Umwelt | Energiepolitik

Welchen Plan fürs Klima?

Was ist aus dem neuen Klimaplan geworden? Das fragt sich Klauspeter Dissinger und fordert einen ehrlichen, transparenten und partizipativen Ansatz in der Klimapolitik.
Zug im Nebel
Foto: Pixabay

Seit 2011 hat Südtirol einen Klimaplan. “Energie-Südtirol 2050” heißt das Dokument, das den Weg für eine nachhaltige Energiepolitik und den Klimaschutz vorgibt. Die Strategien und Maßnahmen betreffen die Bereiche Verkehr/Transport, Wirtschaft und private Haushalte. Die Ziele und Ergebnisse des Klimaplans werden alle fünf Jahre überprüft. Die Evaluation dient dazu, zu beurteilen, “ob das Land auf Kurs ist oder ob neue Maßnahmen abgeleitet, bestehende nachgestellt und korrigiert oder gar gelöscht werden müssen”.

Dass diese Erfolgskontrolle notwendig ist, zeigt sich zum Beispiel am 2011 festgeschriebenen Ziel, dass Südtirol die CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr innerhalb 2020 auf unter 4 Tonnen und spätestens bis 2050 auf unter 1,5 Tonnen senken wird. “Durchschnittlich emittiert jeder Südtiroler knapp 7,4 Tonnen CO2 im Jahr”, so die Bilanz des Direktors der KlimaHaus-Agentur Ulrich Santa Ende 2019. Die des Umweltlandesrates fällt genauso ernüchternd aus. “Werden die Gesamteinsparungen auf die Gesamtbevölkerung aufgeteilt, so entfallen Jahr 2020 pro Einwohner und Jahr etwas mehr als 0,5 Tonnen an Einsparungen im Vergleich zu 2011”, schreibt Giuliano Vettorato in der Antwort auf eine Landtagsanfrage Ende September 2020. Darauf verweist auch Thomas Benedikter in seinem jüngsten Blogbeitrag “Schönrechnerei beim Klimaschutz” auf salto.bz.

Zugleich teilt Vettorato mit, dass der Klimaplan derzeit einer Zwischenevaluation unterzogen werde. “Ziel ist es die Entwicklungen und die Eignung der gesetzten Maßnahmen kritisch zu hinterfragen. Gleichsam werden die Daten aktualisiert, Strategien angepasst und neue Maßnahmen abgeleitet.”

Doch diese Überarbeitung des Klimaplans kommt spät – jedenfalls später als ursprünglich angekündigt. “Spätestens bis Beginn des Sommers 2019 wird der Landesregierung eine Anpassung der Energiedaten, des Monitorings zur Umsetzung der festgeschriebenen Maßnahmen sowie eine Reihe von neuen Maßnahmen zur Erreichung der festgelegten Ziele vorgelegt”, teilte Vettorato Anfang 2019 mit. Auf der Klausur der Landesregierung im Dezember 2019 hieß es dann: “Bis Mitte 2020 will die Landesregierung den Klimaplan 2011 überarbeiten.”

“Bis dato liegt aber noch kein öffentlich zugänglicher Entwurf vor”, zeigt nun Klauspeter Dissinger auf. Der Vorsitzende des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz hat einen offenen Brief verfasst, in dem er Landeshauptmann Arno Kompatscher zum Handeln auffordert – und dazu, bei der Erstellung des neuen Klimaplans einen anderen, partizipativen Weg zu wählen. Denn die Klimakrise sei nur gemeinsam zu bewältigen, zitiert Dissinger aus der diesjährigen Haushaltsrede des Landeshauptmannes.


Auszüge aus dem Brief, den Dissinger auch an die restlichen Mitglieder der Landesregierung und die Landtagsabgeordneten geschickt hat:

“(...) Im Rahmen der heurigen Haushaltsdebatte nahm Landeshauptmann Kompatscher in seiner Haushaltsrede auch Bezug auf die Klimakrise und gab dabei das durchaus ambitionierte Ziel vor, in rund zehn Jahren die Netto-Emissionen der Treibhausgase in Südtirol neutralisieren zu wollen: ‘… sowie bis 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen der Europäischen Union auf null zu bringen. Südtirol kann dieses Ziel wahrscheinlich schon rund 20 Jahre früher schaffen.’
 
Auch wenn aus heutiger Sicht noch gar nicht klar ist, welche Treibhausgas-Senken tatsächlich in die Netto-Emissionsrechnung einfließen werden, zeigt sich der Dachverband für Natur- und Umweltschutz dennoch erfreut von den Ankündigungen des Landeshauptmannes. Fakt ist leider, dass wir bereits jetzt in Verzug sind. Das zeigt sich nicht nur an der Verspätung bei der Überarbeitung des aktuellen Klimaplanes. (…) Bis dato liegt noch kein öffentlich zugänglicher Entwurf vor.
 
Auch inhaltlich kann Südtirol leider nicht als Klima-Land glänzen. (…) Es ist klar, dass weder die im aktuellen Plan angepeilten Ziele für das Jahr 2020 erreicht werden können, geschweige denn im kommenden Jahrzehnt Klimaneutralität auch nur annähernd erreicht wird. Erschwerend kommt hinzu, dass im bisherigen Klimaplan die sogenannte graue Energie, also der Konsum, ausgeklammert wurde. Wird diese korrekterweise mit einbezogen, relativiert sich die vermeintliche Vorreiter-Rolle Südtirols als Klimaland noch weiter, wie der Klimareport der EURAC aus dem Jahr 2018 zeigt.

Der neue Klimaplan des Landes sollte seriöserweise transparent alle relevanten Daten enthalten und nach internationalen Standards und Richtlinien erstellt werden. Mit kreativen Rechentricks ist niemandem geholfen. 

Angesichts der immensen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Klimakrise und den bescheidenen Resultaten der letzten zehn Jahre Klimaplan erscheint uns eine Neuauflage eines Fachplanes nach dem bisherigen Muster und dem Ablauf der Genehmigung fehl am Platz. Ein von der öffentlichen Verwaltung weitgehend definitiv ausgearbeiteter Plan mit mehreren hundert Seiten Umfang, der für gerade einmal 30 Tage der interessierten Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt und in weiterer Folge genehmigt wird, ist ein Paradebeispiel eines gescheiterten Top-Down-Ansatzes. (…)

Wir [ersuchen] Sie als politische Vertretung der Südtiroler Gesellschaft zur Bewältigung der Klimakrise die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um von einem starren und bis dato wenig erfolgreichen Plan-Ansatz zu einem kontinuierlichen und öffentlich partizipierten Prozess zu kommen, mit einer messbaren Erfolgskontrolle und der Möglichkeit der Anpassung der Maßnahmen zur Sicherstellung der Zielerreichung.
Weitere zehn Jahre mit dieser überschaubaren Reduzierung der Treibhausgasemissionen können wir uns nicht mehr leisten.  (…) In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen und der Hoffnung auf ein in vielerlei Hinsicht besseres 2021.
 
Klauspeter Dissinger – Vorsitzender Dachverband für Natur- und Umweltschutz”

 

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Gianguido Piani Do., 31.12.2020 - 09:55

Auf "kreativen Rechentricks" baut der ganze Treibhausgas-Emissionenhandel, trotzdem weisen Regierungen und die EU-Kommission gerne als "innovative Lösung" weiter darauf. Andere Entscheidungen kann und will die Kommission nicht treffen. Wie wäre es zum Beispiel mit einer verpflichtenden EU-Regelung zur Stadtbegrünung? Von Brüssel aus gesehen ist es einfacher, Eisenbahn und Post zu privatisieren, und das wird schon gemacht. Unbequeme Entscheidungen über direkte Eingriffe und Maßnahmen zum Klimaschutz will kein Politiker treffen, der sich nach wenigen Jahren zur Wiederwahl stellt.
Auch die Provinz könnte Entscheidungen der Art "No Green - No Money" treffen. Tut es aber nicht.

Do., 31.12.2020 - 09:55 Permalink
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Salto User
Günther Schwei… So., 03.01.2021 - 07:46

“(...) Im Rahmen der heurigen Haushaltsdebatte nahm Landeshauptmann Kompatscher in seiner Haushaltsrede auch Bezug auf die Klimakrise und gab dabei das durchaus ambitionierte Ziel vor, in rund zehn Jahren die Netto-Emissionen der Treibhausgase in Südtirol neutralisieren zu wollen."
Damit das nicht leere Worte bleiben, könnte das Land bei den öffentlichen Gebäuden beginnen. Den Energieverbrauch laufend erfassen und kommunizieren, dann jährlich 10% des öffentlichen Gebäudebestands sanieren und schauen wie sich das bis 2030 entwickelt.

So., 03.01.2021 - 07:46 Permalink
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Karl Gudauner So., 03.01.2021 - 10:13

Bei dem Landesplan von 2011 handelt es sich um ein Planungsdokument zum Thema Energie. Dies drückt der Titel "Energie-Südtirol-2050" aus. Das attributive Adjektiv "Klimaplan" ist als Marketinglabel einzustufen. Offenbar gelingt es dadurch, den Energieplan als Klimaplan zu verkaufen.
Doch ein Klimaplan muss Themen einschließen, die im Landesplan "Energie-Südtirol-2050" nicht oder nur ansatzweise berücksichtigt sind, wie Biodiversität, umweltverträgliche Produktions- und Versorgungssysteme, Umgang mit natürlichen Ressourcen und schonende Urbanistikregeln, Verkehrs- und Siedlungsplanung, umweltbewusstes Konsumverhalten, Erhaltung und Förderung natürlicher Landschaftsbilder, die das zentrale Asset unseres Tourismus sind, Strategien für gesunde Luft, nährstoffreiche Böden und lebendige Wasserläufe. Zum Thema Landwirtschaft beispielsweise wird im Plan von 2011 nur als Maßnahme vorgeschlagen, den Ankauf von landwirtschaftlichen Maschinen durch den Maschinenring zu fördern und in öffentlichen Einrichtungen eine Vorzugsschiene für heimische Produkte aus ökologischer Landwirtschaft zu schaffen.

Für den damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und die gefühlte allgemeine Sensibilität zum Thema Energiewende ist der Energieplan von 2011 ein wegweisendes Dokument. Aus heutiger Sicht wird jedoch auch deutlich, dass er ein gutes Stück vor dem heute de facto bestehenden Handlungsdruck entstanden ist - und vor der wegweisenden UNO-Entscheidung zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (NEZ-SDG). Also ist der Südtiroler Klimaplan, für den der Energieplan 2011 zahlreiche wichtige Impulse gesetzt hat, in wesentlichen Teilen neu zu schreiben.

So., 03.01.2021 - 10:13 Permalink
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Klemens Riegler So., 03.01.2021 - 13:41

Wenn ich die Zahl 2050 lese oder höre, wird mir immer etwa mulmig. Ich mag diese weit entfernten Termine irgendwie nicht. Weil es immer Ausreden geben wird warum die Zwischenziele nicht erreicht wurden. Und weil das "Arbeitspensum" zur Zielerreichung dann immer knapper wird. Bzw. sich dann die nächsten Entscheidungsträger darum kümmern müssten. Und diese sich dann ja darauf hinausreden können, dass ihre Vorgänger alles versäumt hätten. Zudem wird es leider auch weiterhin extreme Ereignisse, Geschehnisse und Naturkatastrophen geben, die als Ausreden für das Nicht-Weiterkommen in dieser Angelegenheit herhalten werden.
Südtirol hätte auf jedem Fall alle Voraussetzungen in dieser Sache voran zu gehen;
- Weil wir einen weitsichtigen und sensiblen Landeshauptmann haben. Und weil auch einige Teile des Landtages die Sache ernst nehmen.
- Weil wir ein überschaubares und eigentlich reiches Land sind.
- Weil wir nur finanzielle Ressourcen (IDM, Marketing, Verbände) umschichten müssen; Steuergelder mit Bedingungen verbinden!
- Weil selbst bei der IDM, in den Verbänden, bei der Presse ... einige Menschen zu finden sind, die auf der richtigen Seite stehen.
- Weil ein großer Teil der Bevölkerung kleine Schritte schon jetzt mitgehen würde.
- Weil wir mit Ausnahme des Obstanbaues eigentlich eine kleinstrukturierte und vielschichtige (natürlich weiter ausbaubar) Landwirtschaft haben.
- Weil wir sogar Energie-autark sein könnten, wenn Alperia seine Hausaufgaben machen würde und die Provinz + Gemeinden ihre Versprechungen einlösen würden.
- Weil wir als eine der wenigen Regionen die Chance hätten, sogar davon zu profitieren, wenn wir früh genug dran wären: Vorzeige-Land - Vorangeh-Land "Südtirol".
... Wir müssen dann nur gleichzeitig auch aufhören zu LÜGEN, aufhören mit Steuergeldern Illusionen zu finanzieren, aufhören leere Schachteln zu verkaufen und endlich aufhören zu glauben wir seien der Mittelpunkt der Welt. Oder eben EHRLICH aus klimatechnischer Sicht "Mittelpunkt der Welt" werden. Das wär was!

So., 03.01.2021 - 13:41 Permalink
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Karl Trojer Di., 05.01.2021 - 10:45

Ein effizienter Klimaschutz bedarf dringender Maßnahmen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Leben. Wir sind es gewohnt, Effizienz in Bruttosozialprodukt und Kosten darzustellen. Ersteres heizt den Klimawandel an, wenn es wie bisher auf "immer mehr und immer schneller" setzt, und bei den "Kosten" wird die Kostenwahrheit beiseite geschoben. Letztere aber würde volkswirtschaftlich ein sehr düsteres Bild ergeben, wenn all die klimaschädlichen Kosten aufgerechnet würden. Der Konsumrausch, den die Werbebronche, und hinter ihr die Hochfinanz, immer noch hochjubeln, verschwendet Energie, gute Luft, gesundes Wasser und viele nur beschränkt verfügbare Ressourcen; ihn auszuhebeln verpflichtet jeden von uns Bürgern.

Di., 05.01.2021 - 10:45 Permalink