Gesellschaft | Shit-Storm gegen Kammerpräsidentin Boldrini

Internet und Sexismus: "Hier zeigen Männer ihr wahres Gesicht"

Der von Beppe Grillo ausgelöste Shit-Storm gegen Laura Boldrini ist bei weitem nicht das erste Beispiel für Sexismus und Frauenfeindlichkeit im Internet. Was können Frauen dagegen tun? Mitdiskutieren und gegen Diskriminierungen auftreten, sagt die Präsidentin des Beirates für Chancengleichheit Ulrike Oberhammer.

Frau Oberhammer, was passiert in Rom? Ein persönlicher Kampf zwischen Kammerpräsidentin Laura Boldrini und der Bewegung 5 Stelle oder ein weiterer symbolischer Akt, wie Frauen in der Politik immer noch diskriminiert werden?
Ulrike Oberhammer: Was da abläuft, ist vor allem eine riesengroße Schweinerei. Und es ist bei weitem nicht der erste Angriff gegen die Kammerpräsidentin. Vielmehr stehen Laura Boldrini und Integrationsministerin Cécile Kyenge abwechselnd im Visier solch diskriminierender Attacken. Boldrini hat selbst in einem Interview gesagt, sie hat viel miterlebt, als sie für die UNO in Krisengebieten unterwegs war, aber derartige Hasstiraden und Aufforderungen zu Gewalt wie nun in Rom sind ihr dort nicht untergekommen.

Also geht es bei diesen politischen Kämpfen sehr wohl auch um das Geschlecht?
Natürlich kommt in dem Fall mehreres zusammen. Die Grillini hätten sicher auch einen Kammerpräsidenten angegriffen, wenn er sie zurechtgewiesen hätte. Aber das Entscheidende ist, wie Politikerinnen angegriffen wird. Wenn man sich diesen Film anschaut im Auto und die Kommentare dazu liest, in denen offen dazu aufgerufen wird, Gewalt gegen die Kammerpräsidentin auszuüben, sie zu vergewaltigen oder in ein Afrikaner -oder Zigeunerviertel zu stecken... Das ist wirklich unterste Schublade und entbehrt darüber hinaus jeglichen Respekts gegenüber Institutionen oder demokratischen Entscheidungen. Und vor allem glaube ich nicht, dass jemals gegen einen Politiker im Internet derart vorgegangen werden würde. 

Beppe Grillo meint, er kann nichts für die Kommentare auf seiner Homepage...
Also bitte, wenn ich derart provokant die Frage stelle, was man mit jemandem machen würde, kann ich mich am Ende wohl kaum aus der Verantwortung stehlen.

Doch gegen Frauen wird im Netz nicht nur auf Beppe Grillos Aufforderungen hin geschossen. Ist das auch in Südtirol ein Problem?
Auf jeden Fall. Wir haben in den Foren zumindest den Usernamen nach generell viel mehr Männer, die diskutieren, und dann wird teilweise auch massiv gegen Frauen gearbeitet. Ich habe aber auch den Eindruck, dass sich viele Männer im Internet auf eine Art frauenfeindlich äußern, wie sie es sich in der Öffentlichkeit sonst nie getrauen würden. Da kommt dann das wahre Gesicht heraus.

Bekommen Sie das auch zu spüren?
Ja, zum Beispiel zuletzt bei den heftigen Forendiskussionen um den Meraner Kalender der Firma Pizzacall. Da haben alle gegen mich und den Beirat gewettert, und zwar allem voran mit persönlichen Angriffen, die nichts mit der Sache selbst zu tun hatten. Denn eine Sache ist, dass jede/r seine Meinung und Kritik kundtun soll, etwas anderes, wenn solche Diskussionen mit Beleidigungen unter der Gürtellinie geführt werden. 

Und das passiert vor allem Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen?
Absolut. Von Angriffen auf ihr Äußeres bis hin zu den offenen Gewaltaufforderungen, die wir nun erleben. Doch was zuletzt auch bei der Kalenderdiskussion wieder klar geworden ist: Viele dieser User sind sich nicht bewusst, dass sie hier Straftaten begehen, und dass ihr Name relativ einfach von der Postpolizei ausfindig gemacht werden kann, auch wenn sie unter Fantasienamen auftreten.

Was kann gegen solche sexistische Shit-Stürme getan werden, wenn Postpolizei oder Staatsanwaltschaft nicht einschreiten?

Primär haften natürlich die Betreiber der Seiten für die Inhalte der Foren. Ein einfaches Mittel, mit dem sie sich auch selbst besser schützen könnten, wäre für alle größeren Portale einen Verhaltenskodex und die Pflicht zur Registrierung einzuführen. Somit gäbe es auch die Möglichkeit, User zu sperren, wenn sie trotz Verwarnungen wiederholt gegen die Regeln verstoßen.

Und Frauen selbst können sich hier nicht zur Wehr setzen?
Es würde sicherlich unterstützen, wenn sich auch in solchen Diskussionen mehr Frauen einschalten und offen gegen Diskriminierungen auftreten würden. Denn, wenn sich 20 Männer alle in dieselbe Richtung auslassen, lässt sich der 21. auch viel leichter ermutigen, in dasselbe Horn zu blasen, als wenn er allein dasteht.