Politik | Corona-Strategie

Unerwünschter Antikörpertest

Die Regierungsmehrheit ist völlig immun gegen alle Vorschläge, die aus der Opposition kommen. Auch dann, wenn sie sinnvoll, richtig und wissenschaftlich begründet sind.
Antikörpertest
Foto: upi
Es ist eine Methode, die seit Jahrzehnten eingefahren ist und selbst in einer globalen Krisenzeit anscheinend Bestand hat. Die SVP lehnt im Landtag grundsätzlich Anträge, die von der Opposition kommen ab. Selbst dann, wenn sie sinnvoll und begründet sind.
Welche Akrobatik man dabei anwendet und wie man solche politischen Ränkespiele auf dem Rücken der Bevölkerung austrägt, zeigte sich exemplarisch in der Februar-Sitzung des Südtiroler Landtages.
Wobei es hier eine Neuigkeit zu verzeichnen gab: Die Versenkungspolitik der SVP wird diesmal auch von Teilen der Opposition - wie dem PD oder den Südtiroler Grünen - unterstützt.
 

Transparente Information

 
Ausgangspunkt ist ein Beschlussantrag der Südtiroler Freiheitlichen mit dem Titel „Covid-19: Immunitätsnachweis als Strategie zur Pandemiebewältigung bewerten“.
Andreas Leiter-Reber und Ulli Mair schreiben darin:
 
„Die Südtiroler Landesregierung setzt zur Eindämmung des SARS-CoV-2-Virus neben den AHA-Regeln und teilweisen Lockdowns vor allem auf die künstliche Immunisierung der Bevölkerung durch eine Impfung.
Die Anzahl der über den Staat bezogenen Impfdosen ist im Moment äußerst beschränkt. Auch in den nächsten Monaten sollen Impfdosen für Südtirol nur in überschaubaren Tranchen verfügbar sein. Der Sanitätsdirektor und andere Exponenten des SABES rechnen bereits damit, dass es ein bis zwei Jahre dauern werde, bis mit dem verfügbaren Impfstoff die gewünschte Herdenimmunität erreicht werden kann.
Neben der künstlichen Immunisierung durch Impfungen bewerten mehrere internationale Studien auch die „natürliche Immunität“ durch eigene Antikörper als wichtigen Faktor zur Bewältigung der COVID-19 Pandemie. So deckt sich auch eine Studie der Universitätsklinik Innsbruck zur Corona-Langzeitimmunität, welche von Dr. Deisenhammer geleitet wurde, mit Ergebnissen aus den USA und Deutschland.
 
 
Zahlreiche Mediziner gehen davon aus, dass von einer Person, welche eine Coronaerkrankung bereits durchlaufen habe, selten eine neuerliche Infektionsgefahr für andere ausgehe. Die Personen könnten sich wie bei der "künstlichen" Impfung auch zwar erneut mit SARS-CoV-2 infizieren, wären aber nicht mehr in der Lage, andere zu infizieren oder hätten keinen schweren Verlauf zu erwarten. Das nachweisliche Vorhandensein neutralisierenden Antikörper und sogenannter Gedächtniszellen bei Genesenen spreche für eine stabile und zielgerichtete Langzeitimmunität, so die jüngsten Studienergebnisse.“
 
Im beschließenden Teil fordern die Freiheitlichen von der Landesregierung:
 
  • die Feststellung von natürlichen Antikörpern als Alternative zur Bewältigung der COVID-19 Pandemie zu prüfen und die natürliche Immunität aufgrund der Bewertung als weitere Maßnahme in die derzeitige Strategie des Landes einfließen zu lassen. 

  • im Zuge der aktuellen Aufklärungskampagne des Landes zur Impfung die Bevölkerung transparent und umfassend über die Antikörper und die natürliche Immunität aufzuklären. 

 
Ein Beschlussantrag, der vor allem zu einer transparenten Information der Bevölkerung aufruft, und gegen den eigentlich niemand sein sollte.
 

Die Debatte

 
Der freiheitliche Beschlussantrag wird auf der Landtagssitzung vom 3. Februar 2021 am späten Nachmittag behandelt. Nach der Erläuterung des Ersteinbringers Andreas Leiter-Reber ergreift der Team K-Abgeordnete Franz Ploner das Wort. Ploner, von Beruf Facharzt für Anästhesie, Hämatologie, Kardiologie und ehemaliger Primar und ärztlicher Leiter des Krankenhauses Sterzing, hält im Landtag eine kleine und verständliche medizinische Vorlesung, in der er den Vorschlag anhand wissenschaftlicher Ergebnisse und Studien als durchaus sinnvoll begrüßt, Ploner kündigt an, dass seine Fraktion für den freiheitlichen Vorschlag stimmen werde. Auch Sven Knoll (Südtiroler Freiheit) signalisiert Zustimmung zum Beschlussantrag.
 
 
Der PD-Abgeordnete Sandro Repetto hingegen erklärt, dass er dem Vorschlag zwar einiges abgewinnen könne, der zuständige „Sanitätstisch“ seiner Partei aber entschieden habe, dass das nicht der richtige Weg sei. Deshalb würde er sich der Stimme enthalten.
Dann kommt Landesrat Thomas Widmann zu Wort. Auch der Gesundheitslandesrat meint, dass er inhaltlich voll mit dem Vorschlag einverstanden sei, dass man diesen Beschlussantrag aber in dieser Form nicht genehmigen könne. Widmanns Argument: Rom würde diese Gangart nicht zulassen. Deshalb werde die SVP gegen den Antrag stimmen.
(Sie können hier die Debatte selbst nachhören und anschauen. Von 7:28:00 bis 7:49:00)
 
 
Die Replik des Einbringers erfolgt erst am nächsten Tag. Andreas Leiter-Reber legt dabei mächtig los, indem er Gesundheitslandesrat Thomas Widmann frontal angreift und als „Lügner“ bezeichnet. „Die Regionalregierung der Emilia-Romagna hat genau diesen Vorschlag umgesetzt“, erklärt Leitner und legt den Vorschlag im Landtag auch vor. In der Emilia Romagna ist es seit dem 1. Februar möglich, in den Apotheken um 10 Euro einen Antiköpertest zu machen und die Region sieht diese Abklärung als Teil ihrer offiziellen Impfstrategie. Auch italienweit gilt bereits die Losung, Covid-Erkrankte in der Impfkette zurückzustellen. Das hat der nationale Covid-19-Kommissar Domenico Arcuri bereits vor vier Wochen auf einer Pressekonferenz erklärt. (siehe hier: 33.27 bis 34.20)
 

Südtiroler Sonderweg

 
Nur in Südtirol laufen die Uhren anscheinend anders. Landesrat Thomas Widmann widerspricht diesen Anschuldigungen vehement, wünscht bzw. fordert einen „anderen Umgang“ und bleibt bei seiner Argumentation: Das Land Südtirol könne diese Strategie nicht umsetzen, weil nur der Staat dafür primäre Gesetzgebungskompetenz habe. (siehe hier: von 2:20 bis 8:25)
Wenig später kommt es im Landtag zur Abstimmung. Die Prämissen des freiheitlichen Beschlussantrages und Punkt 1 werden mit 10 Ja-, 20 Neinstimmen und 4 Enthaltungen abgelehnt. Punkt 2 des Antrages wird mit 11 Ja-, 19 Neinstimmen und 4 Enthaltungen abgelehnt.
Weil die Einbringer eine namentliche Abstimmung verlangen, lässt sich auch feststellen, wer gegen den Antrag gestimmt hat. Neben allen SVP- und Lega-Abgeordneten stimmte auch der Grüne Riccardo Dello Sbarba gegen den Antrag, während sich seine Parteikollegen Brigitte Foppa und Hanspeter Staffler sowie Alessandro Urzi (Fratelli d’Italia) und Sandro Repetto der Stimme (PD) enthielten.
Dabei hatte im Beschlussantrag nur gestanden, dass die Landesregierung die Maßnahmen prüfen solle.
Aber auch das ist anscheinend schon zu viel.