Gesellschaft | Impfung

Der Ärztestreit

Die Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SÜGAM) hat sich gegen den Impfzwang für das Gesundheitspersonal ausgesprochen. Die Ärztekammer ist empört.
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Foto: upi
Monica Oberrauch ist erschüttert. „Wie kann eine Vereinigung, die mit öffentlichen Geldern finanziert wird, dazu aufrufen gegen geltende Gesetze zu verstoßen?“, fragt sich die amtierende Vizepräsidentin der Südtiroler Ärztekammer. Diese Meinung der Kalterer Hausärztin wird im Vorstand der Kammer mehrheitlich geteilt. Die Empörung der Ärztekammer richtet sich direkt gegen die eigene Berufsgruppe und Standesvertretung. Im Fokus der Kritik: Die Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin (SÜGAM).
 

Die Impfpflicht

 
Die SÜGAM ist die größte Interessensvertretung der Hausärzte in Südtirol, ihr gehören etwa drei Viertel der Allgemeinmediziner an. Mitte April 2021 hat sich der SÜGAM-Vorstand mit großer Mehrheit gegen einen Impfzwang für das Gesundheitspersonal ausgesprochen und sich damit offen gegen den staatlichen Impfzwang gestellt.
 
 
Gerade in dieser Frage ist es in den vergangenen Monaten in Italien zu einem nachhaltigen Paradigmenwechsel gekommen. Noch am Jahresende 2020 bekräftigt Ministerpräsident Giuseppe Conte, dass die Einführung einer Corona-Impfpflicht ausgeschlossen werde. Bereits Anfang November machte Gesundheitsminister Roberto Speranza deutlich, dass Italien keine Impfpflicht gegen die Corona-Pandemie einführen wolle. Vielmehr sei innerhalb der Regierung eine „großangelegte Überzeugungskampagne“ angedacht, damit die Bevölkerung das Impfangebot annehme, um eine Herdenimmunität zu erreichen.
Am 2. April 2021 trat aber das Draghi-Dekret in Kraft, welches vorsieht, dass Mitarbeiter in sozio-sanitären Berufen, Altersheimen, Apotheken und konventionierten Kliniken versetzt oder bis Jahresende ohne Bezahlung von der Arbeit suspendiert werden, wenn sie sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen würden. Damit trat in Italien de facto ein Impfzwang für das Personal im Gesundheits- und Pflegebereich in Kraft.
 

Der Aufruf

 
Der Vorstand der Südtiroler Gesellschaft für Allgemeinmedizin lehnt diesen Impfzwang für das Gesundheitspersonal ab.
 
 
 
Die SÜGAM-Vorsitzende Doris Gatterer schreibt bereits vor vier Wochen in einer Aussendung:
„Da einzelne COVID-19-Impfstoffe in sehr seltenen Fällen auch schwere Nebenwirkungen zu verursachen scheinen, können wir den staatlichen de-facto-Impfzwang für das Gesundheitspersonal nicht gutheißen. Die medizinethischen Prinzipien der Non-Malefizienz (= den Patienten nicht schädigen) und der Autonomiewahrung (= Selbstbestimmungsrecht des Patienten respektieren) verbieten in unseren Augen einen Impfzwang mit den zurzeit erhältlichen Vakzinen.
So sehr wir die aktuelle Impfkampagne befürworten und durch unsere aktive Beteiligung unterstützen, deren Erfolg uneingeschränkt anerkennen und eine rasche Ausweitung auf alle informiert- interessierten Bürger wünschen, kann die Impfung gegen COVID-19 mit den aktuell erhältlichen, nur bedingt zugelassenen Vakzinen ausschließlich bei echter Freiwilligkeit erfolgen.“
 

Der Begehrensantrag

 
Vergangene Woche hat die gesamte Opposition im Landtag einen gemeinsamen Begehrensantrag mit dieser Forderung eingebracht. Verfasst von den Freiheitlichen Andreas Leiter Reber und Ulli Mair haben die Abgeordneten von Team K, Südtiroler Freiheit, Enzian, und den Grünen den Antrag mitunterzeichnet.
Die 13 Unterzeichner verweisen darauf, dass jeder vierte Mitarbeiter in Südtirol derzeit nicht geimpft sei. So sollen Ende April 5.753 der insgesamt 20.000 Mitarbeiter im Südtiroler Gesundheitsbetrieb, den Seniorenheimen, Sozialdiensten und konventionierten Privatkliniken sich nicht impfen haben lassen. Der größte Teil soll dabei auf die Mitarbeiter der Seniorenheime entfallen.
 
 
Diese Mitarbeiter wurden in der Folge aufgefordert sich zu erklären, warum sie sich bis jetzt nicht impfen haben lassen. Sollte keine entsprechende Begründung abgegeben werden, wird seitens des Sanitätsbetriebes eine letzte Einladung zur Impfung ausgestellt und sollte diese nicht wahrgenommen werden, so erfolgt eine Meldung des Sanitätsbetriebes an die Betroffenen, den Arbeitgeber und die Berufskammern, wonach die Mitarbeiter in einen Bereich ohne Personenkontakt versetzt oder suspendiert werden sollen.
Wie in vielen anderen Regionen nimmt auch in Südtirol der Personalmangel im gesamten Gesundheitsbereich seit Jahren zu. Besonders im vielfältigen Bereich der Pflege herrscht bereits ein alarmierender Notstand an Mitarbeitern. Der derzeitige Impfzwang verschärft die Situation zusätzlich. „Würde jetzt auch nur ein Teil der aktuell nicht-geimpften Mitarbeiter im Südtiroler Gesundheits- und Pflegewesen suspendiert werden, so könnten essenzielle Dienste und Strukturen nicht mehr aufrechterhalten werden“, schreiben die Abgeordneten.
Zudem setzen alle Europäische Staaten vorwiegend auf Freiwilligkeit. „Weder in Deutschland, Frankreich noch in Österreich wird ein derartiger Schritt angedacht und stattdessen auf Aufklärung, Information und positive Kampagnen gesetzt“, heißt es im Begehrensantrag.
Der Landtag soll deshalb Ministerpräsident Draghi, die Regierung und das Parlament aufrufen das Dekret zur Impfpflicht zu überdenken, den Grundsatz zur Freiwilligkeit auch für das Gesundheitspersonal wiedereinzuführen und anstatt auf Zwang auf Aufklärung zu setzen.
 

Die Gegenstimme

 
Die Südtiroler Ärztekammer spricht sich offen gegen diese Initiative aus. Wie tief der Riss durch die Südtiroler Ärzteschaft dabei geht, zeigt sich bei Monica Oberrauch. Die Hausärztin, die bis vor kurzen auch Ärztekammerpräsidentin war, ist vor kurzem aus Protest aus der SÜGAM ausgetreten. Der Vorstand der Ärztekammer hält das Vorgehen von Doris Gatterer & Co für untragbar.
Weil die Ärztekammer national ausgerichtet ist, dürfte sich der Konflikt in den nächsten Wochen noch verschärfen. Spätestens wenn Rom in die Diskussion aktiv eingreift, wird – wie so oft in Südtirol - aus der medizinischen Diskussion eine autonomiepolitische Kontroverse werden.
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Daniel Kraler So., 16.05.2021 - 20:45

Antwort auf von Martin Mayr

Mainstream ist ja grundsätzlich nichts schlechtes. Entscheidend ist ob Medien unabhängig recherchieren und berichten dürfen und als 4. Gewalt in einer Demokratie ihrer Aufgabe gerecht werden.

Als aktuelles Beispiel die Kundgebung von gestern:

Südtirolfernsehen nahm sich die Mühe ein Interview zu führen:

https://www.sdf.bz.it/2021/05/15/keine-nasenfluegeltests-mehr-2/
https://www.video33.it/2021/05/15/tg33-1900-15-05-2021/

Südtiroler Mainstream:
https://www.suedtirolnews.it/politik/demo-gegen-corona-massnahmen-in-bo…
https://www.tageszeitung.it/2021/05/15/die-demo-der-500/
Nicht mal die Organisatoren konnten sie richtig benennen, geschweige den Inhalt oder die Anliegen.

Ist es nicht bedenklich wenn die 4. Gewalt mit der höchsten Reichweiten, also der Mainstream, sich nicht die Mühe macht zu recherchieren und somit bewusst falsch berichtet um die Meinung der Bevölkerung in eine bestimmte Richtung zu lenken?

So., 16.05.2021 - 20:45 Permalink