Happy
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Gesellschaft | fritto misto

I feel good!

70 Prozent der Südtiroler*innen sind auch ein Jahr nach Pandemie-Beginn die meiste Zeit happy peppy. Sie etwa nicht? Pfui!

Ja, ich muss sagen, es hat mich fast vom Stuhl gehaut an jenem Morgen, als mir Rai Südtirol verkündete, dass zwei Drittel der Südtiroler*innen „die meiste Zeit glücklich, gut gelaunt und entspannt“ sind. Und das im Jahr 2021, nach einem Jahr Corona, zig Toten, einigen Lockdowns und mit einem nach wie vor recht ungewissen Ausblick auf die mutationsfreudige Zukunft. „Das Glück ist ein Vogerl“, sagt der Wiener, unstet und frei zu kommen und zu gehen, wie’s ihm passt. Nicht so das Glück der Südtiroler*innen, scheint’s: Das muss kein quirliger Sperling sein, sondern eine behäbige, fette Stadttaube, die, hat sie sich erstmal irgendwo niedergelassen, alles zuscheißt mit ihrer Glücklichkeit und keine Anstalten macht, wegzufliegen. Ich meine: glücklich. Die meiste Zeit. Da kann man nur neidisch sein. Ich bin nicht mal in wirklich guten Zeiten die meiste Zeit glücklich, einfach weil „glücklich“ ein großes Wort ist. „Es ist schwer, das Glück in uns zu finden, und es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden“, meinte etwa der französische Schrifsteller Nicolas Chamfort (1741-1794), aber er hatte es offenbar auch nie nach Haute Adige zu uns Glückskünstlern geschafft. Wobei: Ich muss gestehen, ich kenne diese Glückskünstler auch nicht. Wenn ich dieser Tage wen frage: „Wie geht’s?“, dann lautet die Antwort meist: „Ma, geat schun.“ „Wert schun giahn.“ Ist das schon Glück? Dann stapeln wir tief. So wirklich tiefenentspannt geht es in meinem Bekanntenkreis auch nicht zu, eher sitzt man seit Monaten auf Nadeln als auf einer rosa Wolke. Aber bestimmt kenne ich nur die falschen Leute. Die restlichen 30 Prozent eben. Die zwei Drittel happy Südtiroler*innen, die James Brown-mäßig an jeder Straßenecke zu ihrem Glück abtwisten, die entgehen mir einfach. Oder, wahrscheinlicher: Ich will sie nicht sehen. Es sind ja so viele, die könnte man ja gar nicht übersehen. Zwei von Dreien glücklich, gut gelaunt und entspannt: Wo versteckt ihr euch, zum Kuckuck? Teilt gefälligst euer Glück mit uns!

Wieso aber kenne ich nur ein paar glückliche Hanseln, wenn Südtirol damit überzugehen scheint?

Gut, je mehr ich drüber nachdenke, einige von ihnen kenne ich vielleicht doch. Die scheiden sich in genau zwei Kategorien: Da sind auf der einen Seite die unverbesserlichen Frohnaturen, die einfach nicht von ihrem Glück abzubringen sind. Die freuen sich über eine Corona-Infektion („Iatz hon i Antikörper!“) und die werden sich auch noch über den Klimawandel freuen („Geil, bold konn i Bananen züchten!“). Die gibt es, sie sind halt so. Mit viel Geduld hält man sie aus. Auf der anderen Seite sind die „Das ganze Leben ist ein Wettbewerb“-Kandidaten. Die sind auch glücklich, oder behaupten es zumindest, weil sie immer einen Tick weiter sein müssen: Ich habe kein Problem. Mir geht es gut. Ich mache alles richtig. Du nicht? Oooh. Sie sind nicht weiter ernst zu nehmen. Ihr Glück ist nur Fassade.

 

Wieso aber kenne ich nur ein paar glückliche Hanseln, wenn Südtirol damit überzugehen scheint? Es ließ mir keine Ruhe, wo ich doch sonst immer so stolz auf mein mannigfaltiges Umfeld bin. Also grub ich die ASTAT-Studie aus, aus der unser LH so euphorisch zitierte. Tja. Wenn man Glück bloß verordnen könnte wie einen dreiwöchigen Lockdown: „Gonna make you smile (Everbody happy now)!“, unterlegt mit dem passenden Soundtrack. Schön wär’s. Es gibt wohl einen Grund dafür, dass „in der öffentlichen Berichterstattung leider eher die negativen Entwicklungen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt wurden“, wie Kompatscher bedauerte. Zum Beispiel jenen, dass die negativen Entwicklungen signifikanter sind als die zwei Drittel happy Südtiroler*innen. Dass die happy sind, ist auch gar nicht mehr so erstaunlich, wenn man sich ansieht, wann die Stichprobenerhebung durchgeführt wurde: Im Januar 2021, bezogen auf einen Zeitraum von zwei Wochen, und nicht etwa auf das vergangene Corona-Jahr. Im Januar war eventuell sogar ich etwas happy. Wir hatten Weihnachten mit der Familie gefeiert, durften ohne Rechtfertigungszwang im Land umherstreifen und  hatten noch wenig bis keine Ahnung davon, dass uns schon bald nicht nur die Forsythien, sondern auch eine Inzidenz von über 800 blühen würde. Und auch sonst kommt Peter Koler, Direktor des Forum Prävention, in seinem beigefügten Fazit zur Studie zu einem etwas anderem Schluss als unser LH: „Eine bzw. einer von drei, und das ist nicht mehr die Randgruppe, wie wir sie sonst aus ähnlichen Befragungen kennen, ist in ihrem persönlichen Wohlbefinden angeschlagen. Gleich wie bei der Studie zum ersten Lockdown leiden Frauen und insbesondere die jüngste Altersgruppe am stärksten unter den veränderten Lebensbedingungen und den zusätzlichen Belastungen. Bei den 18-bis 29-Jährigen sinkt der Prozentanteil bei den Variablen „ausgeschlafen“, „aktiv“ und „Alltagsinteressen“ auf fast 50%“.

Ich bin nicht mal in wirklich guten Zeiten die meiste Zeit glücklich, einfach weil „glücklich“ ein großes Wort ist

Sollten wir uns darauf konzentrieren, dass es einem Drittel von uns gar nicht gut geht, und dass vor allem die Jugend zunehmend unter der Pandemie und ihren Folgen leidet? Oder sollen wir uns freuen, dass zwei Drittel von uns, vor allem die älteren Semester, im Januar eine verhältnismäßig gute Zeit hatten? Ich entscheide mich für Ersteres, aber ich bin auch ein alter Griesgram und freue mich erst dann über good news, wenn es wirklich uneingeschränkt solche sind, für alle. Und lobe mir eine öffentliche Berichterstattung, die dort hinleuchtet, wo sonst keiner hinschauen will. Auch wenn und grad weil’s weh tut.

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Heinrich Duer Di., 13.04.2021 - 10:48

“ Zwei von Dreien glücklich, gut gelaunt und entspannt: Wo versteckt ihr euch, zum Kuckuck?”

Dann oute ich mich hiermit :-)

Ich denke der Grund für die gefühlte Abwesenheit der Glücklichen aus Sicht eines Unglücklichen liegt in der höflichen Natur des Menschen. Es ist doch äusserst unsympathisch jemanden sein eigenes Glück auf die Nase zu binden. Vorallem in dieser Zeit, wenn es dem Anderen nicht besonders gut geht, da er den Job oder einen seiner Lieben durch Corona verloren hat.

Dennoch, ich halte nichts davon sich aus purer Solidarität davon selbst zu überzeugen unglücklich sein zu müssen. Wenn es einem gut geht und man glücklich ist, sollte man sich nicht dafür schämen müssen.

Ich zähle mich selbst zu den unverwüstlichen Optimisten und Lebensfrohen. Man muss sich oft auch bemühen diese Eigenschaft situationsunabhängig zu bewahren. Warum? - weil es einfach schöner für einen selbst und sein Umfeld ist glücklich zu sein.

Meine Empfehlung deshalb: wenn jemand das nächste Mal danach fragt wie es geht, dann erinnern sie sich doch an ein schönes Ereignis der vergangenen Woche, antworten “gut” und erzählen von dem Ereignis. Machen sie es dezent, aber antworten sie nicht “geht so”. Zum Glück ist Freude ansteckend und man erreicht bei seinem Gegenüber und sich selbst mehr als wenn man sich gegenseitig nur über das scheinbar unerträgliche Geschenk des Lebens beklagt und sich im gegenseitigen Mitleid suhlt.

Di., 13.04.2021 - 10:48 Permalink
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Salto User
Sepp.Bacher Di., 13.04.2021 - 11:42

Ich habe oft den Eindruck, dass bei solchen Erhebungen eher die Zufriedenheit als das Glück gemeint sind. Jedenfalls werden hier diese beiden Zustände vermischt. Diesen Eindruck hatte ich auch wenn ich eine Doku über den nationalen Glücksfaktor (oder wie das genau heißt) von Butan gehört habe und warum Butan das glücklichste Land der Welt sei.
Bei uns sagen die Meisten, dass es gut geht, wenn sie von einer Person, die sie nicht kennen oder der sie nicht ihr wirkliche Stimmung mitteilen wollen. Es ist ein Schutz gegen weitere Fragen. Das ist nämlich meine Erfahrung.

Di., 13.04.2021 - 11:42 Permalink
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Lollo Rosso Di., 13.04.2021 - 12:21

Ich fand es auch unangebracht, wie der LH diese Studie verkauft hat. Zu behaupten, die Mehrheit der Bevölkerung sei zu diesem Zeitpunkt glücklich ist blanker Hohn für alle, die wirtschaftliche oder psychische Probleme haben. Ich hätte ihm mehr Feingefühl zugetraut.

Di., 13.04.2021 - 12:21 Permalink
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Luis Durni Sa., 17.04.2021 - 17:38

halb voll oder halb leer? kein unterschied, ansichtssache.
mach es wie die sonnenuhr, zähl die heiteren stunden nur.
kienzl schreibst du noch was du willst? ja, du glückliche!

Sa., 17.04.2021 - 17:38 Permalink