Gesellschaft | Aus dem Blog von Oliver Hopfgartner

Über Rechtsrock, Rassismus und was wir darunter verstehen

Oliver Hopfgartner sieht das Phänomen des zunehmenden Erfolges von Rechtsrockbands nicht als Wurzel des Problems, sondern als ein Symptom.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Mit dem Thema Rechtsrock* wird sehr undifferenziert umgegangen. Die bösen Rechtsrockbands verführen unsere unschuldige Jugend zu rechtem Gedankengut. "In Europa ist ein zunehmender Rechtsdrift zu erkennen!" hört man immer wieder. Aus diesem Grund müssen wir den Rechtsrock bekämpfen - am besten durch mehr Polizeikontrollen und strikteres Durchgreifen der Behörden. Die heutige Jugend ist historisch ungebildet und damit nicht in der Lage, selbst Texte und Ideologien zu reflektieren.
Doch ist es wirklich so? Schafft sich der Rechtsrock durch sein Angebot und geschickte PR wirklich die entsprechende Nachfrage? Macht Rechtsrock rechtsextremes Gedankengut salonfähig oder ist es vielmehr die Nachfrage, die den Rechtsrockbands ihren Erfolg ermöglicht? Wir diskutieren über Begriffe wie "Heimat" und streiten über Definitionen. Wo zieht man die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Wiederbetätigung?

Dabei wird die wichtigste Erkenntnis unter den Tisch gekehrt: Nicht eine Musikrichtung beeinflusst die politische Einstellung der Hörer sondern
die Hörer/Konsumenten suchen sich das entsprechende Angebot. Hier eingreifen zu wollen, ist zum Scheitern verurteilt. Wer gegen Rechtsextremismus vorgehen will, muss zuallererst den latenten, hoffähigen Rassismus erkennen und bekämpfen.

Auch bei uns werden "die Ausländer" als Gefahr angesehen. Wann hast du das letzte Mal gelesen: "Wohnung (nur) an Einheimische zu vermieten!"
Gerade bei Gewaltverbrechen liest man immer wieder Sätze wie: "Albaner schlägt 15-jährigen krankenhausreif!" Die Schlagzeile "Südtiroler Alkolenker reißt Familie in den Tod" habe ich noch nie gelesen. In diesem Fall werden lieber das Alter oder die Initialen angegeben.
Neulich meinte ein Bekannter: "In meinem Viertel wohnen nun sehr viele Ausländer." Er meinte weiters, sie würden früher oder später unser Land übernehmen, so oft wie seine Nachbarin schwanger ist, sei es nur eine Frage der Zeit bis "sie uns herumkommandieren".
Wir begeben uns auf Glatteis. Da wird doch nicht jemand "Täter und Opfer vertauschen"?

Faschismus wird nicht in Form eines vierten Reiches zurückkehren. Das scheint einigen nicht klar zu sein. Wer nur in den Rückspiegel schaut, kommt schnell von der Straße ab. Der "moderne Jude" betet nach Mekka. Heute heißen die Propagandainstrumente nicht mehr "Stürmer" oder "Volksempfänger".

Zum Glück haben wir aber eine so aufgeklärte, historisch gebildete Gesellschaft, sodass man totalitäre Tendenzen frühzeitig erkennt und dementsprechende Maßnahmen setzt. Es wäre ja auch ein Armutszeugnis für unsere westliche Demokratie, wenn eine "Rechtsrockband" an der Echo-Preisverleihung teilnimmt.

Es gilt, den sanft vor sich hin schwelenden Rassismus zu thematisieren. Dieser fängt bei der einfachen Verallgemeinerung an. Wo er endet, liegt bei uns.

*Ich verwende in diesem Text bewusst das Wort "Rechtsrock", damit ich es mir erspare, eine Grenze zwischen Rechtsrock, Deutschrock, Ethnorock etc. zu ziehen. In der allgemeinen Diskussion über dieses heikle Thema gehe ich davon aus, dass alles, das gemeinhin rechts von der CDU/CSU eingeordnet wird, suspekt ist.

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Benno Kusstatscher Do., 04.04.2013 - 14:51

Danke, für den wohltuenden Beitrag, Oliver. Möge sich jeder, der Zukunft mitgestalten möchte, Deinen Absatz mit der "einfachen Verallgemeinerung" zu Herzen nehmen. Aber auch Du :-)
CDU und CSU sollten bezüglich deren Rechtspositionen nicht verallgemeinert in einem Atemzug genannt werden. Und auch dem vielleicht implizierten Umkehrschluss, dass CDU, CSU und "gemeinhin" weniger Rechte verallgemeinert nicht suspekt sein könnten, möchte ich mich explizit nicht anschließen.
Und dann hätte ich noch den Vorschlag an Dich, die mit dem Der-moderne-Jude-betet-nach-Mekka-Satz gemeinte Botschaft expliziter auszuführen, bevor das möglicherweise von Dir ungewollte Weise interpretiert wird.

Do., 04.04.2013 - 14:51 Permalink
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Gerd Verant Do., 04.04.2013 - 17:46

Der Beitrag ist weitläufig in Ordnung, im großen und ganzen Stimme ich dir zu. Allerdings verstehe ich nicht ganz warum du, wie viele andere in letzter Zeit die Band Frei.Wild dazu verwendest um derartige Diskussionen loszutreten. Auch du drängst damit jemanden in eine Ecke, und das in die Rechte. Was hat Patriotismus, zu dem Frei.Wild steht, mit Rechtsextremismus zu tun? Da wären doch alle die mit einer Fahne in das Stadion rennen Nationalisten. Oder die Kastelruther Spatzen wären dann wohl auch "Rechte Volksmusikanten".

Ich möchte immer noch jene Texte hören in denen Frei.Wild Rechte Sprüche loslässt... Denn dass sie Missstände in unserem Land, ob Südtirol oder Italien ansprechen, das ist sicherlich so. Aber ist das Verboten oder falsch? Wo wäre da die Demokratie? Auch die Toten Hosen und andere Bands, die auch gute Musik machen, sind sonderbar scheinheilig und wenig tolerant eine andere Gruppe derart anzugreifen, zumal sie in der Vergangenheit und der Gegenwart auch das ein oder andere Lied hatten wo ähnlich harte Worte gefunden wurden...

Das nicht alle im restlichen Europa die Texte von Frei.Wild verstehen, da sie mit unserer Situation nicht vertraut sind, mag sein aber sie deshalb als Nazi zu bezeichnen oder als Rechtsrockband abzustempeln, geht in meinen Augen zu weit.

Do., 04.04.2013 - 17:46 Permalink
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Benno Kusstatscher Do., 04.04.2013 - 18:19

Antwort auf von Gerd Verant

Hallo Gerd,

Es hätte mich schockiert, wenn mir bei der Lektüre von Olivers Beitrag eine Nazianspielung entgangen wäre, aber der Beschuldigte hat wenigstens in diesem Beitrag der Band doch gar nichts unterstellt. Hat er? Es geht hier doch um unseren Umgang mit der Thematik und -- Gott sei Dank -- nicht wieder um diese Band!?

Ich denke die Welt braucht derweil keinen weiteren Frei.Wild-Blog mehr, uffa. Markus' Blog auf

http://salto.bz/de/article/23032013/der-fall-freiwild-erkentnisse-und-f…

sollte dazu doch Spielwiese genug sein. Sollte etwas Relevantes noch nicht gesagt worden sein, erlaube mir die persönliche Bitte, es doch bitte dort auszudiskutieren...

Do., 04.04.2013 - 18:19 Permalink
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Michael Bockhorni Fr., 05.04.2013 - 15:55

Antwort auf von Gerd Verant

mir gefällt, dass es nun eine breite, differenzierte Dskussion zur der Thematik gibt. Es gibt halt verschiedene Wege sich zu sener Heimat, zu Werten, zu geschichtlichen Vorgängen, zu Mißständen und Unzufriedenheit auszudrücken. Und da lesen sich die (Gesamtheit der) Texte von Kastelruther Spatzen und Frei.Wild denn doch sehr unterschiedlich. Denn es gibt ja nicht ohne Grund unterschiedliche Begriffe für Heimatliebe, Patriotismus, Nationalismus, Chauvenismus (völkische Einstellung), Faschismus usw. Im Frei.Wild Blog von Markus habe ich einige Textstellen zitiert, die in mir Unbehagen auslösen und sich ganz gewaltig von jenen der Kastelruther Spatzen unterscheiden. Meines Erachtens lohnt sich die Auseinandersetzung um diese Zwischentöne und auch die Gegenreaktionen (Forderungen nach Aufrittsverbote) sind kritisch zu hinterfragen.

Fr., 05.04.2013 - 15:55 Permalink
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gorgias Do., 04.04.2013 - 23:39

>In Europa ist ein zunehmender Rechtsdrift zu erkennen!" hört man immer wieder. Aus diesem Grund müssen wir den Rechtsrock bekämpfen - am besten durch mehr Polizeikontrollen und strikteres Durchgreifen der Behörden.<

Ich weiss nicht wo du diese aussagen her hast, aber wer gestern bei der Veranstaltung in Sterzing war, wo der Dokumentarfilm "Blut muss fließen" von Thomas Kuban gezeigt wurde konnte sehen, dass auf geheimen Veranstaltungen und manchmal auch in Dorfdiskos rechtsextremistische Liedgut gespielt wurde. Weiters konnte man auf dem Videomaterial sehen, wie die Polizei in Bayern einfach tatenlos daneben stand. In einer anderen Szene wurde gezeigt wie in Österreich auf einer Veranstaltung ein Polizist einem Neo-Nazi-Skin die Hand gab.

Thomas Kuban kritisierte, dass von der Seiten der Polizei zuwenig gegen solche Veranstaltungen getan wird, die ja auch strafrechtlich Relevant sind. Ich finde das mach er zu recht.

Gestern gab es auch eine Diskussion in welchem Bezug der südtiroler patriotische Deutschrock mit der rechtsradikalen Szene steht.

Niemand setzte dort Frei.Wild mit der rechtsextremen Bands gleich und niemand sagte man solle Frei.Wild-Veranstaltungen verbieten. Es war konsens dass Frei.Wild sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens befindet. Auch wenn von einigen kritisiert wird dass Frei.Wild mit der rechten Gedankengut kokettiert.
Es gab jemand der sagte dass Frei.Wild die härteste Tür gegen rechtsextreme Marken hat. Doch da erwiederte jemand, warum das Frei.Wild nötig hat. Bei Peter Maffai oder Herbert Grönemeyer ist so was nicht notwendig.

Weiteres sagst du:
>Es gilt den sanft vor sich hin schwelenden Rassismus zu thematisieren. Dieser fängt bei der einfachen Verallgemeinerung an. Wo er endet, liegt bei uns.<

Doch gerade da finde ich, fängt ja eine gewisse Verallgemeinerung an indem du gleich danach den Begriff "Rechtrock" so ungeschickt definierst, dass Frei.Wild und Landser beide Platz haben können.

Auch finde ich es naiv von dir zu behaupten dass der Patriotenrock lediglich eine Nachfrage bedient. Dass solches Liedgut auch eine versträrkende Wirkung und Verbreitungsfunktion haben kann, ist für dich wohl ausgeschlossen?

Do., 04.04.2013 - 23:39 Permalink
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gorgias Sa., 06.04.2013 - 14:07

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Im Artikel vom Merkur wird darüber gesprochen ein Frei.Wild-Konzert abzusagen. Das hat aber nichts mit demnbisherigen Diskussionsverlauf hier im Blog zu tun. Das ist ein Versuch jene, die sich eine kritische Außeinandersetzung mit Frei.Wild und deren Inhalte wünschen, mit jene in einem Topf zu werfen, die nicht zwichen Landser und Frei.Wild unterscheiden können.

Meistens sind jene die nicht differenzieren können, jene denen man ein bisserl weniger Fanatismus nahelegen sollte und manchmal auch ein bisserl mehr Hirn.

Sa., 06.04.2013 - 14:07 Permalink
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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Sa., 06.04.2013 - 16:08

Antwort auf von gorgias

Hallo Gorgias, ich hatte den Link nur als Quellenangabe des Zitats verstanden und für mich den Rest des Merkurartikels als unwichtig und komplett bedeutungslos eingeordnet. Aber Du hast absolut Recht: wenn man denn da etwas herauslesen will, kann man zu - von mir ungewollten - Schlüssen kommen, und dann hätte das in diesem Blog auch nichts verloren, worauf Du ja richtigerweise hinweist. Kritik akzeptiert! Also, mein Dank für den Hinweis, und dass Du mir die Gelegenheit gibst, klarzustellen, dass es mir wirklich nur um das eine Zitat geht. Was Du allerdings daraus abzuleiten versuchts, ... na, da schließe ich mich Deinem Wunsch nach ein bisserl mehr Hirn für mich kurzentschlossen an. Dann wird sich mir das schon noch erschließen. Derweil kann ich aber noch nicht folgen.

Sa., 06.04.2013 - 16:08 Permalink
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Profil für Benutzer Matthias Mühlberger
Matthias Mühlberger Fr., 05.04.2013 - 14:45

bezüglich Nachfrage: "Dabei wird die wichtigste Erkenntnis unter den Tisch gekehrt: Nicht eine Musikrichtung beeinflusst die politische Einstellung der Hörer sondern die Hörer/Konsumenten suchen sich das entsprechende Angebot." - sorry, aber ganz so einfach ist das nicht. Musik, und Popkultur ganz allgemein, wirkt gerade in jungen Jahren auch sehr stark identitätsstiftend. Insofern ist es zumindest sehr verkürzend wenn nicht schlichtweg falsch zu behaupten, die Jugendlichen würden sich einfach das für sie am besten passende Angebot aus der popkulturellen Palette auswählen, sondern sie werden durch ihre Auswahl immer auch ein Stückweit mitgeprägt. Ein bisschen wie die alte Frage nach der Henne und dem Ei.
nur als kleiner Kommentar am Rande - ohne jemanden in eine Ecke zu stellen zu wollen.

Fr., 05.04.2013 - 14:45 Permalink