Wirtschaft | Wintertourismus

Schnee von morgen

Der Start der Skisaison 2020/21 steht in den Sternen. Kommt ein europaweites Skiurlaub-Verbot? In Südtirol sind indes nicht alle für die Öffnung.
Skilift
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

Wann, wie und ob überhaupt kann die Skisaison 2020/21 starten? Um diese Fragen ist nicht nur in Italien eine heftige Debatte entstanden. Ministerpräsident Giuseppe Conte hat am Montag Abend in der Polit-Talkshow “Otto e mezzo” von Lilli Gruber gesagt, ein Weihnachten auf Skiern sei aufgrund der laufenden zweiten Corona-Welle schwer vorstellbar. “Il periodo natalizio richiede misure ad hoc. Si rischia altrimenti di ripetere il ferragosto e non ce lo possiamo permettere: consentire tutte occasioni di socialità tipiche del periodo natalizio non è possibile.” Eine Öffnung der Skigebiete sei frühestens am 10. Jänner möglich, präzisierte Conte im Interview mit der Tageszeitung Repubblica. Dafür wolle er sich auf europäischer Ebene einsetzen. “Con Merkel e Macron in Europa stiamo lavorando ad un protocollo comune europeo. Non è possibile consentire vacanze sulla neve, non possiamo permettercelo. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder fordert ein europaweites Verbot von Skiurlaub. Österreich hingegen ist nicht dafür und fordert im Falle eines Ski-Stopps an Weihnachten Entschädigungszahlungen der EU.

 

Kein Betrieb ohne Touristen

 

Ohne auswärtige Gäste – aus dem Ausland und anderen italienischen Regionen – ist die Skisaison unmöglich. “Dann gibt es keinen Markt, und kein Unternehmen sperrt ohne entsprechende Nachfrage auf”,  weiß man beim HGV, der eine Öffnung der Hotels am 18. Dezember fordert. Ob die Tourismusbetriebe auch tatsächlich arbeiten könnten, hänge von der Reisefreiheit ab, meinte Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag, als er im Landtag über die laufenden Verhandlungen berichtete. “Man will verhindern, dass eine Öffnung zur nächsten Welle führt.” Eine Option, die der Landeshauptmann in den Raum stellt, ist, dass Seilbahnen und Lifte für den Skibetrieb öffnen, Beherbergungsbetriebe aber weiter geschlossen bleiben. “Aufstiegsanlagen werden auch von Einheimischen genutzt.” Doch für die allermeisten Skigebiete im Land würde die Rechnung nicht aufgehen. Außerdem wäre dazu, falls die Regierung die Öffnung nicht erlaubt, ein eigenes Landesgesetz notwendig.

Noch steht nicht fest, wann Bewegungen zwischen den italienischen Regionen wieder möglich sind. In jene, die vom Gesundheitsministerium als “zone rosse” eingestuft werden, ist es nicht erlaubt, aus touristischen Gründen ein- oder auszureisen. Zugleich bremste Kompatscher auch die Erwartungen, dass im Falle eines Ausfalls der weihnachtlichen Winter- und Skisaison finanzielle Unterstützung vom Staat gebe. “Im Tourismus wird es keinen Ausfallersatz wie in anderen Branchen geben – dafür würde es hunderte Milliarden Euro brauchen.”

 

Nicht alle wollen Öffnung

 

Die Südtiroler Skigebiete bereiten sich indes tatkräftig auf die Saison vor. Erst Anfang der Woche hat die Staat-Regionen-Konferenz auf ein Sicherheitsprotokoll für die Öffnung der Skianlagen geeinigt. Die Richtlinien wurden von Vertretern der Länder und Regionen Südtirol, Trient, Aostatal, Piemont, Lombardei, Venetien und Friaul-Julisch-Venetien sowie dem italienischen Wintersportverband FISI erarbeitet. “Wir sprechen uns dafür aus, dass auch das technisch-wissenschaftliche Komitee CTS dieses Sicherheitsprotokoll gutheißt”, meint Andy Varallo, Präsident von Dolomiti Superski, das zwölf Skigebiete und 450 Lifte in Südtirol, Trentino und im Veneto vereint. “Weiters hoffen wir, dass die Regierung der Bedeutung des Wintertourismus Rechnung trägt, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht mit den bedeutenden, generierten Kennzahlen bei Umsatz, Investitionen, Löhnen, Gehältern und Steuern, sondern auch wegen der sozialen Bedeutung. Tausende von Familien hängen vom Wintertourismus ab, sowohl direkt im Seilbahnbereich als auch in der gesamten Branche mit der Hotellerie, der Gastronomie, dem Handel, den Zusatzdiensten und dem Transportsektor. Dank des Wintertourismus sind die Bergtäler weiterhin bevölkert und den Berggebieten einen baldigen Start in die Wintersaison zu ermöglichen bedeutet Leben für viele Menschen. Das Freizeitvergnügen für viele Skibegeisterte betrachten wir erst in einem zweiten Moment.”

Schützenhilfe bekommen die Skigebiet-Betreiber von Michl Ebner. Als Präsident der Handelskammer hat er ein Schreiben an Ministerpräsdient Conte aufgesetzt. Ebner widerspricht dessen Aussage, die zweite Corona-Ansteckungswelle im Herbst sei auf die Ferien an Ferragosto zurückzuführen, was Conte als Grund dafür genannt hatte, Skiurlaube zu verbieten. “Die Ansteckungen sind erst Mitte Oktober, also ganze zwei Monate nach Maria Himmelfahrt, rasant angestiegen”, so Ebner. “Außerdem sind Aufstiegsanlagen rechtlich den anderen öffentlichen Verkehrsmitteln gleichgestellt. Wenn man die Nutzung von Seilbahnen und Sesselliften verbietet, muss man auch den Bus-, Bahn- und Flugverkehr einstellen.” Skifahren sei ein Sport, der im Freien ausgeübt wird, ohne Kontakt zu anderen Personen “und somit relativ sicher”, meint der Handelskammerpräsident. Skiurlaube zu verbieten gehe “weit über das Ziel hinaus”.

Bergsteigerlegende Reinhold Messner kann den Plänen Contes hingegen viel abgewinnen. Die Skipisten – falls es die Ansteckungszahlen erlauben – erst im Jänner zu öffnen, sei keine Wahl, sondern eine Pflicht, sagt Messner zu Repubblica. “Zuerst Gesundheit und Bildung, dann der Rest. Die Prioritäten so festlegen, wäre das größte Geschenk, das die Institutionen den Bürgern zu den Feiertagen machen könnten”, ist Messner überzeugt.

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Arne Saknussemm Mi., 25.11.2020 - 10:46

Daß Wirtschaft und Profit der allgemeinen Gesundheit oder gar dem Überleben von Menschen vorgezogen wird, wissen wir mittlerweile. Allerdings frage ich mich, wer in solche Zeiten noch an Skiurlaub denkt?

Mi., 25.11.2020 - 10:46 Permalink
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Georg Holzer Mi., 25.11.2020 - 10:51

Seit dem Frühjahr wissen wir was uns diesen Winter erwartet. In den Krankenhäusern werden Visiten, Behandlungen und OP's verschoben, da die Kapazitäten für Covid reserviert sind und die Erstehilfe nur noch für unaufschiebbare Notfälle besucht werden sollen und wenn die Skilifte öffnen, dann kommen täglich über 100 Verletzte in die Krankenhäuser, wie soll das funktionieren? Also sind die Skiunfälle (vermeidbar) oder doch die verschobenen Behandlungen wichtiger? Wieso hat die Sanität und Politik nicht reagiert? Die Gastronomie und die Liftbetreiber haben ein Konzept erarbeitet, wird auch umgesetzt, doch in der Sanität wohl nicht....

Mi., 25.11.2020 - 10:51 Permalink
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Elisabeth Hammer Mi., 25.11.2020 - 14:58

"Schnee von morgen" ist ein gut gewählter Titel. Möglicherweise bietet diese Krise eine Chance zum Umdenken gerade auch im Wintertourismus, der sich schon längst nicht mehr alleine auf die Skifahrer stützt. Skiurlaub ist zu einem Luxusprodukt verkommen, das sich nur noch wenige leisten können. Wenn die Betreiber der Lifte nun sagen, nur für die paar Einheimischen rentiert sich das ganze nicht, dann hängt das wohl auch damit zusammen, dass mittlerweile fast jede Piste den ganzen Winter über geschneit werden muss. Über die Skipass-Preise werden die Kosten auf die Kunden übertragen. Vielleicht sollten wir uns alle im Sinne eines "lentius, soavius, profondius" (Alexander Langer) darüber austauschen, wie ein nachhaltiges, ganzjähriges Tourismus-Konzept ausschauen könnte. Der Klimawandel wird seines dazu beitragen, dass wir immer häufiger grüne statt weiße Weihnachten erleben werden. Als wirklich passionierte Skifahrerin kann ich einer europaweiten Schließung der Skilifte einiges abgewinnen, einfach damit in den Krankenhäusern wieder Normalbetrieb einziehen kann und auch die Ärzte und Pfleger zumindest zu Weihnachten einige ruhige Tage nach den Herausforderungen des letzten Jahres genießen können.

Mi., 25.11.2020 - 14:58 Permalink
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Thomas Unterwinkler Mi., 25.11.2020 - 19:19

Bei allem Verständnis für diejenigen, die vom Wintertourismus leben: Welche Touristen sollen denn zu Weihnachten kommen? Deutschland wird mit Sicherheit weiter an seiner Linie festhalten, für Regionen mit einer 7-Tages-Inzidenz von über 50 Reisewarnungen auszusprechen. Reisewarnung heißt: Wer aus einer Risikoregion zurückkehrt, muss fünf Tage in Quarantäne, bevor er/sie sich (frei-)testen lassen kann.
Zur Erinnerung: Südtirol hat derzeit eine 7-Tages-Inzidenz von 600 (!!). Ich wäre froh, wenn wir bis Weihnachten 50 erreichen würden, aber realistischerweise ist das kaum möglich.
Und was Gäste aus dem Süden betrifft, wird es ebenfalls schwierig, sollten mehrere der Regionen, aus denen häufig Gäste kommen (Lombardei, Toskana), rote Zonen bleiben.

Mi., 25.11.2020 - 19:19 Permalink
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Georg Holzer Mi., 25.11.2020 - 19:32

wenn unsere Politiker und unsere Lobbies für di Öffnung der Skigebiete ein eigenes Gesetz beschliessen und ein autonomisches Gesetz beschliessen, dann bleiben wir halt rot... da hat Conte und Rom eine Trumpfkarte mehr in der Hand und dannnnnnn Skigebiete offen, Reiseverbot und mehr Verluste als zuzulassen, wer einen gesunden Betrieb hat wird überleben, die nicht gesund sind werden halt mit oder durch Corona nicht überleben, falsch gepokert oder Geldgeil... ;-)

Mi., 25.11.2020 - 19:32 Permalink