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Bedingungsloses Grundeinkommen: Die Revolution der Möglichkeiten

Hört, hört – oder besser gesagt lest, lest: Die liberal-konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlicht in ihrem Feuillleton ein Plädoyer für das Bedingungslose Grundeinkommen. Warum wir mehr Muße brauchen, um nicht zu verblöden.

Am Tag, an dem die deutsche SPD grünes Licht für eine Große Koalition in Deutschland gibt, hält das konservative Blatt Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Überraschung bereit: In einer Besinnung auf die Vordenker des Liberalen Grundeinkommens zeigt die FAZ auf, warum eine leistungsunabhängige Grundversorgung aller BürgerInnen weder rechts noch links, sondern vor allem nützlich sein kann.

Versteht man das Grundeinkommen nicht als Sozialleistung, sondern als Grundrecht, dann sind vor allem Thomas Paines Gedanken aus seiner Schrift „Agrarische Gerechtigkeit“ (1796) aufschlussreich: Weil nicht jedem mit der Geburt ein Stück Land zur Verfügung gestellt werden könne, da dies durch das Privateigentum unmöglich geworden sei, müsse ein Grundeinkommen für diesen Verlust entschädigen – und zwar jeden, „ob arm oder reich“, weil „alle Personen darauf gleichermaßen ein Anrecht besitzen, ungeachtet ihres selbst erarbeiteten, ererbten oder anderweitig geschaffenen Vermögens“.

Was zu Paines Zeiten galt, gilt heute, in einer arbeitsteiligen, globalisierten, hochtechnisierten Kapitalwirtschaft erst recht: Ein Stückchen Land hilft keinem weiter, weil wir die agrarische Selbstversorgerökonomie längst hinter uns gelassen haben. So gesehen, ist das Grundeinkommen ein Grundeigentum, um im einundzwanzigsten Jahrhundert sein Leben zu unternehmen.

Interessant auch die Argumentation des Autor, warum ein bedingungsloses Grundeinkommen weder einem sozialistischem Realexperiment noch der neoliberalen Vorhölle auf Erden entspricht, sondern einen dritten Weg darstellt.

 

Es ist sozialistischer als jeder Sozialismus, da es jedem Bürger einen Mindestbetrag unabhängig von seiner Leistung garantiert, ohne dabei auf die marktwirtschaftliche Wertschöpfung samt der ihr innewohnenden Kraft der Innovation und Rationalisierung zu verzichten. Damit ist das Grundeinkommen zugleich kapitalistischer als jeder Kapitalismus, da es jeden Bürger mit einer Konsumpauschale ausstattet, durch die sich der ökonomische Wettbewerb erst wirklich frei – weil sozial schonend – entfalten kann.

Klar ist: Das Grundeinkommen fordert nicht nur einen  Systemwechsel im Kopf, es würde auch einen anderen Umgang mit Zeit erlauben.

"Gilt heute ausschließlich die Arbeitszeit als funktional sinnvoll verbrachte Zeit, würden in der nachhaltigen Moderne sowohl die mit Eigenarbeit verbrachte Zeiten als auch die des Nichtstuns gleich hoch bewertet werden können, da die Zeithoheit mehr auf die einzelne Person und ihre Bedürfnisse und Präferenzen verlagert würde.“ ... Zeit könnte in viel höherem Maße als heute zur eigenen Zeit werden, so Harald Welzer. Glaubt man dem Schweizer Philosophen Stefan Brotbeck, ist das dringend nötig: „Wir brauchen mehr Muße, um nicht zu verblöden.“

Kurzum: So, wie die Einführung des Grundeinkommens eine mögliche Revolution ist, so ist das Grundeinkommen selbst eine Möglichkeitenrevolution, schreibt der Autor. 

Denn es maximiert die Entfaltungsmöglichkeiten jedes einzelnen. Es will zwar den ganzen Menschen, aber es will nirgends hin mit ihm. Das Grundeinkommen überlässt jedem seine individuelle Planwirtschaft und uns allen die soziale Marktwirtschaft.