Wirtschaft | Tourismus

"An der Zeit zu sagen: Es reicht."

Tourismuslandesrat Arnold Schuler über den Bettenstopp, die neuen Regelungen im Tourismussektor, den plötzlichen Aufschrei der Hoteliers und die Ziele der Politik.

Salto.bz: Herr Landesrat Schuler, es gibt in Südtirol nur ein Wort, das schlimmer ist als der Kommunismus. Und das ist der Bettenstopp. Sie haben mit Ihrem Vorschlag in eine Eiterbeule gestochen.
 
Arnold Schuler: Nein, denn einen Bettenstopp gibt es längst. Im Gesetz waren bisher diese famosen 229.088 Betten als Obergrenze festgeschrieben. Mit den neuen Leitlinien gehen wir darüber hinaus. Wir legen fest, dass das, was 2019 war, die Obergrenze sein soll. Wobei wir die erworbenen Rechte mitberücksichtigen. Dort wo bereits Betten zugewiesen wurden und wo Baukonzessionen ausgestellt wurden, diese Projekte sollen natürlich noch umgesetzt werden.
 
Im Tourismussektor tut man jetzt so, als falle man über diesen Vorschlag aus allen Wolken?
 
Es hat eine ganze Reihe von Vorgesprächen gegeben und es ist keineswegs so, dass diese Neuregelung aus heiterem Himmel kommt. Das ist nicht eine Idee, die gestern entstanden ist. Sondern die Überlegungen fußen auf einer langen Diskussion. Es bedarf eine Art Timeout, in dem wir uns die wirkliche Situation genau anschauen.
Das ist keineswegs eine Idee, die gestern entstanden ist. Es bedarf eine Art Timeout, in dem wir uns die wirkliche Situation genau anschauen.
Die Grundsatzfrage dabei: Wieviel Betten haben wir wirklich im Land?
 
Das ist einer der Kernpunkte der Neuerung. Denn wir zählen jetzt nicht die Betten, sondern die Nächtigungen, die es im 2019 in Südtirol gegeben hat. Nur so kann man wirklich einen echten Rückschluss auf die Bettenzahl im Land ziehen. Denn man muss davon ausgehen, dass jeder Gast in einem Bett geschlafen hat. Damit wird die ganze Verwirrung um Betten und Zustellbetten oder auch die Diskussion um Airbnb hinfällig. Diese Dinge haben das Ganze nicht überschaubar gemacht. Jetzt haben wir eine Methode festgelegt, mit der wir eine klare Grenze ziehen können. Vor allem aber haben wir auch eine Grundlage geschaffen, auf der wir die Vision des Tourismus umsetzen können, die im Entwicklungskonzept des Landes aufgearbeitet wird. Nur so können wir das Ganze wieder steuern.
 
 
Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre anschaut dann wird klar, wie rasant das Ganze abgelaufen ist. Hier kommt man in Bereiche, wo die Akzeptanz des Tourismus in der Gesellschaft in Frage gestellt wird.
Auch der HGV tut öffentlich jetzt so, als würde er von dieser Entscheidung überrascht worden sein?
 
Nein, ganz so ist das nicht. Es hat einige Gespräche dazu gegeben. Vor allem gibt es genügend Stimmen aus dem Tourismussektor, die der Meinung sind: Es reicht. Wenn man die Entwicklung der letzten Jahre anschaut – hier müssen wir die Pandemiezeit natürlich ausblenden – dann wird klar, wie rasant das Ganze abgelaufen ist. An Neuausweisungen von Tourismuszonen, an Erweiterungen im privaten Bereich. Hier kommt man in Bereiche, wo die Akzeptanz des Tourismus in der Gesellschaft in Frage gestellt wird. Ich denke, der Tourismus muss sich selbst im Interesse der Wirtschaftlichkeit Grenzen setzen. Aber es geht auch darum, dass Südtirol als Tourismusland insgesamt attraktiv bleibt.
 
Die Reform steht auch heute wieder auf der Tagesordnung der Landesregierung. Wird man auf die herbe Kritik reagieren und einen Rückzieher machen?

Davon gehe ich nicht aus. Wir hatten vorvergangenen Samstag in der Landesregierung eine Klausur zum Thema Tourismus. Dabei wurden alle Punkte offen diskutiert. Am vergangenen Mittwoch haben wir in der Landesregierung dann die neuen Leitlinien und Grundsätze beschlossen. Heute werden wir in der Regierung die Durchführungsverordnung für den Tourismus behandeln, die aufgrund des neuen Gesetzes für Raum und Landschaft noch ausständig ist. Danach bleiben noch die Anträge zur Ausweisung von Tourismuszonen, die noch aufliegen. Es sind über 50 Anträge. Wir wollen diese Anträge jetzt in einem Aufwasch behandeln…
 
Und sie pauschal durchwinken?
 
Nein. Es werden sicher einige Anträge genehmigt. Vor allem jene, die nicht problematisch sind, weil es sich nur um geringfügige Erweiterungen handelt, für die auch positive Gutachten der zuständigen Landesbehörden vorliegen. Dieser Schritt wird aber erst in der Landesregierung in einem zweiten Moment erfolgen. Davor muss die Durchführungsverordnung in der Landesregierung behandelt werden. Dabei ist vorgesehen, dass als Übergangslösung einiges fortgeschrieben wird was war. Aber nur in Bezug auf die qualitative Erweiterung. Es wird keine quantitativen Erweiterungsmöglichkeiten mehr geben.
Die Politik kann aber nicht auf Einzelinteressen schauen, sondern sie muss das übergeordnete Interesse des Tourismussektors und des Landes im Auge behalten.
Der große Aufschrei der Tourismuslobby wird demnach erst noch kommen?
 
Ich denke man muss, das Ganze etwas breiter sehen. Natürlich hat der Einzelne verschiedene Pläne im Kopf, wie er seinen Betrieb noch erweitern kann. Die Politik kann aber nicht auf Einzelinteressen schauen, sondern sie muss das übergeordnete Interesse des Tourismussektors und des Landes im Auge behalten. Dabei kann es nicht sein, dass wir auf Masse setzen, sondern wir müssen alles tun, damit wir einen hohen Qualitätsstandard halten können. Wenn das unser Ziel ist, dann müssen wir das Angebot irgendwie eingrenzen.
 
 
Man führt auf Gemeindeebene eine Art Bettenbörse sein. Wird damit nicht der Kuhhandel im Tourismus institutionalisiert?
 
Nein. Denn wir werden im Landestourismuskonzept dafür klare und transparenten Kriterien ausarbeiten. Dazu müssen auch die Gemeinden in ihren Entwicklungskonzepten klare Spielregeln festlegen. Man wird sicher nicht gegen Bezahlung einfach Bettenkontingente erwerben können. Das würde nie gut gehen. Wir haben in Südtirol ein Gleichgewicht zwischen gewerblichen Betten, Unternehmen und Familienbetrieben. Es muss unser Ziel sein dieses Gleichgewicht aufrecht zu erhalten. Dazu braucht man Instrumente, um die Entwicklung zu steuern.
Man wird sicher nicht gegen Bezahlung einfach Bettenkontingente erwerben können. Das würde nie gut gehen.
Was lief bisher falsch?
 
Die bisher geltende Regelung hätte dazu geführt, dass in den kommenden Jahren noch Zehntausende Betten entstanden wären. Einige davon sind schon in der Pipeline und werden auch umgesetzt werden. Ich denke es ist an der Zeit zu sagen: Es reicht.
 
Kritiker beanstanden, dass die touristischen Betten gedeckelt werden, aber immer mehr Airbnb-Betten auf den Markt geworfen werden?
 
Wenn wir von Betten und Touristen reden, meinen wir alle, ganz unabhängig davon, ob es sich um Hotelbetten, Urlaub auf dem Bauernhof oder Airbnb handelt. Auch diese Betten werden miterfasst werden. Wir wollen die Frage klären: Wie viele Touristen sollen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in Südtirol aufhalten? Es geht darum zu klären, wieviel Touristen maximal im Land übernachten können. Dabei muss Airbnb natürlich miterfasst werden.