"Es bleibt noch viel zu tun"
Am 23. April ist Equal Pay Day. Die europaweite Initiative wurde vor zehn Jahren nach Südtirol gebracht und soll auf die geschlechtsspezifischen Lohndifferenzen aufmerksam machen. Denn noch sind auch bei einer gleichen Position oder Qualifikation weltweit, aber auch konkret in Südtirol erhebliche Lohndifferenzen vorzufinden.
Der Gender Pay Gap, der in Südtirol bei den Vollzeitbediensteten im Privatsektor 17, und im öffentlichen Sektor 17,8 Prozent beträgt, ist italienweit einer der höchsten. Allerdings gilt zu beachten: Je höher die Beschäftigungsrate von Frauen, desto größer auch der Pay Gap. Darauf weist die Wissenschaftlerin und AFI-Vizedirektorin Silvia Vogliotti hin. Und in Südtirol sei diese Beschäftigungsrate für Frauen besonders hoch.
Ungleicher Zugang zu Berufen und klassische Geschlechterrollen
Ziel bleibt, den Gap im Laufe der Jahre vollständig zu schließen. Grund zum Aufatmen gibt es bislang nicht, wie aktuelle gesellschaftliche Beobachtungen und Entwicklungen zeigen. So sei beispielsweise das Lohngefälle in der Rente noch massiver, betont Vogliotti – auch bedingt durch veränderte Familienstrukturen und häufigere Scheidungen. Hinzu kommen Entwicklungen wie ein Rückgang in der weiblichen Arbeitsbeteiligung seit Corona, das den Pay Gap in Zukunft wieder vergrößern könnte.
Die relevanten Faktoren für die ungleiche Entlohnung sind vielschichtig und in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Frauen würden nämlich besonders indirekt diskriminiert, wie die Vertreterinnen der Stadt Brixen in einer Pressemitteilung schreiben. Bei einer Videokonferenz, die der Landesbeirat für Chancengleichheit am 14. April organisierte, ging hervor, dass Frauen sich beispielsweise auf bestimmte Wirtschaftssektoren und Berufsfelder konzentrieren, die ein geringes Einkommen stellten. Frauentypische Berufe werden nach wie vor unterdurchschnittlich bezahlt.
Was sich in der Konferenz herausstellte: Frauen erhalten nicht denselben Zugang zu Berufen und Positionen, ihre Arbeit wird schlechter bewertet, womit dann auch gleichwertige Arbeit schlechter bezahlt wird. Ebenso gibt es eine "gläserne Decke", da Arbeitsaufgaben häufig so verteilt werden, dass Frauen weniger beförderungswürdige Aufgaben übernehmen. Die Gründe dafür liegen sowohl in unserer Kultur als auch in der Arbeitsorganisation und Gesellschaft: Geschlechterrollen beeinflussen die Bildungs- und Berufswahl von Frauen stark und können sie hemmen, Gehaltserhöhungen zu verlangen. Ebenfalls gibt es in vielen Familien nach wie vor eine klare Rollenverteilung, die für Frauen eine starke Doppelbelastung bedeuten kann. Nicht zu vergessen, dass die Zeit, die sie für den Haushalt aufwenden, als unbezahlte Arbeit angesehen werden kann.
Die Lohnunterschiede seien auch aufgrund von Bildungsentscheidungen von Frauen vorhanden: Mädchen entscheiden sich beispielsweise weniger häufig für mathematikintensivere Studienprofile, so die Genderökonomin Christine Zulehner. Dies sei, so Zulehner, sicherlich auf Genderrollen zurückzuführen. Allerdings schwäche es auch gleichzeitig eine Standardargumentation von "unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau" ab, da eine Förderung in der Bildung in bestimmten Bereichen konkret geleistet und dem Pay Gap somit entgegengewirkt werden könnte.
Die "She-cession" durch Corona
Spürbar sei auch die Corona-Krise, meint Christine Zulehner, durch die es zu einer sogenannten "She-cession" gekommen sei, also einer weiblichen Rezession. Frauen hätten 2020 weniger Netzwerkpflege betreiben und auch in geringerem Ausmaß Berufserfahrung sammeln können. Die Genderökonomin befürchtet darum, dass es in naher Zukunft erneut zu einem höheren Lohnverlust und einer Erhöhung des Lohnunterschiedes zwischen den Geschlechtern kommt. "Die Corona-Pandemie hat sich stark auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen ausgewirkt, die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern haben sich verstärkt, zuungunsten der Frauen", sagt auch die Gleichstellungsrätin Michela Morandini. Laut neuesten Erkenntnissen des World Economic Forum brauche es 267,7 Jahre, um den Gender Pay Gap zu schließen.
Um gegen die Entwicklung durch die Pandemie vorzugehen, setzt das Land Südtirol auf aktive Arbeitsmarktpolitik: dezentrale Co-Working-Plätze, innovative Arbeitsmodelle, Zugang zu hochqualifizierten Arbeitsplätzen. So will man bis 2024 die Frauenerwerbsquote auf 77 Prozent erhöhen, die im vergangenen Jahr 69,9 Prozent betrug, und zudem die Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt abbauen, erklärt Landesrat Philipp Achammer.
Aktives Engagement für Chancengleichheit
"Wir werden uns im Landesbeirat weiter dafür einsetzen, dass Frauen einen angemessenen Platz in der Gesellschaft haben, dass sie in der Politik gehört und für ihre Leistungen fair behandelt werden", verspricht die Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit Ulrike Oberhammer. Am heutigen Aktionstag gibt es in 13 Südtiroler Orten Informationsstände des Beirates, unterstützt von vielen weiteren Organisationen. Zusätzlich soll heute mit dem Tragen der bereits in den vergangenen Jahren viel verteilten roten "Equal Pay Day"-Taschen auf das Thema und die Forderungen auch an die Politik aufmerksam gemacht werden. Es brauche sicher noch viele Equal Pay Days, betont Gleichstellungsrätin Morandini. Trotzdem sei es besonders in Zeiten von Corona, in denen die Ungleichheiten besonders zum Vorschein kämen, fundamental, Stellung zu beziehen.
>Frauen sich beispielsweise
>Frauen sich beispielsweise auf bestimmte Wirtschaftssektoren und Berufsfelder konzentrieren, die ein geringes Einkommen stellten. Frauentypische Berufe werden nach wie vor unterdurchschnittlich bezahlt.<
Das ist eine verzerrte Sichtweise. Männer suchen sich tendenziell Berufe mit hohem Einkommen, Frauen suchen sich jene nach ihren persönlichen Vorlieben. Frauentypische Berufe werden erst zu frauentypischen Berufen, weil Männer vor diesen flüchten wegen geringer Bezahlung und die Frauen bleiben.
>Mädchen entscheiden sich beispielsweise weniger häufig für mathematikintensivere Studienprofile, so die Genderökonomin Christine Zulehner. Dies sei, so Zulehner, sicherlich auf Genderrollen zurückzuführen.<
Das ist das typische sozialischte Menschenbild wo man den Menschen nur zum "neuen Menschen" umerziehen braucht um das gewünschte Verhalten zu erziehlen. Doch auch in der Freien Welt haben Mädchenförderung, Girl Computercamp und MINT-Kampanien für Mädchen das besagliche Ziel nicht erreichen können.
Ich hätte gern ein Beispiel
Ich hätte gern ein Beispiel dafür, nach dem eine Frau, die denselben Beruf eines Mannes ausübt, weniger als dieser verdient. Alle Frauen, die ich kenne verdienen genau dasselbe wie ihre männlichen Kollegen.
Antwort auf Ich hätte gern ein Beispiel von Arne Saknussemm
Das war meine Erfahrung auch.
Das war meine Erfahrung auch Herr Arne S.. Denn per Gesetzt und Kollektivvertrag gibt es keine getrennten Tarife für Männlein und Weiblein. Was sicher möglich ist, dass sich in der Privatwirtschaft Männer öfter als Frauen einen höheren Lohn aushandeln, als den Tariflohn.
Die wesentliche Aussage dieses Beitrages ist die Erkenntnis von Silvia Vogliotti, dass die Unterschiede vor allem mit der Berufswahl zusammenhängen. Diese Erfahrung habe ich als Berufsberater auch gemacht und oft auch in die Diskussion gebracht. Leider kam meine Meinung , die auf Erfahrung beruht, nicht an. Denn Frau möchte immer die Schuld der Männer-dominierten Gesellschaft geben, aber nie bei sich selber nachschauen. So wie auch aus der Studie von Frau Silvia Vogliotti hervorgeht, entscheiden Mädchen und Frauen weniger nach Verdienst- oder Karriere-Aussicht, sondern mehr nach Sinn, Werte und die Arbeit muss gefallen und das Emotionale sollte auch eine Rolle spielen ( Z. B. Beruf mit Tieren, mit Kindern, mit Menschen, mit Blumen, Ästhetik und Mode, Ernährung und Gesundheit, Schönheitspflege, usw.). Diese Berufe sind sehr häufig schlechter bezahlt. Das betrifft aber auch die Männer, die in solchen Berufen arbeiten.