Grüne Gas(t)geber
“Bisch iaz a Grianer?” Solche und ähnliche Kommentare ist Kurt Resch inzwischen gewohnt. Es sind seine Branchenkollegen, die ihn belächeln, stänkern und abwinken, wenn er ihnen von seinen Überzeugungen erzählt. Die setzt der Koch und Hotelier aus Steinegg seit Jahren in die Realität um. “Die nachhaltigste Region Europas werden ohne Hoteliers? Das kann nicht funktionieren”, ist Resch sicher. Deshalb hat er seinen Betrieb umgestellt. Seit 2019 zählt der “Steineggerhof” zu den aktuell zwei Handvoll Bio Hotels in Südtirol. Dahinter stehen strenge Auflagen, eine klare Mission und die Vision, keine neue Brand, sondern eine Wertegemeinschaft zu schaffen. Und an der sollen auch die maßgeblichen Player mitbauen, findet Resch. “Es braucht ein Umdenken in großem Stil.”
Hinter den Worten
Die endgültige Entscheidung fiel bei einem Urlaub vor drei Jahren. Schon lange zuvor, 1995, hatten Sonja und Kurt Resch die erste Solaranlage installiert und waren mit ihrem seit 1971 bestehenden Familienbetrieb Mitglied der “Umweltsiegel Hotels Südtirol” geworden. Mit den heranwachsenden Kindern reifte dann ein neues Bewusstsein. Sohn Thomas verzichtete auf Fleisch, Tochter Lisa auf sämtliche tierische Produkte. Zudem begann sie, Seife und Zahnpasta selbst herzustellen. “Nach einem Mexiko-Urlaub 2018 begann ich schließlich viel zu hinterfragen”, erinnert sich Kurt Resch. Die Bilder der verschmutzten Umwelt im Ferienort und der Plastikmassen im Meer legten einen Schalter um: “So können wir mit unserer Erde nicht umgehen.”
Nachhaltigkeit. So lautet das Gebot der Stunde heute, wenn die Rede auf das Morgen fällt. Groß ist der Druck vor allem auf die Bauern. Von ihnen wird Wandel hin zu einer Ökologisierung, mit der Natur verträglicheren Wirtschaftsweise eingefordert – und zugleich mit Beiträgen gefördert. Doch was ist mit den Hoteliers?
Auch der Tourismussektor hat Nachhaltigkeit als Megatrend aufgegriffen. “Südtirol zum begehrtesten nachhaltigen Lebensraum in Europa zu machen” ist das erklärte Ziel der IDM seit 2019. Im HGV gibt es seit 2014 eine Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit. Dennoch: Overtourism, Bettenobergrenze oder Nächtigungsstopp sind nach wie vor “Unwörter”, die die Alarmglocken bei den Verbandsgrößen schrillen lassen. Debatten um Wachstumsbremsen sieht man aktuell mehr denn je fehl am Platz. “Mit solchen Maßnahmen nimmt man den Hoteliers und Gastwirten und erst recht der Jugend jede betriebliche Perspektive”, meinte jüngst HGJ-Obmann Hannes Gamper.
Die anhaltende Krisenstimmung aufgrund der Corona-Pandemie scheint Bestrebungen in Richtung Nachhaltigkeit zu erschweren. Vollgas geben, um wieder auf die Zahlen und Geschäftsergebnisse von vor 2020 zu kommen, ist eine naheliegende Devise. Aber längst nicht für alle. Kurt Resch sieht die Zeit reifer denn je, eine breite Diskussion, ähnlich wie in der Landwirtschaft, anzugehen. “Mich hat das ‘mehr, größer, besser’ immer schon gestört”, gesteht der Steinegger Hotelier. “Große Hotelburgen”, wie sie immer noch aus dem Boden gestampft werden, stehen für ihn für die Auswüchse einer Branche, in der “immer mehr Investoren und immer weniger die Hoteliers selbst” das Sagen hätten. “Bevor es komplett ausartet, braucht es ein komplettes Umdenken”, sagt Resch. Er weiß, dass “nicht viele” Hoteliers dazu bereit sind. Auch, weil der “Druck von oben, der Lobbys sehr groß ist”.
Krise, Klima, Wandel
Vollgas haben die Brüder Andreas, Georg, Klaus und Markus Pichler ihr (Berufs-)Leben lang gegeben. Erfolgreich führen sie das Hotel “Ganischgerhof”, die Almwirtschaft “Gardoné”, die Unterhaltungs- und Après-Ski-Lokale “Platztl” und “Ganischgeralm” in Obereggen. Der jüngste Neuzugang: die Loungebar “LOOX”, die im Dezember 2019 eröffnet hat. Und nur wenige Wochen später wieder schließen musste. Wegen Corona. “Wir hoffen, dass wir spätestens zur nächsten Wintersaison (2021/22, Anm.d.Red.) wieder viel von der Normalität zurück haben, nach der wir uns alle sehnen”, sagt Markus Pichler in einem Gespräch mit seinen Brüdern, das es auf der Unternehmens-Webseite nachzulesen gibt. Zugleich schlagen die vier nachdenkliche Töne an. “Wenn uns Corona doch etwas gezeigt hat, dann, dass wir Dinge erreichen können, die wir uns nie vorstellen konnten – die Grenzen waren geschlossen, wir waren zwei Monate zu Hause, um das Virus einzudämmen”, meint Andreas Pichler. “Und wenn wir beim Thema Klimawandel gegensteuern wollen, müssen wir eben auch konsequent handeln. Wir müssen entschlossen konkret etwas verändern – und das ist in vielen Punkten wirklich einfach.”
Kurt Resch kennt die Pichlers und hat die leise Veränderung im Denken einiger Tourismus-Kollegen wahrgenommen: “Viele finden die ganze Corona-Situation sehr tragisch – ist sie auch, das steht außer Frage. Aber einige Hoteliers denken durch Corona auch um, wollen weniger arbeiten, haben zum ersten Mal im Leben Weihnachten mit der Familie gefeiert und jetzt Zeit für sie, denken über die Zukunft nach, wollen klimaneutral werden.”
Dazu zählen die 32 “Vitalpina Hotels Südtirol”. 2021 sind sie geschlossen dem “Klimaneutralitätsbündnis 2025” beigetreten. “Wir haben uns schon seit geraumer Zeit dem Thema Nachhaltigkeit verschrieben”, betont Brigitte Zelger, Präsidentin der Angebotsgruppe. “Mit dem Beitritt zum Klimaneutralitätsbündnis wollen wir durch konkrete, messbare Maßnahmen unseren CO2-Ausstoß so verringern, dass all unsere Betriebe schlussendlich klimaneutral werden.” Darüber hinaus werden künftig mindestens 20 Prozent der Lebensmittel und Getränke in den Vitalpina-Betrieben regional zertifiziert sein. “Damit wollen wir die regionalen Kreisläufe stärken”, erklärt Zelger, die in Deutschnofen das Hotel “Pfösl” führt.
Ein Zehntel CO2
Klimaneutralität bedeutet, rein rechnerisch kein CO2 auszustoßen: Durch einen Prozess oder ein Produkt werden keine Emissionen erzeugt bzw. die reduzierten Emissionen werden durch Investitionen in Klimaschutzprojekte ausgeglichen. Auch Betriebe, die sich als “Bikehotels” bezeichnen wollen, sind verpflichtet, bis 2022 dem “Klimaneutralitätsbündnis 2025” beizutreten. Der “Steineggerhof” gehört dazu. Doch Kurt Resch geht das nicht weit genug. Sein Hotelbetrieb war 2019 und 2020 klimapositiv, hat also nachweislich mehr CO2 kompensiert als verursacht. Als erster in Südtirol.
Laut Erhebungen der Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus in Südtirol steigt der Energieverbrauch im Tourismus: 2018 machte er 8,7 Prozent der insgesamt in Südtirol verbrauchten Energie aus. Ungefähr 9 Prozent der in Südtirol erzeugten Abfälle können der Tourismusbranche zugeschrieben werden. Wie viel CO2 der Sektor verursacht, dazu gibt es keine Berechnungen. Laut einer Schätzung der EURAC beträgt der Anteil der Beherbergungsbetriebe an den gesamten Treibhausgasemissionen in Südtirol fast 5 Prozent. Zudem verursachen Touristen während ihres Aufenthalts in Südtirol knapp 3 Prozent der gesamten Verkehrsemissionen.
“Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, etwas zu tun”, hat Kurt Resch festgestellt. “Auch in der Küche”, sagt er als Koch: angefangen bei Alternativen zur omnipräsenten Plastikfolie bis hin zum “Zurück zur Natur” bei den Zutaten. In Reschs Küche gibt es keine Flugware – Bananen, Ananas und exotische Gewürze hat der Küchen- und Hotelchef aussortiert. Fleisch kommt nur als Hauptspeise auf den Tisch, die meisten Tiere dafür vom Hof von Tochter Natalie. Regionales und saisonales Gemüse wächst zum Teil neben Kräutern im hauseigenen Permakultur-Garten. Einen großen Teil des Gemüses liefert Biokistl.
Die strengen Bio-Richtlinien schreiben auch die Standards der Bio Hotels vor. Bio-Putzmittel, zertifizierte Bio-Naturkosmetik, Recycling-Papier, Plastikvermeidung, Fahrgemeinschaften für Mitarbeiter, Photovoltaik- und Solaranlage runden die Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit und weniger Emissionen ab. “Wir haben unseren CO2-Ausstoß von 7,3 Kilogramm pro Übernachtung 2017 auf 4,43 Kilogramm 2018 reduzieren können”, sagt Kurt Resch zufrieden. Zum Vergleich: “Ein konventionelles 4****S-Hotel misst einen Ausstoß von 40 Kilogramm pro Übernachtung.”
Am Ganzen arbeiten
Wie kommt das neue Konzept bei den Gästen an? Einige, darunter Motorradfahrer, die den “Steineggerhof” gern aufgesucht haben und große Fleischesser sind, bleiben aus. “Man hat mich gewarnt, dass ich Gäste verlieren werde”, berichtet Resch. “Dafür sind andere, sehr interessante dazugekommen.” Doch rechnet sich der rigorose Kurs auch? Schließlich ist ein Hotelier vor allem Unternehmer und nicht unbedingt Wohltäter.
Natürlich, Bio-Ware kostet mehr, insbesondere das Fleisch sei ein teurer Faktor, meint Resch. Dennoch: Er hat in der Küche, in der er mittlerweile mit Tochter Natalie gemeinsam steht, 20 Prozent an Kosten eingespart. Etwa, dadurch, dass die wenigen Tiere, die noch verarbeitet werden, als Ganze gekauft und dann auch bis zum letzten Teil verwertet werden. “Das macht auf der Kostenseite einen wirklich großen Unterschied”, betont Resch. Dafür ist die Arbeit aufwändiger geworden, es wird viel eingeweckt, fermentiert. “Die Gäste spüren, dass wir das leben, was wir uns auf die Fahne geschrieben haben und honorieren es auch.”
Unter seinesgleichen hat der 56-Jährige nicht immer einen leichten Stand. “Einige stänkern und belächeln mich, stempeln mich als ‘Grünen’ ab.” Selbst sieht sich Resch als “Anstupser”, führt Gespräche auch mit Bauern, die er motivieren will, auf Bio umzustellen – im Gleichschritt mit den Hoteliers als sichere Abnehmer der Lebensmittel. Tatsächlich hat sich etwas getan: “Bei mir melden sich fast jede Woche Gastbetriebe, um sich über Bio, vegane Ernährung oder Nachhaltigkeit zu informieren. Das hat es früher nicht gegeben.”
Das Gros der Arbeit für Nachhaltigkeit (auch) in der Südtiroler Hotelbranche mit knapp 4.000 Betrieben (Stand 2020) liegt in Reschs Augen bei den großen Playern: HGV, LTS, IDM. Auch wenn bereits Schritte gesetzt worden seien, stehe man “erst am Anfang”. Es brauche vor allem Aufklärungsarbeit, meint der Steinegger: “Die Betriebe müssen wissen, was möglich ist.”
Bei der IDM habe man “erkannt, dass eine Nachhaltigkeitswende von der Basis, den Hotels ausgehen muss. Denn die nachhaltigste Region Europas zu werden ohne die Hoteliers einzubinden, kann nicht funktionieren”. Demnächst soll eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden.
Dass er für seine Überzeugungen nicht nur Wohlwollen erntet, bringt Kurt Resch nicht davon ab. Ein Zitat, das Arthur Schopenhauer zugeschrieben wird, bestärkt ihn: “Jede Wahrheit durchläuft drei Stufen: Zuerst wird sie lächerlich gemacht oder verzerrt. Dann wird sie bekämpft. Und schließlich wird sie als selbstverständlich angenommen.”
Bravo Kurt & Co. ... avanti
Bravo Kurt & Co. ... avanti popolo! ... einfach jeder so viel er kann. Und natürlich auch SIE kann.
Das ist sehr glaubwürdig und
Das ist sehr glaubwürdig und weist in die Zukunft. Es ist wunderbar, dass Initiativen wie die der Familie Resch beweisen, dass es auch anders geht, dass es sich unternehmerisch rechnet, neue Wege zu beschreiten, dass das Spass macht und vor allem: Sinn!
Hauseigener Permakultur
Hauseigener Permakultur-Garten, Verzicht auf eingeflogene Lebensmittel, ganzheitliche Verwertung der Tiere...: eine Betriebsphilosophie, die Hoffnung macht. Danke für dieses schöne Beispiel. Mögen sich weitere Betriebe auf den Weg machen, ich wünsche dabei viel Erfolg!
Finde es gut , dass einige
Finde es gut , dass einige versuchen Nachhaltig zu arbeiten, leider sind wir den ganzen Kontrollen und vor allem den ganzen Vorschriften unterworfen, die ganze Hygienevorschriften was die Verbackung betrifft sind übertrieben.
Lokale Einkäufe wie früher gibt es heute nicht mehr. ich finde wenn man lokal erzeugte Produkte , wie Milch- Produkte, Apfel und Wein lokal bezieht sind wir auf den richtigen Weg. Ich weiß viel Produkte werden in unserem Land nur " Veredelt", ohne Importe würde unsere Wirtschaft zusammenbrechen.
Weiters muß der Produztent sich anpassen ,bei der Fütterung der Tiere und dem Anbau von Gemüse, dafür darf er keine übertriebenen Kontrollen unterzogen werden, denn diese verursachen nur Mehrkosten und schrecken die Bauern ab, alles sollte auf Vertrauenspassis ausgelegt sein.
Alle welche zum Klimaschutz beitragen alles gute , dafür braucht man nicht unbedingt Bio werden.