Gesellschaft | MusiklehrerInnen

Lehrausbildung: Chance für Autonomie

Die Perspektiven der in Italien studierenden Musikdozent*innen sind prekär. Ein offener Brief der Konservatoriumsstudenten soll das – im Sinne der Autonomie – ändern.
Musikunterricht
Foto: (c) Clark Young, Unsplash

Mehr als 150 angehende und praktizierende Musiker*innen und Musiklehrpersonen haben sich dem offenen Brief der Studierenden des Bozner Konservatoriums angeschlossen. Ihre Forderung: Eine ansprechende und chancengleiche Berufsperspektive für angehende Musiklehrpersonen, die in Südtirol studieren.

 

Berufsperspektive und Chancengleichheit

 

Wie Salto.bz berichtete, fehlen im Moment sowohl eine ansprechende Berufsperspektive als auch Chancengleichheit für angehende Musiklehrpersonen. So müssen Absolvent*innen des Bozner Konservatoriums “Claudio Monteverdi”, um für den Stammrollenunterricht an den deutschen und ladinischen Mittel- und Oberschulen infrage zu kommen, eine mindestens acht Jahre dauernde Ausbildung hinter sich bringen. Dabei bleibt der Zugang zum lehrbefähigenden Teil der Ausbildung fraglich. Für den Stammrollenunterricht an den italienischen Schulen sowie an den Landesmusikschulen ist indes die Teilnahme an einem staatlichen Wettbewerb nötig, der seit 2016 nicht mehr stattfinden konnte und weiter aufgeschoben wird.

 

Die Autonomie dazu nutzen, das überholte italienische Ausbildungssystem für Musiklehrer zu reformieren und somit eine positive Vorreiterrolle in der italienischen Gesetzgebung einzunehmen.

 

Auch im Vergleich mit den Studienabgänger*innen aus dem europäischen Ausland sehen sich die am Bozner Konservatorium Studierenden im Nachteil: In Österreich Studierende können ihre Lehrbefähigung –und somit den Zugang zu einem unbefristeten Lehrvertrag in Südtirol– nach schon vier Jahren erlangen. Die Mindeststudienzeit für in Österreich Studierende beläuft sich also auf die Hälfte jener Zeit, die in Südtirol Studierende für dasselbe Ziel aufbringen müssen. Zudem ermöglicht es die in vier Jahren erhaltene Lehrbefähigung, jene Musiklehrer*innen, die ein Fachstudium abgeschlossen haben und jahrelange praktische Unterrichtserfahrung sammeln konnten, auf der Rangliste zu überholen und somit im Unterricht zu ersetzen.

 

Die Initiative

 

Aufgrund dieser Problematik, sowie der in Südtirol existierenden Möglichkeit, 30 Prozent der Lehrausbildung autonom zu gestalten, haben Studierende des Bozner Konservatoriums eine Reihe konkreter Vorschläge ausgearbeitet. Diese sollen dazu beitragen, den angehenden Musikdozent*innen aller drei Sprachgruppen eine ansprechende und chancengleiche Berufsperspektive zu ermöglichen. 

Im Brief wird gefordert, dass vom Konservatorium "Claudio Monteverdi" ausgestellte Studientitel wie beispielsweise das 'Diplom II. Grades in Musikdidaktik' für die Rangordnung anerkannt werden. Zudem sollen jene Musiklehrpersonen mit Studientitel in ihrem Fach, die bereits ihren Dienst an den öffentlichen Schulen Südtirols leisten und sich aufgrund der Missstände bisher nicht in die Ranglisten der Provinz eintragen konnten, die Lehrbefähigung erhalten.

Für die Zukunft erhoffen sich die Studierenden ein effizientes Lehramtsstudium in einem einzigen Studiengang mit lehrbefähigendem Abschluss für Musiklehrpersonen [...] am Konservatorium Monteverdi, welches an den Zeitrahmen der lehrbefähigenden Studiengänge der europäischen Mitgliedsstaaten, mit Hauptaugenmerk auf die Modelle der Nachbarstaaten, angepasst wird. Zudem wird eine einheitliche Koordination der Lehrbefähigung unabhängig vom Schultyp der Musik-, Mittel- und Oberschule für alle Sprachgruppen gefordert.

 

 

Als letzter Punkt wird eine Überarbeitung der Rangordnungen verlangt: Unterrichtszeit ohne Lehrbefähigung und künstlerische Tätigkeiten vor dem Erhalt des Studientitels der Bewerber*innen sollen berücksichtigt werden. Die Einschätzung der eingereichten Nachweise für die Punktevergabe sollen Fachleute übernehmen und Studiengänge, Zusatzausbildungen u. Ä., die in den verschiedenen Mitgliedsstaaten der EU absolviert wurden, transparent und nachvollziehbar auf Gleichwertigkeit geprüft werden.

Unterstützt wird der offene Brief von rund 150 Personen, darunter Betroffene, Musiklehrpersonen und Professoren in der Stammrolle, der akademische Rat des Konservatoriums "Claudio Monteverdi", wie auch zahlreiche namhafte Musikern*innen und Konzertmeister*innen aus Italien und Europa. Auch PERFAS, der Dachverband für darstellende Künstler*innen, empfindet die Initiative als Chance, die Arbeitsverhältnisse der Musiker*innen in Südtirol aufzuwerten.

 

Chance durch und für die Autonomie

 

Die Initiatoren der Aktion sehen Schulämter und Landesregierung vor einer grundlegenden Entscheidung: die Autonomie dazu nutzen, das überholte italienische Ausbildungssystem für Musiklehrer zu reformieren und somit eine positive Vorreiterrolle in der italienischen Gesetzgebung einzunehmen. Oder bewusst Berufsperspektiven und Chancengleichheit der in Südtirol Studierenden schmälern.

Wie in einer Pressekonferenz betont wurde, haben sich die Studierenden gegen einen Protest entschieden, um stattdessen konkrete und präzise Vorschläge auszuarbeiten. Auf diese Weise wird versucht, eine Zusammenarbeit zwischen den Betroffenen und den Schulämtern zu erreichen. Bisher konnten jedoch weder beim deutschen noch beim ladinischen Schulamt Gesprächspartner gewonnen werden. Beim italienischen Schulamt stehe eine diesbezügliche Antwort noch aus.

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Quo Vadis Südtirol Fr., 12.03.2021 - 13:57

Seien wir doch ehrlich. Priorität muss wohl die Beseitigung all der Nachteile haben, die dadurch entstehen, weil man eben NICHT im Inland studiert.

Fr., 12.03.2021 - 13:57 Permalink
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Evi Mair Sa., 13.03.2021 - 08:13

Antwort auf von Quo Vadis Südtirol

Ja, DAS Thema kenne ich auch! Wir sprechen vom vereinigten Europa und trotzdem zitiert die Politik die Union nur, wenns ihr gerade in den Kram passt. Bei der oben genannten Ausbildung der Lehrpersonen kann jemand nach 4 Jahre Studium in Österreich gleich DREI verschiedene Fächer unterrichten, hier in Südtirol verpassen sie dir die doppelte Studierzeit, damit du EINES unterrichten kannst. Im Gegensatz dazu schließt einer in München mit dem Informatik - Master mit Bestnote ab... nur, dass das Diplom in Italien nicht zählt! Ja, was denn nun bitte schön?

Sa., 13.03.2021 - 08:13 Permalink
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Evi Mair Sa., 13.03.2021 - 08:24

Der Schrecken an der Sache ist, dass es der Landesregierung EGAL ist, wenn sie hier diese wahnsinnige Unausgeglichenheit schafft. 4 Jahre im benachbarten Ausland = 8 Jahre in Südtirol. Dabei kann man durch die ausländischen 4 Studienjahre DREI Fächer unterrichten. Wenn ich hier acht Jahre studiere, dann darf ich nur EINES unterrichten.
Die Antwort kriegst du direkt ins Gesicht: "Wir haben uns für diesen Weg entschieden. Die Kompetenzen dazu wurden uns gegeben." 8 Jahre... das ist doch verrückt! Da bin ich doch zuerst noch Allgemeinmediziner und verdiene wenigstens ordentlich. Und zusätzlich verlieren einige Menschen MIT betreffender Ausbildung noch ihren Arbeitsplatz. Die Antwort von oben: "Ja, das wissen wir." NO Comment.

Sa., 13.03.2021 - 08:24 Permalink