Gesellschaft | Gastbeitrag

Monopoli im Lehrerwunderland

Die Verhandlungen zum Lehrervertrag sind geplatzt. Für alle, die wissen wollen, was gespielt wird.
Lehrerwunderland
Foto: Privat
Man braucht Zeit, die Spielregeln zu durchschauen. 
Hinter dem, was zuerst nach Inkompetenz oder Versagen der Verhandlungsführung des Landes aussieht, steckt bei genauerem Hinsehen ein klares Programm. Erst am 27. März 2020 wurde in das „Omnibus-Gesetz“ ein zunächst harmloser Passus eingefügt, der vorsieht, unter dem Dach der „Rechtssicherheit“ ausgehandelte „Kollektivvertragsvorschläge“ der Prüfstelle des Landes zur Begutachtung vorzulegen. Das ist jetzt mit der Vereinbarung zum IT-Bonus für die Lehrkräfte geschehen. Und das nützen nun die den Vertrag endunterzeichnenden Bürokraten Alexander Steiner, Albrecht Matzneller und Co als Begründung, die zuvor von ihnen selbst verhandelte Textfassung für juridisch zweifelhaft zu halten und mit Verweis auf das Gespenst Rechnungshof platzen zu lassen.
Das Ganze ist ein Fallbeispiel für instrumentelle Gesetzgebung und Verwaltungswillkür, mittels der die Politik ihre Verantwortung an eine imaginäre Instanz delegiert, um bei der bisherigen Praxis der ungerechten Verteilung der Haushaltsmittel so weiter zu machen wie bisher. 
Das zu korrigieren wäre aber notwendig, um den von den Gewerkschaften berechneten Betrag von 80 Millionen für eine innerhalb von drei Jahren erreichbare Gleichbehandlung der Lehrpersonen staatlicher Art mit jenen der Landesberufsschulen zu garantieren.
 
 
Das Ganze ist ein Fallbeispiel für instrumentelle Gesetzgebung und Verwaltungswillkür, mittels der die Politik ihre Verantwortung an eine imaginäre Instanz delegiert, um bei der bisherigen Praxis der ungerechten Verteilung der Haushaltsmittel so weiter zu machen wie bisher. 
 
In Südtirol aber gilt alles, was nicht nach Unternehmertum aussieht, als Kostenfaktor und wird gedeckelt. Bildung, Schule, Kultur und Soziales stellen eine Gegenwelt zu jener der Ökonomie dar. Nur der letzteren wird ein privilegierter Zugriff auf den Landeshaushalt eingeräumt. Und welche Interessen sich durchsetzen, sieht man in der Debatte um die Raumordnung, bei der Förderung der Landwirtschaft mit jährlich 200 Millionen und seit der ersten Regierung Kompatscher bei der Senkung der Umsatzsteuer um jährlich 100 Millionen für Industrieunternehmen. Parallel dazu wächst die einseitige Vermögensbildung durch Kapital-, Boden- und Immobilienrenditen, sodass sich buchstäblich die Matthäus-Klage erfüllt: „Wer hat, dem wird gegeben.“
Und jetzt in der Corona-Krise, in einer Zeit außerordentlicher Herausforderungen, fehlt der Landesregierung die Sensibilität für die zahlreichen Disparitäten und ganz offensichtlich auch die Autorität, sich in der Flut von berechtigten und zahlreichen unverschämten Forderungen zu orientieren und ausgleichend zu handeln. Nachdem die Profite der Nuller- und Zehnerjahre privatisiert sind, geht man nun daran, die finanziellen Folgen der Pandemie auf alle zu verteilen. Und man lässt zu, dass ganz undifferenziert Gutverdiener und „Furbetti“ in den Hilfstopf greifen, der für die Geschädigten vorgesehen ist.
 
 
In Südtirol gilt alles, was nicht nach Unternehmertum aussieht, als Kostenfaktor und wird gedeckelt.
Nicht einzuhalten, was nach den allgemeinen Regeln der Gleichbehandlung den Lehrberufen zusteht und großteils ohnehin mit zehnjähriger Verspätung gar nicht mehr abgegolten werden kann, ist nichts anderes als ein Raubüberfall auf den Ressourcenhaushalt von Bildung und Schule. Man darf nicht glauben, dass das ohne Folgen bleiben wird. Aber der Preis dafür kommt in der Bilanz des Landeshaushalts heute noch nicht vor.
 

Der Oberschullehrer Markus Klammer ist einer der Sprecher der “LehrerInneninitiative Südtirol”, die mit der von über 3000 Betroffenen unterzeichneten Petition „Lehrerwunderland Südtirol?“ eine Neuorientierung in der Bildungspolitik und eine Besserstellung der Berufskategorie der Lehrer einfordern. Mitte Oktober kam es zu einer Aussprache zwischen Vertretern der Initiative mit Landeshauptmann Arno Kompatscher und dem Generaldirektor des Landes, Alexander Steiner. Nachdem die Verhandlungen zum neuen Lehrervertrag jetzt im allerletzten Moment gescheitert sind, denken die Initiatoren über konkrete Kampfmaßnahmen nach.

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Florian Hinteregger So., 29.11.2020 - 19:34

Die Lehrerinitiative ist ein Armutszeugnis für die Gewerkschaften! Offensichtlich muss sich eine kleine Gruppe von Lehrpersonen für die Bildung und den Lehrerberuf stark machen, von den verschiedenen Schulgewerkschaften hört man nichts. Dafür danke ich den Initiatoren und wünsche ihnen breite Unterstützung aus der Lehrerschaft. Das heurige Jahr hat sehr gut gezeigt, dass die Landesregierung für die Bildung und die Jugend nichts übrig hat. Maßnahmen, die einen stärkeren Druck auf die Verantwortlichen ausüben, sind an der Zeit.

So., 29.11.2020 - 19:34 Permalink
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Klemens Riegler So., 29.11.2020 - 19:51

Verstehe nicht ganz? „... die finanziellen Folgen der Pandemie auf alle zu verteilen. Und man lässt zu, dass ganz undifferenziert Gutverdiener und „Furbetti“ in den Hilfstopf greifen, der für die Geschädigten vorgesehen ist“. Ich hoffe nicht, dass mit „Geschädigten“ die LehrerInnenschaft gemeint ist.

So., 29.11.2020 - 19:51 Permalink
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Profil für Benutzer Barbara Pichler Rier
Barbara Pichler Rier Mo., 30.11.2020 - 11:56

Schon seit längerem verfolge ich das Bestreben der LehrerInnen, neue Kollektivverträge zu bekommen. Letzte Woche dann, konnte ich im Radio hören, dass die Verhandlungen gescheitert sind. Auch die Verhandlung darüber, ob die Lehrpersonen einen "einmaligen" Beitrag bekommen, damit sie sich ev. einen Computer kaufen, oder ein besseres Internet oder was auch immer sie in Zeiten vom Homeoffice brauchen, leisten können. Auch dieser Beitrag wurde ihnen jetzt nicht zugestanden. Es wird für die Meisten vielleicht logisch sein, dass Jeder und Jede einen Computer und schnelles Internet besitzen. In den meisten Fällen wird das auch so sein, aber selbstverständlich ist es nicht. Zurzeit ist es so, dass in Familien mit mehreren Kindern alle gleichzeitig Computer und Internet brauchen. Wäre es dann nicht selbstverständlich, dass Lehrer und Lehrerinnen ein Arbeitsgerät haben? Und ein schnelles Internet vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommen? Meine Nichte arbeitet bei einem grossen Landesverband, musste ins Homeoffice, hatte innerhalb von Stunden einen Computer und Internet (war noch nicht vorhanden, weil Neubau). Ich habe drei Kinder und gesehen was in der Schule geleistet wird, vor allem aber bin ich der Meinung, dass Schule und Bildung wichtig sind (in allen Bereichen!) und dass die Folgekosten einer vernachlässigten Jugend immens sein werden.

Mo., 30.11.2020 - 11:56 Permalink