Gesellschaft | Nasenflügeltests

Validität der Schnelltests

Am Montag wird die Gastronomie begleitet von einem Massenscreening mittels Nasenflügeltests wieder geöffnet. Wie zuverlässig ist das Monitoring mit den Schnelltests?
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Selbsttest
Foto: (c) pixabay

Ab nächster Woche wird es im gesamten Staatsgebiet wieder möglich sein, Bars und Restaurants im Freien zu besuchen. Südtirol will wieder einen Sonderweg gehen und die Gastronomie auch in den Innenbereichen öffnen. Zugangsvoraussetzung soll ein negatives Testergebnis, eine Impfung oder ein Antikörpernachweis aufgrund durchgemachter Erkrankung sein. Für die große Gruppe der Bevölkerung, welche noch nicht die Möglichkeit der Impfung hatte, werden die Gemeinden Gratis-Nasenflügeltests anbieten. Dabei sollen die Bürger unter Anleitung und Aufsicht von geschultem Personal diesen Test selbst durchführen. Die Landesregierung lobt dieses Monitoring schon im Vorfeld, verweist auf die Möglichkeit, sicher öffnen zu können und das medizinische Sprachrohr der Südtiroler Politik Patrick Franzoni betont die hohe Güte und Validität der Nasenflügeltests.

Herstellerangaben

Derzeit werden in Südtirol verschiedene Produkte als Nasenflügeltests eingesetzt. Der Test mit der momentan größten Verbreitung, sei es in den Schulen, als auch in den Arztpraxen und voraussichtlich auch bei den geplanten Teststationen ist der Abbott Panbio Schnelltest. Dieser Test ist nicht als Selbsttest konzipiert und soll nur von geschultem, medizinischen Fachpersonal durchgeführt werden. Der Hersteller gibt im Beipackzettel eine Sensitivität von 98,1% an, d.h. dass mittels PCR-Test positiv getestete Personen zu 98,1% richtig erkannt werden. Auch die Spezifität liegt mit 99,8% in einem sehr hohen Bereich, demzufolge lediglich 0,2% der negativen Personen ein falsch positives Ergebnis erhalten. Diese Zahlen lassen auf eine sehr hohe Güte dieser Tests schließen und dies wird uns von offizieller Stelle auch immer wieder vermittelt. Die Herstellerangaben hinsichtlich Validität des Testprodukts sind bei den anderen Produzenten ähnlich. Nicht gesagt wird dabei, dass diese Gütekriterien an Versuchsgruppen, bei welchen der Verdacht auf Exposition mit COVID-19 bestand oder die in den letzten 7 Tagen Symptome aufzeigten, unter Laborbedingungen ermittelt werden.

Praxiserfahrungen

Beim Einsatz der Nasenflügeltests für das Massenscreening werden fast ausschließlich asymptomatische Personen getestet. Der Abstrich wird zusätzlich von medizinischen Laien durchgeführt. Welche Qualität des Testergebnisses ist dabei zu erwarten? Das globale Netzwerk Cochrane, bestehend aus Wissenschaftlern, Ärzten, Angehörigen der Gesundheitsfachberufe und Patienten, welches sich dafür einsetzt, dass Entscheidungen zu Gesundheitsfragen weltweit auf Basis hochwertiger, relevanter und aktueller wissenschaftlicher Evidenz getroffen werden, hat die Daten von 64 internationalen Studien zur Genauigkeit der Schnelltests zusammengefasst. Bei Personen mit Symptomen wurden im Durchschnitt 72% der Menschen, die COVID-19 hatten, korrekt als positiv identifiziert. Bei Personen ohne Symptome erkannten die Antigentests im Durchschnitt 58% der Infizierten richtig.

Auch der Sarner Immunologe Bernd Gänsbacher bescheinigte diese Woche im Pro&Contra der RAI dem Nasenflügeltest eine Trefferquote von lediglich 50% bei asymptomatischen Personen. Deshalb verweist Gänsbacher auf die regelmäßige Wiederholung des Tests, da mit zunehmender Viruslast die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Erkennung steigt. Bei einer einmaligen Durchführung mittels Nasenflügeltests sieht der Experte viele Schwächen. Wobei hier noch anzumerken wäre, dass gerade junge Menschen häufig asymptomatisch bleiben und wahrscheinlich deshalb gar keine ausreichende Virusmenge erzeugen.

Empfehlungen der Fachwelt

In einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland e.V. (BVKJ), der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) wurde bereits im Februar diesen Jahres vor dem flächendeckenden Einsatz der Schnelltests in den Schulen gewarnt. „Es ist zu erwarten, dass die Zahl falsch negativer und falsch positiver Ergebnisse inakzeptabel hoch sein und weit mehr Schaden als Nutzen mit sich bringen wird. Hinzu kommt das Potenzial großer präanalytischer Fehler in der Probenentnahme.“ so die Fachgesellschaften. Gerade bei asymptomatischen Kindern wird das Massenscreening als ungerechtfertigt und unangemessen betrachtet. Auch der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss sieht nur einen bescheidenen Effekt der Tests, die hohen finanziellen Mittel seien anderswo besser eingesetzt. Weiss, der dem Beraterstab der Corona-Taskforce im österreichischen Gesundheitsministerium angehört, verweist auf die geringe Evidenz und auf die falsche Sicherheit, die durch ein negatives Testergebnis entsteht. Der Präsident des RKI Lothar Wieler hat aus den selben Gründen letztes Jahr von den Massentests abgeraten.

Ob das geplante neuerliche Massenmonitoring epidemiologisch sinnvoll ist, bleibt aufgrund dieser Aspekte und bei der momentan geringen Infektionslage fraglich. Die ersten Ergebnisse aus den Schulen haben eine Positivitätsrate von unter 0,1% aufgezeigt. Es ist davon auszugehen, dass sich viele Menschen nur bei gegebenen Anlass, wie z.B. Restaurant- oder Kinobesuch testen lassen und somit das Risiko zusätzlicher Ansteckungen aufgrund falsch negativer Ergebnisse steigt. Ob der Aufwand und die Kosten in Millionenhöhe den zu erwartenden Nutzen rechtfertigen, ist noch zweifelhafter. Vor allem wenn auf der anderen Seite das Geld fehlt, um die Betriebe und die Bevölkerung entsprechend zu unterstützen. Hundertprozentig sicher ist allerdings, dass die Landespolitiker die Testoffensive als großen Erfolg verkaufen werden.