"Als würde es mich nicht brauchen"
Seit Sonntag, 31. Jänner, sind die Türen der Südtiroler Gastronomiebetriebe wieder fest verschlossen. Zum dritten Mal in diesem Winter müssen Köchinnen, Kellner und eigens einberufene Saisonarbeiter ihre Arbeitskleidung an den Nagel hängen und werden nach Hause geschickt. Zu Hause erwartet sie vor allem eines: Warten. Warten darauf, dass sich die epidemiologische Lage beruhigt, dass sie ihre Tätigkeiten wieder aufnehmen dürfen, auf Ausgleichszahlungen oder die Möglichkeit, um diese überhaupt ansuchen zu können. Salto.bz hat mit einigen von ihnen gesprochen.
salto.bz: Wie haben Sie die letzten Monate erlebt und wie sieht Ihre momentane Situation aus?
S. M. ist in der Sommer- und Wintersaison als Kellnerin am Kronzplatz tätig: "Die letzten Monate waren sehr schwierig. Nach der Sommersaison habe ich – wie jedes Jahr – um Arbeitslosengeld angesucht, um die paar Monate bis zur Wintersaison zu überbrücken. Im November hätte ich erneut ein befristetes Arbeitsverhältnis am Kronplatz eingehen sollen. Durch das ständige Aufschieben der Skisaison war ich aber weiterhin auf das Arbeitslosengeld angewiesen. Im Januar ist auch dieses ausgelaufen. Seitdem warte ich darauf, dass Ersatzleistungen für Saisonarbeiter genehmigt werden oder ich meine Arbeit wieder aufnehmen kann. Hätte ich das früher gewusst, ich hätte mich im Herbst um eine andere Anstellung gekümmert. Nicht nur finanziell, auch emotional ist die Situation nicht einfach."
Daniel Fill ist Saisonarbeiter und Koch auf der Seiser Alm: "Ich wurde aufgrund des letzten Lockdowns gekündigt, vorübergehend bis März wahrscheinlich länger. Die Arbeit bis Ende Januar war schwieriger als sonst; wir hatten nur eine kleine Mannschaft, der Anlauf war sehr unstetig, die Einkäufe konnten kaum geplant werden… Das nehme ich aber gerne in Kauf. Zu Hause plagt mich die Existenzangst: Schaff ich es Miete und die fälligen Raten zu bezahlen? Geht sich der Einkauf in diesem Monat aus? Ich habe meine Eltern schon einige Male um finanzielle Unterstützung gebeten, glücklicherweise musste ich bis jetzt noch keinen Gebrauch davon machen. Dass mich der Betrieb nicht bezahlen kann, verstehe ich; zu Hause nütze ich diesem natürlich nichts, es gibt für meine Arbeit kein Homeoffice."
Irmi Brunner hat eine Festanstellung in einem Restaurant in Amaten: "Da ich einen unbefristeten Vertrag habe, kann ich auf die Lohnausgleichskasse zurückgreifen. Dieses Einkommen kann mir zwar nicht sofort ausbezahlt werden, aber ich komme finanziell zurecht. Schwierig ist die Situation für mich vor allem auf emotionaler Ebene: Niemand weiß, wie es weitergehen wird. Die Unsicherheit ist jetzt im Vergleich zum ersten Lockdown wirklich schwer zu ertragen. Als ich Ende Jänner das letzte Mal von meinem Arbeitsplatz nach Hause gefahren bin, dachte ich: Und jetzt? Sitze ich jetzt wieder zu Hause?"
Durch das ständige Aufschieben der Skisaison war ich aber weiterhin auf das Arbeitslosengeld angewiesen. Im Januar ist auch dieses ausgelaufen. Seitdem warte ich darauf, dass Ersatzleistungen für Saisonarbeiter genehmigt werden.
T. S. ist als Kellnerin in einem Nachtlokal in Bruneck tätig: "Der Betrieb, in dem ich als Kellnerin arbeite, ist seit Oktober geschlossen. Da ich noch zu Hause wohne, ist meine finanzielle Situation aber tragbar und nicht mit der von Menschen zu vergleichen, die eine eigene Wohnung bezahlen oder gar eine Familie ernähren müssen. Psychisch ist die Situation schon anstrengender: Wenn ich arbeite, kann ich mich um die Kunden kümmern, ihnen meine Aufmerksamkeit schenken; immer wieder bedankt sich jemand. All das fällt jetzt weg. Mein Körper ist auf null gestellt. Ich fühle mich, als würde es mich überhaupt nicht brauchen."
Spaltungen überwinden
Die im Gastronomiebereich Tätigen sind nicht die Einzigen, von denen viele untätig zu Hause sitzen und um ihre Lebensgrundlage bangen müssen. Auch bleibt ihr Aufschrei kaum ungehört: Interessenvertreter der Branche – allen voran der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) – gehen mit Forderungen zur Unterstützung der Gastwirte und ihrer Arbeitskräfte auf die Barrikaden. Einige selbsternannte Vertreter nehmen im Namen der Gastronomie an den am Sonntag, 7. Februar, abgehaltenen Protestkundgebungen in Bozen teil. Für den heutigen Montag (15. Februar) ist eine weitere Demo angekündigt. In den sozialen Medien kursiert ein empörter Aufschrei: Jetzt reicht’s!
Die Politik reagiert beschwichtigend: Bis Anfang März sollen entsprechende Hilfspakete für Unternehmer, Angestellte und Saisonarbeiter ohne laufendes Arbeitsverhältnis bereitgestellt werden. Forderungen und empörte Aufschreie der Gastronomie treffen aber nicht nur auf das Aufsehen der Politik, sondern vielerorts auf Ärger und Unverständnis. Auf klassischen und sozialen Medien wird die Kluft, die zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten immer weiter aufzubrechen droht, befeuert: Wut, Empörung und klare Forderungen ziehen mehr Aufmerksamkeit auf sich als Unsicherheit, Zweifel und gemischte Gefühle.
salto.bz: Dem Ärger der Gastronomie wird nicht nur durch offizielle Anlaufstellen und soziale Medien Ausdruck gegeben; auch bei den Demonstrationen am Sonntag in Bozen haben sich Vertreter der Gastronomie beteiligt. Inwieweit können Sie diese nachvollziehen?
S. M: "Ich stehe nicht hinter den Protesten. Wir wissen, dass es das Virus gibt und dass es gefährlich ist. Auch die Maßnahme, die Gastronomie zu schließen, kann ich verstehen. Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist, dass es weder eine Warnung noch einen Dialog zwischen Politik und Gastronomie gab, kein 'Wir müssen zusperren, was braucht ihr, um überleben zu können?', vonseiten der Politik. So ein Dialog wäre unbedingt nötig gewesen. Wir sitzen alle im selben Boot und müssen versuchen, uns gegenseitig zu helfen und zu verstehen. Dafür braucht es Dialog und einen längerfristigen Plan."
Daniel Fill: "Ich bin gegen die Proteste. Der Lockdown wird uns hoffentlich helfen, mindestens die Sommersaison retten zu können – diese können wir als dunkelrote Zone sonst vergessen. Was mich ärgert, sind Kurzfristigkeit und die Spaltungen in der Politik; diese können wir jetzt nicht gebrauchen. Ich hoffe, dass die Südtiroler es schaffen, politische und gesellschaftliche Spaltungen beiseitezulegen, auf die “testa dura” zu verzichten um zusammen eine Situation zu schaffen, die für alle zumindest tragbar ist."
Ich hoffe, dass die Südtiroler es schaffen, politische und gesellschaftliche Spaltungen beiseitezulegen, auf die “testa dura” zu verzichten um zusammen eine Situation zu schaffen, die für alle zumindest tragbar ist.
Irmi Brunner: "Ich selbst habe nicht daran teilgenommen, finde es aber gut, dass auf die Probleme in der Branche hingewiesen wird. Wenn nicht gearbeitet werden darf, braucht es eine dementsprechende Unterstützung."
T. S: "Das Thema muss angesprochen werden, die Proteste sind aber der falsche Weg. Wir sind jetzt in einer schwierigen Situation und müssen uns überlegen, wie wir hier wieder herauskommen. Für diese Situation ist aber nicht allein die Gastronomie verantwortlich, sondern vor allem jene, die sich nicht an die Regeln halten."
salto.bz: Was erwarten Sie sich für die kommenden Wochen und Monate?
S. M: "Ich hoffe zumindest im Frühling wieder arbeiten zu dürfen; momentan sehe ich aber schwarz."
Daniel Fill: "Ich habe das Glück, dass der Betrieb, in dem ich arbeite, sobald wie möglich wieder aufsperren wird. Von anderen weiß ich, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Viele meiner Kollegen kommen mit dieser Unsicherheit nicht mehr zurecht und haben Sektor gewechselt. Auch ich habe bereits darüber nachgedacht, mir einen Plan B zuzulegen."
Irmi Brunner: "Ich glaube, dass sich Gastwirtschaft und Tourismus in Südtirol, sobald sich die Situation beruhigt, auch schnell wieder erholen werden. Es wird in diesem Bereich auch weiterhin viele Arbeitsplätze geben. Sorgen mach ich mir um die Arbeitskräfte, die aufgrund der Pandemie abgewandert sind. Im Großen und Ganzen bin ich aber hoffnungsvoll. Muss man oder?"
Hier sieht man den
Hier sieht man den Stellenwert und Wertschätzung der Community bezüglich der Gastronomie und Gastgewerbe und deren MitarbeiterInnen, nämlich gleich null!!!!
Aber bei einem Schaf , Wolf, Veganismus, Schütze, Klimawandel , Friday f F, schreien sich alle den Hals aus der Seele.....
Antwort auf Hier sieht man den von Herbert B.
Was für ein konfuser
Was für ein konfuser Vergleich, sie müssen wirklich sehr verzweifelt sein (und vor allem von den Linken und Naturschützern generft)!!!
Ich habe wirklich großes Mirgefühl für alle Leidtragenden der Corona-Krise, auch mit Opfern aus dem Bereich der Gastronomie, denen man helfen muss!
Eines aber darf ich anmerken:
S.M. sagt weiter oben: "Nach der Sommersaison habe ich – wie jedes Jahr – um Arbeitslosengeld angesucht, um die paar Monate bis zur Wintersaison zu überbrücken."
Da zeigt sich die Solidarität der Gesellschaft! Jahr für Jahr bezahlt sie die Überbrückungszeit tausender Saisonsarbeiter. Etwas, das in irgendeiner Form die Betriebe übernehmen sollten, in denen die Arbeiter zeitweise angestellt sind und auf die sie angewiesen sind! Das ist nicht Arbeitslosengeld, sondern finanzielle Förderung für die Arbeitgeber der Gastronomie!
Wenn ich da etwas falsch verstehe, bitte ich um Aufklärung ...
Antwort auf Was für ein konfuser von Georg Peintner
Verbesserung: Sollte "genervt
Verbesserung: Sollte "genervt" und "Mitgefühl" heißen.
Antwort auf Was für ein konfuser von Georg Peintner
@Georg Peintner,
@Georg Peintner,
Nein , weder verzweifelt noch genervt, einzig due Solidarität fehlt mir. Alle dürfen was von wo auch immer, stört much nicht . Im Gegenteil bereichert mich sogar.
Bei einer " normalen " Saison mit 8 Monate haben Mitarbeiter 1 Jahr und 6 Monate in h gearbeitet, auch das sollten Sie bedenken und evtl mal probieren, und Sie können sich sicher sein das sich das nicht auch auf das Gehalt bezieht.
Und mit dem Kleingeld oder Fördergeld bezahlen Sie nicht mal die Miete!!!!
Antwort auf @Georg Peintner, von Herbert B.
Das würde bedeuten, 8 Monate
Das würde bedeuten, 8 Monate lang jeden Tag mindestens 12 Stunden, oder mit einem Ruhetag mindestens 14 Stunden. Ich habe ja keine Ahnung, wie es in der Gastronomie läuft, kann mir aber nicht vorstellen, dass diese Anzahl von Stunden gesetzlich in Ordnung ist, egal wie viel dafür bezahlt wird.
Und das Kleingeld, wie Sie es nennen, ich kenne die Summe nicht, sollten Sie einfach dankend annehmen, und wenns nicht reicht, haben Sie wohl die 8 Monate zuvor etwas falsch gemacht.
Antwort auf Das würde bedeuten, 8 Monate von Manfred Gasser
Zu den h , so läufts, alles
Zu den h , so läufts, alles legal , keine Sorge,
Das mit den 8 Monate und etwas falsch gemacht klingt so etwas wie Hohn....probieren Sie's mal .
Antwort auf Zu den h , so läufts, alles von Herbert B.
hmmm... wenn in den 8 Monaten
hmmm... wenn in den 8 Monaten also mehr Stunden gearbeitet werden, als “normal” für ein ganzes Jahr, wäre es dann nicht auch eine gute Lösung, wenn diese Angestellten wie jeder sonst auch 12 (oder 13) durchschnittlich getechnete Monatsgehälter bei fester Anstellung bekommen würden, dann gäbe es auch keine einkommensfreie Zeit zu überbrücken.
Antwort auf hmmm... wenn in den 8 Monaten von Peter Gasser
Exakt , und das für Abspüler
Exakt , und das für Abspüler , Kellner , Zimmermädchen usw.
Träumen erlaubt...
Wer wünschte sich das nicht.
Antwort auf Exakt , und das für Abspüler von Herbert B.
ja, für alle - so war es
ja, für alle - so war es gemeint.
Gibt es ein Argument dagegen?
Antwort auf ja, für alle - so war es von Peter Gasser
Nein,
Nein,
Antwort auf Exakt , und das für Abspüler von Herbert B.
Sollte wohl
Sollte wohl selbstverständlich und einleuchtend sein! Vielleicht sollten sich da die Gewerkschaften mehr einbringen und sich die Angestellten untereinander solidarisch zeigen und nicht alles gefallen lassen! Wird für ein Jahr gearbeitet, soll der Arbeitgeber für ein Jahr bezahlen und nicht die Allgemeinheit durch das Arbeitslosengeld belastet werden!
Antwort auf Sollte wohl von Georg Peintner
Nun wenn eine Saison beendet
Nun wenn eine Saison beendet ist sehe ich nicht ein das dies der Arbeitsgeber bezahlt. Oder wie läuft das in der Landwirtschaft?!.
Und überdies wer bezahlt die Privilegien der Landesangestellten? Wohl auch did Allgemeinheit?! Ist jedoch nicht das Thema, und nicht falsch verstehen, kein Neid.
Antwort auf Nun wenn eine Saison beendet von Herbert B.
Wieso? Der Arbeitgeber
Wieso? Der Arbeitgeber bezahlt ja nicht mehr: er teilt die 150% Jahresleistung (wie von Ihnen genannt) des Mitarbeiters ja nur auf 12 (13) Gehälter auf, anstatt alles in 8 Monatsgehältern zu bezahlen.
Antwort auf Wieso? Der Arbeitgeber von Peter Gasser
Und die Nebenkosten an den
Und die Nebenkosten an den Staat?
Antwort auf Und die Nebenkosten an den von Herbert B.
... sind die nicht an die
... sind die nicht an die Gehaltssumme gebunden?..
dann bliebe es gleich...
Ansonsten: um wieviel % an den Gesamtkosten handelt es sich in etwa?
Antwort auf Zu den h , so läufts, alles von Herbert B.
Ich will das nicht probieren,
Ich will das nicht probieren, klingt für mich total nach Ausbeutung. Ausser in den 8 Monaten verdient so ein Sausonarbeiter gleich viel wie ein Arbeiter/Angestellter in 18.
Antwort auf @Georg Peintner, von Herbert B.
Solidarität hat viel Facetten
Solidarität hat viele Facetten und darf durchaus öfter eingefordert werden. Aber so wie überall gibt es verschiedenste Realitäten. Es gibt in der Gastronomie ebenso wie in vielen anderen Bereichen reiche und arme Menschen. Wer keine Miete bezahlen muss oder von Haus aus besser situiert ist, muss jetzt nicht klagen und hat kaum Solidarität verdient. Alle anderen, egal wo beschäftigt, sehr wohl. Mit "etwas weniger" Einkommen müssen seit einem Jahr sehr viele Menschen auskommen. Gar nicht so wenige befinden sich übrigens in einer noch viel dramatischeren Situation (seit vielen, vielen Monaten ohne Geld & Job). Solidaritätstechnisch gefragt sind also vor allem jene, die nicht betroffen sind oder sogar von der Situation profitiert haben. Diverse Aktionen zeigen jedenfalls dass die Südtiroler sehr wohl "solidarisch" sind.
“Ich fühle mich, als würde es
“Ich fühle mich, als würde es mich überhaupt nicht brauchen“.
Punkt.
Das sitzt.
Und sagt mehr als alles andere aus.
Bemerkenswert: kein Jammern, kein Drohen.
Ich erachte es nach wie vor als Aufgabe der Politik (somit der Gesellschaft), dafür Sorge zu tragen, dass *allen* in dieser gesellschaftlichen Notsituation Wohnung, Wärme, Essen, Trinken und das Lebensnotwendige für sich und die Familie garantiert ist.
Das muss unsere Gesellschaft - solidarisch - zu leisten vermögen.