Gäste behandeln. Mit Respekt, offen und fair. Aber ein Gast sollte sich auch wie ein Gast zu benehmen wissen. Händchenhalten gehört nun mal nicht zur Aufgabe einer Redaktion.
Wer in den Boxring steigt und einen Schlag nach dem anderen austeilt, sollte nicht den Knieschlatterer kriegen, wenn er einen auf die Nase zurückbekommt.
Wer in den Boxring steigt und einen Schlag nach dem anderen austeilt, sollte nicht den Knieschlatterer kriegen, wenn er einen auf die Nase zurückbekommt. Vor allem aber sollte man die Verhältnismäßigkeit nicht aus den geschwollenen Augen verlieren.
Ich stehe am übernächsten Montag dem Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer und seinen Anwälten gegenüber, die 300.000 Euro von mir und Salto fordern. Nach dem Koordinatensystem des jungen Wirtschaftsjournalisten müsste ich zumindest die Vereinten Nationen anrufen.
Cool down, Girls & Boys! Nehmen wir uns nicht zu wichtig. Bleiben wir mit den Füßen auf dem Boden.
Am Ende könnte alles gut ausgehen: Der junge Autor hat bereits eine neue journalistische Plattform gefunden. Am Donnerstag ist ein langer Artikel von ihm im Wochenmagazin FF erschienen. Die 40-jährige Damen dürften seinem gehobenen Niveau wohl eher entsprechen.
Wer weiß, vielleicht wechseln mit ihm ja auch der Meraner Erleuchtete und sein Gefolge dorthin.