Der Südtiroler Film und die "Innovation"
Seit Wochen herrscht große Aufregung in den Reihen der Südtiroler Filmschaffenden. Die IDM wird Fördergelder kürzen. Das ist natürlich bedenklich und diskutabel und zurzeit bereits von genügend anderen erörtert. Ich möchte einen anderen Blick auf die heimische Filmlandschaft werfen, die nur allzu gern von sich spricht und dabei Worte wie „Innovation“ nutzt.
Schlicht und einfach formuliert: Der Südtiroler Film ist in keiner Weise innovativ. Er ist nicht mutig und nicht kühn. Und daraus ergibt sich das zentrale Problem mit der Innovation, denn innovativ ist nicht das, was altbekannt, tausend Mal schon gesehen und neu aufgewärmt wird, sondern das, was man noch nicht kennt, das, was um die Ecke denkt. Das sind Punkte, die natürlich nicht ausschließlich für Südtiroler Filme gelten, sondern ein generelles Problem, insbesondere im deutschsprachigen Raum darstellt. Jedes Jahr werden Filme geschrieben, inszeniert und produziert, die nicht mehr sind als ein Flickenteppich unterschiedlicher Versatzstücke, im besten Fall leicht modifiziert.
Wir sehen hierzulande immer wieder dasselbe, und wenn das wiederholte Abrufen von etablierten Bildern und Schemata bereits als Innovation gilt, sind wir arm dran.
Das Absurde daran ist, dass Filmschaffende nur allzu gern in die Vergangenheit blicken, ohne jedoch daraus zu lernen. Man erinnert sich gern an die großen Klassiker der Filmgeschichte, man bewundert sie und verbeugt sich vor ihnen. Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass angesichts der aktuellen Fördersituation und Produzentenphilosophie kaum ein wirklich innovativer Regisseur bzw. Regisseurin der Vergangenheit mit seinen oder ihren Ideen durchgekommen wäre. Unkonventionelle Erzählformen? Neuartige Schnitt-Techniken? Verwirrung und Verstörung? Südtirol hätte gelächelt, die Stirn gerunzelt, abgelehnt. Die Filmgeschichte gäbe es in der heutigen Form nicht, wären nicht einige Produzent*innen mutig genug gewesen, die neuen Ideen zu fördern und den Künstler*innen freie Hand zu lassen. Ohne sie wäre das Kino noch immer bei den Brüdern Lumiére. Méliès, Griffith, Eisenstein, Welles, Fellini, Godard, Tarkovsky oder Pasolini hätte es nie gegeben.
Es ist auch überhaupt nicht von einem Lernprozess zu sprechen. Lernprozess meint, dass man das Vergangene rezipiert, seine Schlüsse daraus zieht, und darauf aufbaut. Sieht man sich aktuelle Filme an, erkennt aber höchstens Rückschritte. Die Drehbücher stecken in tiefster Rationalität und einem unverbesserlichen Hang zum Realismus fest, und die Inszenierung verdient diesen Namen eigentlich nicht und gleicht eher einem Beobachten.
Der Film steckt in einer künstlerischen Krise, auch hierzulande. Dabei darf die Ausrede, dass es sich bei Südtirol ja nur um einen kleinen Standort handelt, nicht gelten. Einige der größten filmischen Durchbrüche und Innovationen fanden in kleinstem Rahmen statt. Das wohl beste Beispiel ist Jean-Luc Godards Debüt „Außer Atem“ (1960), ein Film, der heute entweder nicht gekannt, oder verkannt wird. Ein antiquarischer 90-Minüter, würden manche sagen. Viel treffender wäre: Die Grundlage für die Sehgewohnheiten des 21. Jahrhunderts, mit Spuren bis hin zu den kurzen Jump-Cut-Clips des Internets.
Ich wünsche mir die Rückkehr der Poesie auf die Leinwand. Dazu braucht es, und dies mag utopisch klingen, eine Filmförderung, die frei von wirtschaftlichen Interessen ist. Nur so kann sich Kunst entfalten und atmen. Eine Kunst, die Angst haben muss, nicht wirtschaftlich genug zu sein, beraubt sich ihrer Ehrlichkeit, ihrer Integrität und unterwirft sich Erwartungen, nur um zu gefallen und den bürokratischen Ansprüchen zu genügen.
Dem Status Quo ist es natürlich wenig zuträglich, dass nun Fördergelder gekürzt werden. Noch weniger monetäre Mittel bedeutet noch weniger Wagemut. Nicht das man bisher viel davon gesehen hätte. Es gilt aber, an die kreativen Köpfe des Landes zu appellieren und zu sagen: Weniger Geld darf keine Ausrede für weniger (neue) Ideen sein. Im Gegenteil. Noch fataler als das Fehlen von Geld ist das Fehlen von Innovation.
Dass Film (auch) wirtschaftlich funktionieren muss, darf nicht vergessen werden, höre ich bereits die Stimmen der Produzentinnen und Produzenten rufen. Doch wie wäre denn der Ansatz davon auszugehen, dass künstlerisch interessante Filme, die auch international punkten könnten, umso mehr Werbung für Südtirol sind? Denn wer spricht denn im Ausland von den tollen Südtiroler Filmen? Niemand, denn im Fokus liegt bloß die Bühne ohne Spiel, der seelenlose Ort, zu dem Südtirol verkommt.
Kurzfristig ist der wirtschaftliche Erfolg der Südtiroler Filmlandschaft vielleicht eine schöne Sache und genügt sich selbst. Langfristig hinterlässt ein Land so aber keine Spuren. Das mag nicht der Anspruch der heimischen Szene sein, wird nun jemand erwidern. Wenig überrascht nickt man und sagt: Das ist das eigentliche Problem.
Hallo Christoph, vielleicht
Hallo Christoph, vielleicht solltest du deine Theorie damit belegen, auf welche "Südtiroler Filme" du dich denn beziehst...
Natürlich werden hier, wie allerorten, auch viele Filme produziert, die den großen Marktinteressen entsprechen und in deinem Sinne nicht "innovativ" sind, die braucht es auch, damit die Filminfrastruktur leben kann. Dennoch gibt es auch genügend Beispiele von wirklich neuem Filmschaffen in oder aus Südtirol. Ich erlaube mir dir ein paar Tipps zu geben: Hannes Langs "Peak" und "Riafn", Valentina Pedicinis "Faith", Benoit Felicis "The Real Thing", Ronny Trockers "Die Einsiedler"... sind Südtiroler Filme von echten AutorInnen. Z.T in Südtirol produziert/gedreht wurden beispielsweise "Force Majeur" von Ruben Östlund (Un certain regard, Filmfestival Cannes 2014), "La Vergine Giurata" von Laura Bispuri (Wettbewerb Berlinale 2015), "In my Room" von Ulrich Köhler (Wettbewerb Cannes 2018), um nur ein paar Beispiele zu nennen... Alle genannten Filme wurden übrigens vom Filmfund der IDM unterstützt.
Antwort auf Hallo Christoph, vielleicht von Georg Zeller
Ciao Christian, penso che
Ciao Christoph, penso che dovresti davvero guardare i film finanziati dall'IDM. Posso dire dal tuo articolo che non l'hai fatto. Innovano finanziando grandi autori che stanno facendo un lavoro straordinario e finanziando nuove voci giovani (me compreso) con progetti difficili e audaci. Siamo in un periodo complesso in cui il fondo è a rischio. Avere un articolo come questo da qualcuno che non è veramente informato è davvero nocivo per il lavoro che stiamo cercando di fare. Mi dispiace che ti senta così, ma per favore dedica più tempo al cinema.