Chronik | Covid 19

Blitzanalyse von "Südtirol testet"

Am 22.11.2020 um 20 Uhr wurde der historische Covid-Massentest in Südtirol abgeschlossen. Es folgt eine kurze Analyse:
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Es ließen sich insgesamt 343.227 Südtiroler testen, 3185 davon erhielten einen positiven Testbefund.

Die beiden eingesetzten Tests haben eine sehr gute Spezifität und eine gute Sensitivität. In Zusammenschau von Sensitivität, Spezifität, der Gesamtzahl der Getesteten und der Anzahl positiver Tests ist es möglich, die Prävalenz zu berechnen.

Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Prävalenz ließe sich direkt aus der Anzahl positiver Tests und der Gesamtanzahl der positiv Getesteten errechnen und würde somit bei 0,9 % liegen. Dies ist aber ein Trugschluss, da jeder klinische Test bei ungezielter Anwendung auch falsch positive und falsch negative Befunde liefert.

Daher ist es notwendig, die Prävalenz in Abhängigkeit von Sensitivität und Spezifität zu errechnen.

Wir wissen, dass die Summe aus korrekt positiven Tests und falsch positiven Tests 3185 beträgt, was 0,9279 % entspricht. Dadurch wird es möglich, die Prävalenz P zu errechnen und zu ermitteln, wie viele falsch positive und falsch negative Tests statistisch zu erwarten sind.

Formel:

Anzahl positiver Tests in Prozent (bekannt: 0,9279 %, n=3185)= Rot+Gelb

 => 0,009279= [0,95*P]+[(1-0,996)(1-P)]

Hierbei zeigt sich eine Prävalenz von etwa 0,58 Prozent.

Rechnet man mithilfe der Prävalenz, Sensitivität und Spezifität den Anteil falsch positiver und falsch negativer Tests aus, ergibt sich folgendes Bild:

Wie kann man diese Zahlen nun interpretieren?

Die Vierfeldertafel zeigt allerdings auch einen Konstruktionsfehler des Massentests auf: Der positive prädiktive Wert ist trotz sehr hoher Testqualität aufgrund der niedrigen Prävalenz sehr niedrig. Der positive prädiktive Wert (PPV) sagt aus, wie wahrscheinlich ein positiver Testbefund auch richtig positiv ist. Bei Massentests ist dieser Wert naturgemäß niedrig.

Im aktuellen Fall ist davon auszugehen, dass 1365 Südtiroler einen falsch positiven Testbefund bekommen haben und nun zusammen mit ihren Angehörigen unnötig in Quarantäne müssen, wie Generaldirektor Zerzer heute im Radio anmerkte.

Diesbezüglich ist an den Sanitätsbetrieb zu appellieren, bei diesen Leuten einen Kontrolltest z.B. mittels PCR durchzuführen. Dies ist auch bei Screeningverfahren im medizinischen Bereich das Standardvorgehen, z.B. bei HIV-Screenings.

Ich persönlich bin gespannt, wie das Testergebnis auf politischer Ebene ausgelegt und interpretiert wird. Die hohe Teilnehmerzahl ist als Erfolg zu werten. Auch die oft gescholtenen „Coronaleugner“ und „Covidioten“ scheinen gar nicht so ein großes Problem zu sein.

Die Prävalenz liegt deutlich niedriger, als Landesregierung und Sanitätsbetrieb angenommen haben. Einerseits ist das erfreulich, denn die Kontaktverfolgung scheint sehr gut zu funktionieren. Andererseits ist die niedrige Prävalenz ernüchternd, denn man kann schon ein mulmiges Gefühl bekommen, wenn das Gesundheitswesen bereits bei so niedrigen Werten an seine Grenzen kommt.

Quellen für Testsensitivität und -Spezifität:

http://www.provinz.bz.it/sicherheit-zivilschutz/zivilschutz/coronavirus-suedtirol-testet.asp?somefaq_page=3#anc484