„Jeder Bürger ist Experte seines Dorfes“
Bürger_innenbeteiligung und Partizipation sind Ihnen wichtig. Warum?
Annelies Pichler: Es ist wichtig, gemeinsam auf Dinge zu schauen, weil dann Menschen zusammenkommen, die unterschiedliche Blickwinkel auf die Themen haben. So können zusätzliche gute Ideen gesammelt werden. Mehr Partizipation steigert auch die Akzeptanz und die Transparenz von Entscheidungen.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
Ich war früher als selbstständige Organisationsentwicklerin tätig, habe also Organisationen – hauptsächlich im non-profit Bereich – bei Veränderungen begleitet. Dort habe ich gesehen: Wenn die Leute in Entscheidungen nicht mit einbezogen werden, ist es schwer, nachhaltig Veränderung anzustoßen und das auch zu vermitteln. So habe ich wohl eine Affinität zu den Themen Beteiligung und Partizipation entwickelt.
Wie sorgt die Gemeinde Schenna für mehr Bürgerbeteiligung?
Wir sind dabei, im Rahmen des Projekts „Schenna.Weiter.Denken“ uns von Bürgerräten beraten zu lassen. Das sind Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern, die – repräsentativ nach Alter und Geschlecht – nach einem Zufallsprinzip ausgelost werden. Sie sollen gemeinsam an Fragestellungen arbeiten, die der Gemeinderat ihnen stellt.
Sollten nicht PolitikerInnen oder ExpertInnen solche Fachthemen diskutieren?
Jeder Bürger und jede Bürgerin ist Expertin ihres eigenen Dorfes, denn sie gestalten es tagtäglich mit. Sie sind daher geeignet, über die Themen, die das Dorf betreffen, zu diskutieren.
Die Entscheidung liegt beim Gemeinderat. Sollte bei gewissen Themen differenziertes Wissen notwendig sein, werden wir ExpertInnen beiziehen.
Wie weit ist Schenna mit dem Projekt?
Der Gemeinderat hat schon mit einer Auftaktklausur angefangen, um die Themen festzulegen, die dann in die Bürgerräte münden werden. Im November und Dezember werden mehrere Bürgerräte zu verschiedenen Themen stattfinden. Nach der Präsentation und Diskussion der Ergebnisse in einer Bürgerversammlung, wird der Gemeinderat die Leitlinien festlegen, nach denen wir zukünftige Entscheidungen ausrichten. Wie es in Zukunft weitergeht, also ob es vielleicht jährlich einen Bürgerrat geben wird, das ist noch offen. Wir sind im Prozess professionell von Sabina Frei begleitet, eine Fachfrau zum Thema.
Schenna ist in dieser Hinsicht in Südtirol ein Vorreiter.
Ich sehe schon, dass die Stimmung in den Gemeinden langsam in diese Richtung geht. Hier hilft auch ein bisschen die Vorgabe der Politik, zum Beispiel beim neuen Landesgesetz Raum und Landschaft ist vorgesehen, die Entwicklungspläne in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern auszuarbeiten. Dasselbe gilt für das Thema Nachhaltigkeit, wo immer betont wird: Nur wenn es lokal breit getragen wird, gehen die Dinge weiter. Natürlich braucht es dann auch Leute, die davon überzeugt sind und diese Stimmung an vorderster Front mittragen.
Stichwort Nachhaltigkeit: Sie waren bei den Kreisgesprächen des Netzwerks für Nachhaltigkeit dabei. Was haben Sie daraus mitgenommen?
Ich war recht überrascht, dass so viele Leute mitdiskutiert haben, und war besonders erfreut, dass auch junge Menschen mit dabei waren. Es braucht eine strategische Grundlage zum Thema der Nachhaltigkeit, mehr Struktur, die ich mir erhoffe, aus den Bürgerräten herauszubekommen. Das Kreisgespräch hat hier sicherlich eine erste Grundlage gelegt.
Welche Rolle können Gemeinden spielen, bei der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft?
Gerade im Kleinen kann man gemeinsam was weiterbringen. In unserem Kreisgespräch wurde zum Beispiel vom Plastikverbrauch gesprochen. Wir als Tourismusgemeinde sehen, dass unsere Gäste sogar Plastikflaschen aus ihren Herkunftsländern mit nach Schenna bringen, obwohl wir hier so gutes Trinkwasser haben. Wir sind auch Teil des Projekts Klimagemeinde der Bezirksgemeinschaft. Daraus hat sich ein Klimakreis in Schenna gebildet, der an konkreten Maßnahmen arbeitet.
Die Initiative wird von der Autonomen Provinz Bozen und vom Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik unterstützt.
“ Wir als Tourismusgemeinde
“ Wir als Tourismusgemeinde sehen, dass unsere Gäste sogar Plastikflaschen aus ihren Herkunftsländern mit nach Schenna bringen,” braucht man einen solchen Tourismus? Und sie nehmen ganzes Essenszeug mit…, da funktioniert der Slogen “do leb i do kaf i” auch nicht mehr.