Politik | Die nächsten Viren

Tofu statt Speck

Das Schweine-Corona-Virus SADS-CoV könnte die nächste Epidemie auslösen. Die meisten neuen zoonotischenKrankheitserreger haben einen idealen Humus: die Massentierhaltung.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Pigs
Foto: upi

Ist Ihnen das Borna-Virus bekannt? Unter anderen sind Eichhörnchenzüchter und Katzenbesitzer daran verstorben, aber bisher halt nur wenige. Schon bedrohlicher war die Entdeckung einer mutierten Form des Corona-Virus in dänischen Nerzfarmen. 15 Millionen Tiere mussten kurzerhand vernichtet werden, deren Kadaver jetzt wieder exhumiert wurden, weil sie das Grundwasser verseuchen könnten. Andere Viren lauern schon, die die nächste Pandemie auslösen könnten, wie das Schweine-Corona-Virus SADS-CoV. Eine Studie des UN-Umweltprogramms hat nachgewiesen, dass es auch menschliche Zellen infizieren kann. Und damit sind wir beim Schlüsselvorgang für die laufende Pandemie, der Zoonose. Dass laufend Viren von Tieren auf Menschen übertragen werden – Ebola, SARS, HIV, West-Nil-Fieber usw. – war bekannt, doch erst seit Corona ist bekannt geworden, dass gut drei Viertel aller neu beim Menschen auftauchenden Krankheitserreger zoonotisch sind.

Wenn die Zoonose derartige Folgen hat, reicht es denn bei der Vorbeugung bloß einige Wildtiermärkte in China zu schließen? Oder muss doch dort eingegriffen werden, wo die nächsten neuartigen Viren längst schon brüten? Wie in Dänemark ersichtlich ist die ideale Brutstätte der Viren die industrielle Nutztierhaltung. Der österreichische Lebensmittelwissenschaftler Kurt Schmidinger von futurefood.org nennt sechs Faktoren, die moderne Tierfabriken zu Epizentren für Pandemien werden lassen. Entgegen den Behauptungen der Tierfabriksbetreiber sind ihre Großfarmen offen und durchlässig wie ein Scheunentor. Millionen Tiere bewegen sich aus und ein, dazu Personen, Futter, Abwasser, Mist, Insekten, Abluft – alles kann die Viren nach außen tragen. In der Massentierhaltung erfolgt das genaue Gegenteil des „Abstandhaltens“. Zigtausende auf kleinstem Raum zusammengezwängte Schweine, Kälber, Hühner und Nerze bilden ideale Bedingungen für die Verbreitung. Bevor die Tiere am Virus sterben, haben sie einige hundert andere daneben angesteckt. Warum keult man sonst gleich alle 15 Millionen Nerze in Dänemark? Am Ende verlassen alle virenbelasteten Tiere die Tierfabriken. Der virenbelastete Feinstaub infiziert das Personal und dringt nach außen. Millionen Tonnen Exkremente landen auf den Feldern und infizieren andere Lebewesen. Wenn es, abgesehen von infizierten Menschen, Virenschleudern gibt, dann ist es die industrielle Massentierhaltung. 

An diesem Punkt kann es schon irritieren, dass die Regierungen im Zuge der Seuchenbekämpfung Milliarden Dollar (weltweit: Billionen) in die Hand nehmen, um das Gesundheitswesen aufzurüsten, die Bevölkerung durchzuimpfen und die Wirtschaftskrise zu bewältigen, aber nichts wirklich gegen die Massentierhaltung unternehmen. In Deutschland „leben“ Millionen Schweine in Kastenständen mit 65 x 200 cm: die arme Sau kann sich nicht umdrehen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon verwandelt sich anschließend in Südtiroler Speck. Nun hat man ihnen mit einer Übergangszeit von 8 Jahren einige Zentimeter mehr Platz und eine kürzere Dauer des Kastenstands zugestanden. Soll das die Viren bremsen?

In Südtirol wird argumentiert, dass es hier keine Massentierhaltung gäbe. Doch importiert Südtirol 70 Millionen kg Fleisch im Jahr, wovon die Hälfte in die Speckherstellung wandert (FF Nr.27/2020). Der hohe Fleischverbrauch der Inländer, der fleischintensive Tourismus, die florierende Speckindustrie machen uns zum Teil der Geschäftskette. Dieses Niveau an Tierkonsum geht weder mit Nachhaltigkeit noch mit Klimaschutz noch mit Tierwohl und auch nicht mit dem Schutz vor gefährlichen Krankheitserregern zusammen. Dann ist es nur mehr kurios, wenn die steuerfinanzierte IDM in einem Spot Südtirol als „nachhaltigsten Lebensraum Europas“ bewirbt, und in der nächsten Anzeige den Südtiroler Qualitätsspeck preist, denn Speckproduktion im heutigen Stil geht gar nicht ohne Massentierhaltung.

Es muss nicht Tofu sein, aber weniger Tierkonsum schont nicht nur Millionen von Tieren, vermeidet klimaschädliche Treibhausgase und fördert unsere Gesundheit, sondern schützt auch vor den nächsten zoonotisch übertragenen Viren. Das wäre doch ein Grund zum Handeln, oder?