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Die SVP-Geschichte

Die SVP-Fraktion will eine neue Erinnerungskultur etablieren. Es ist der Versuch ein Thema zurückzugewinnen, das die volkstumspolitische Rechte besetzt hat.
SVP
Foto: SVP
Es ist peinlich aber es passiert immer wieder einmal. Auf Pressekonferenzen sitzen mehr Leute am Podium als Journalisten zuhören. Dass das aber der SVP passiert, hat schon eher Seltenheitswert.
Am Freitag hat die SVP-Fraktion am Magnagoplatz zur Pressekonferenz geladen. SVP-Fraktionssprecher Gert Lanz, Parteihistorikerin Martha Stocker, Michael Epp vom Forum Heimat in der SVP und SVP-Landessekretär Stefan Premstaller stellten auf der Treppe zum Landtag den Beschlussantrag „Wider das Vergessen“ vor. Ihnen gegenüber standen ganze drei Journalistinnen und Journalisten.
 

Der Beschlussantrag

 
Wir glauben, dass es Zeit ist, an die gründliche Aufarbeitung der Geschichte Südtirols heranzugehen und eine Erinnerungskultur zu etablieren“, leitete SVP-Fraktionssprecher Gerd Lanz die Vorstellung ein. Der SVP-Vorschlag sieht vor, dass zur Aufarbeitung der Geschichte Südtirols ein Komitee einberufen werden soll, das aus Historikern, Politikwissenschaftlern und Künstlern besteht, die sich mit den Geschehnissen der Vergangenheit, deren Auswirkungen und Entwicklungen bis heute und vor allem „wider das Vergessen“ in der Zukunft befassen. Dabei sollte unter anderem ein jährlicher Gedenktag ins Auge gefasst werden. Die SVP-Landtagsfraktion ermutigt die Landesregierung in ihrem Beschlussantrag, eine zeitgemäße Aufarbeitung und Darstellung der Landesgeschichte in die Wege zu leiten.
Spiritus rector dieser Aktion ist die langjährige SVP-Politikerin und Historikerin Martha Stocker. „Verzeihen ist eine christliche Tugend. Vergessen dürfen wir unsere Geschichte nicht - das wäre, als ob wir einem Baum die Wurzeln nehmen würden“, beschreibt sie an diesem Vormittag Credo.
 
 
Stocker hat für die SVP die Ereignisse des Jahres 1961 in einer Broschüre zusammengefasst. Diese Arbeit wird in den nächsten Tagen erscheinen und Funktionären/innen und Interessierten zur Aufklärung und Information dienen. „Nur, wenn man die eigenen Wurzeln kennt und man weiß, woher man kommt, dann weiß man auch, wohin man will. Das ist der Kompass unserer Politik und aus diesem Grund ist es uns wichtig, die Menschen über die Südtiroler Geschichte zu informieren“, meint Stefan Premstaller etwas pathetisch.
 

Die Rückeroberung

 
Der Vorsitzendes des Forum Heimat, Michael Epp widmete sich dann kurz der Feuernacht vom Juni 1061 und der Streitfrage über die Rolle der Südtirol-Attentäter. „Der Weg zu mehr Autonomie kann heutzutage nur über die gewaltfreie Schiene der politischen Diskussion erfolgen“, meint Epp. Und weiter: „Jedoch zur damaligen Zeit waren die Aktionen der mutigen Männer und Frauen vielleicht notwendig, um Südtirol so weit zu bringen, wie es heute ist“.
Es ist kein Zufall, dass Epp dieses Thema anschneidet und die SVP-Fraktion diesen Beschlussantrag wenige Tage vor einem historischen Jubiläum „60 Jahre Feuernacht“ vorstellt. Denn die Aktion hat auch einen klaren, politischen Hintergrund.
 
 
 
Der Südtiroler Schützenbund und der als Interessenvertretung der ehemaligen Häftlinge gegründete Südtiroler Heimatbund, aber auch die Südtiroler Freiheit widmen einen Teil ihrer Arbeit seit Jahren der historischen Aufarbeitung der sogenannten Südtiroler Bombenjahre. Spätestens mit der BAS-Ausstellung unter den Bozner Lauben hat die volkstumspolitische Rechte durchaus geschickt und modern das Thema besetzt. Mit diesem Beschlussantrag will die SVP hier gegensteuern und die Themenhoheit über dieses Kapitel Südtiroler Geschichte zurückgewinnen.


Dunkle Vergangenheit

 
Auffallend ist auch, dass man an diesem Vormittag einen Aspekt nicht anspricht. Während Regierungsparteien im In- und Ausland in den vergangenen Jahrzehnten ihre Parteigeschichte von unabhängigen Historikern aufarbeiten ließen und dabei auch die dunklen Kapitel der eigenen Partei ausgeleuchtet wurden, hat man in der SVP auch im dritten Jahrtausend immer noch das Motto der Lichtgestalt Silvius Magnago verinnerlicht: „Lei, net roggeln“.
So wird die Entwicklung der SVP immer noch ausschließlich als Erfolgsgeschichte verkauft. Die Entstehungsgeschichte der Volkspartei aus dem antinazistischen Widerstand wird in den Vordergrund gestellt, hinter dem sich die Nazis unter Edelweiß bis heute verstecken dürfen. Exemplarisch steht dafür die Geschichte des SVP-Politikers Franz Runge. Als Mitglied des „Südtiroler Ordnungsdienstes“ (SOD) war er maßgeblich an der Verhaftung und Deportation der Mitglieder der jüdischen Kultusgemeinde in Meran beteiligt. Im Oktober 1964 zog Runge dann für die SVP in den Südtiroler Landtag ein. Das ist nur eines der düsteren Kapitel in der SVP-Geschichte, die man bis heute bewusst totschweigt.
 
 
 
Vom Autor dieser Zeilen auf der Pressekonferenz darauf angesprochen, sagt Martha Stocker ganz klar: „Wir werden uns auch dieser schwierigeren Themen annehmen müssen. Auch Gert Lanz meint offen: „Wir brauchen keine Angst vor der Vergangenheit zu haben“.
Der SVP-Fraktionssprecher will den Beschlussantrag „Wider das Vergessen“ kommende Woche dem Südtiroler Landtag zur Abstimmung vorlegen und hofft auf eine große Zustimmung zum Wohle einer guten und vorurteilsfreien Erinnerungskultur.
Dabei könnte seine Partei den ersten Schritt in diese Richtung machen.
Bereits vor Jahren wurde das SVP-Parteiarchiv dem Südtiroler Landesarchiv übergeben. Wer die SVP-Papiere dort einsehen will, braucht aber das schriftliche Einverständnis des SVP-Obmannes.
Wenn man es mit dem Vorschlag „Wider des Vergessens“ wirklich ernst meint, sollte man dieser Regelung umgehend abschaffen.
Sonst bleibt die Aktion billige Politpropaganda.