Wirtschaft | Brennerbasistunnel

Schweigen unterm Brenner

Exklusiv: Laut Beschluss des BBT-Aufsichtsrates verschiebt sich die Inbetriebnahme des Brennerbasistunnels auf den März 2034. Nur sagt man das öffentlich noch nicht.
Am Dienstag vergangener Woche stellt der österreichische Rechnungshof in Wien einen Bericht zum Bahnprojekt Brenner Basistunnel vor. In diesem Bericht bemängelt der Rechnungshof Verzögerungen im Bauprogramm und empfiehlt einen langfristigen Finanzplan für mehr Planbarkeit und Transparenz beim Einsatz öffentlicher Mittel. Laut Bericht resultieren diese Verzögerungen im Bauprogramm, primär aus den unterschiedlichen Positionen der italienischen und der österreichischen Eisenbahn zum Thema bahntechnische Ausrüstung. Das daraus entstehende Risiko, so steht es im Bericht. „Eine Verschiebung der geplanten Inbetriebnahme des Abschnitts von ursprünglich 2026 auf 2030.“
Acht Tage später, am Mittwoch dieser Woche findet eine große Onlineveranstaltung der Handelskammern Norditaliens zum Thema „Brennertransit“ statt. Mit dabei auch der amtierende italienische Verkehrsminister Enrico Giovannini. Dabei kommt auch das Thema Brennerbasistunnel zur Sprache. Der italienische Verkehrsminister erklärt, dass Italien bereits 140 Kilometer der insgesamt 230 Kilometer des Tunnels auf der italienischen Seite gegraben habe, aber auf österreichischer Seite die Arbeiten für den Bau des Tunnels hinterherhinken. „Bei diesem Tempo wird der Brenner-Basistunnel leider nicht bis 2030-2031 fertig sein“, lässt Giovanni mit einer Aussage aufhorchen, die einen Tag später dann zur Schlagzeile wird.
 
 
Doch in Wirklichkeit liegen sowohl Wien als auch Rom mit ihren Prognosen völlig daneben. Denn die Inbetriebnahme des BBT wird frühestens im März 2032, aber mit großer Wahrscheinlichkeit erst im März 2034 erfolgen. Das geht eindeutig aus den Protokollen des BBT-Aufsichtsrates hervor, die Salto.bz exklusiv vorliegen.
 

Die Vertragsauflösung

 
Am 15. April 2021 trifft sich in Rom der BBT-Aufsichtsrat zu seiner zweiten Sitzung im laufenden Jahr. Ursprünglich sollte die Sitzung bereits am 26. März 2021 stattfinden, musste dann aber um drei Wochen verschoben werden.
An diesem Apriltag steht unter dem nichtssagenden Titel „Fortschreibung des Gesamtprojektablaufes 2021“ auch ein Beschluss auf der Tagesordnung, der die Baugeschichte dieses Jahrhundertbauwerks nachhaltig beeinflussen wird.
Bereits 1986 beginnen die Planungen für den Tunnel durch den Brenner. Im Juli 2007 kommt es zu einem Memorandum of Unterstanding, eine Art Staatsvertrag zwischen Österreich und Italien. Darin wird das gemeinsame Ziel festgeschrieben, „den Brennerbasistunnel und die nördlichen und südlichen Zulaufstrecken bedarfs- und termingerecht bis 2022 auszubauen“.
Dazu sollten die Tunnelarbeiten in Österreich und Italien ursprünglich bereits 2016 fertiggestellt werden. Davon ist man aber weit entfernt.
Verschiedenste Probleme technischer, rechtlicher aber auch politischer Natur haben die Bauzeit deutlich verlängert. Am 10. Jänner 2019 genehmigt der BBT-Aufsichtsrat ein neues Bauprogramm in dem eine Inbetriebnahme des Basistunnels für Dezember 2028 festgeschrieben ist.
 
 
Doch inzwischen ist längst klar, dass man diesen Termin nicht einhalten kann. Vor allem die rechtlichen Auseinandersetzungen um das Baulos H51 „Pfrons-Brenner“ werfen den Zeitplan um Jahre zurück. Die Ausschreibung für dieses 15 Kilometer lange Teilstück hatte ursprünglich die Gruppe „Porr-Hinteregger-Condotte-Itinera“ gewonnen. Weil die italienische Baufirma „Condotte“ 2019 in den Konkurs rutschte, brauchte man fast ein Jahr um zu überprüfen, ob der Konzern Porr, die Arbeiten übernehmen kann.
Gleichzeitig kommt es aber zu vertraglichen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem BBT SE und dem Großunternehmen Porr. Es geht dabei um Abweichungen vom Projekt und Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe. Der Konflikt gipfelt im Oktober 2020 in einer einseitigen Vertragsauflösung durch die Betreibergesellschaft BBT SE. Porr hat dagegen geklagt.
Damit muss der Abschnitt aber neu ausgeschrieben werden.
 

Die Umplanung

 
Zu diesem Zeitpunkt ist den Machern des BBT längst klar, dass sich die Inbetriebnahme des Tunnels um Jahre verschieben wird. Dem Aufsichtsrat wird am 15. April in Rom ein 15seitiger Bericht vorgelegt, in dem ein halbes Dutzend mögliche Szenarien zum neuen Bauprogramm durchgespielt werden.
Bereits am 18. März 2021 hat sich der Planungsausschuss des BBT für das Szenario 3b ausgesprochen. Es ist eine völlige Umplanung im Abschnitt „Pfrons-Brenner“. So etwa werden andere Baulose verlängert, um Vorbereitungsarbeiten für diese Baulos zu machen.
Im Jänner 2022 soll die Neuausschreibung bekanntgegeben werden. Für die Überarbeitung der Planung und Vorbereitung der Ausschreibung werden 13 Monate veranschlagt, dazu kommen weiter 8 Monate für die Einreichung der Angebote, die Angebotsprüfung und den Vertragsabschluss. Der Baubeginn soll in diesem Los im September 2022 erfolgen, das Bauende ist für 2028 geplant.
 
 
Obwohl der italienische Teil des Tunnels weit früher fertig sein wird, kann erst danach mit der bahntechnischen Ausrüstung des BBT begonnen werden. Laut einem Zeit-Weg-Diagramm schriebt der Planungsausschuss für diese Baulos in seinem Bericht, "kann der Inbetriebnahmetermin der Neubaustrecke laut Fortschreibung des Bauprogrammes 2021 auf März 2032 geschätzt werden“.
Gleichzeitig wurde aber auch eine Risikoanalyse des gesamten Bauwerkes vorgenommen. Dabei wurden insgesamt 10 mögliche kritische Pfade ermittelt. Es geht dabei um geologische Risiken, Risiken der maschinellen Vortriebe und mögliche Verzögerungen bei den Ausschreibungsverfahren. Laut Planungsausschuss können diese „in Summe eine Auswirkung von 24 Monaten auf den Inbetriebnahmetermin haben“.
 

Der Beschluss

 
Vor diesem Hintergrund genehmigt der BBT-Aufsichtsrat am 15. April das „Bauprogramm 2021“ und das darin vorgeschlagene Szenario 3b. Es eine Entscheidung mit nachhaltigen Folgen.
 
 
 
Denn im Beschluss heiß es wörtlich, „das den Abschluss der Arbeiten des Brennerbasistunnels im März 2031, sowie die Inbetriebnahme im März 2032 bzw. im März 2034 unter der Berücksichtigung der in der Risikoanalyse 2021 ermittelten Risiken vorsieht.“
Demnach wird der BBT weder 2030, noch 2031 in Betrieb gehen, sondern frühestens im März 2032. Wahrscheinlich aber noch zwei Jahre später, im Frühjahr 2034.
Die Öffentlichkeit wurde davon bisher aber nicht informiert. Denn auf der Sitzung im Rom wurde auch beschlossen, dass die beiden BBT-Vorstände jetzt eine Strategie vorlegen sollen, wie man diese Nachricht kommunizieren soll.
Daran scheint man aber ein Monate später noch zu arbeiten.