In seinem berühmten Brief über den Humanismus schreibt Martin Heidegger: «Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnt der Mensch. Die Denkenden und Dichtenden sind die Wächter dieser Behausung. Ihr Wachen ist das Vollbringen der Offenbarkeit des Seins, insofern sie diese durch ihr Sagen zur Sprache bringen und in der Sprache aufbewahren». Diese Worte stimmen eindeutig mit der linguistischen Wende (linguistic turn) der Philosophie des 20. Jahrhunderts überein, derzufolge die tiefe Verbindung zwischen Sprache und Ontologie in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt wird. Was aber ist das Ärgerliche an einem solchen Gedanken, was ist es, das uns sofort von den (vermeintlichen) Höhen der philosophischen Spekulation wegführt und nach unten stürzt, hin zu den obskuren Niederungen einer von Blut und Boden durchdrungenen Version völkischer Ideologie?
Die deutsche Sprache – und keine andere – ist das Haus des Seins
Wenn Heidegger von Sprache spricht, meint er maßgeblich die deutsche Sprache, so sehr, dass wir seinen Gedanken gar nicht verraten, wenn wir das entsprechende Adjektiv an das Eingangszitat anhängen: «Die deutsche Sprache – und keine andere – ist das Haus des Seins». Heidegger selbst hat einmal alle Zweifel an einer solchen Interpretation ausgeräumt, indem er schrieb, wer wirklich denken wolle, müsse dies “auf Deutsch” tun. Das ist natürlich eine unhaltbare Position, ich würde sogar sagen, ein Wahn, aber es ist ein Wahn, der Präzedenzfälle hat, und es genügt, ein wenig über die Geschichte der deutschen Philosophie (von Herder bis Fichte, von Hegel bis, eben, Heidegger) zu wissen, um die Genealogie dieser Meinung zu kennen, die als anspruchsvolle wissenschaftliche Erkenntnis ausgegeben wird.
Das Seiende wird in mehrfacher Weise gesagt
Wenn wir also davon ausgehen, dass das Sein ein Haus hat und dass dieses Haus sprachlich gebaut wird, ist es ziemlich sicher, dass es nicht in einer besonderen Sprache oder mit dem herausragenden Beitrag einer einzigen Sprache sein wird. Ist die Sprache wirklich das Haus des Seins? Vielleicht. Aber es ist ein Haus mit vielen Wohnungen, in denen Menschen verschiedene Sprachen sprechen, und keine dieser Sprachen hat eine ontologische Priorität gegenüber den anderen. Denn, als Heidegger noch den Phänomenologen spielte und Edmund Husserl nicht in den Rücken fiel, war der Spruch des Aristoteles (“πολλαχῶς λέγεται τὸ ὄν” – Das Seiende wird in mehrfacher Weise gesagt) für ihn noch maßgebend. Aber das war vor 1933, das Gehirn des Meßkircher Philosophen funktionierte noch recht gut. Dann hat er sich, wie wir wissen, ein wenig verirrt, mit dem gefährlichen Ziel, die Größe seines Südtiroler Namensvetters Günther – der Athesia-Journalist – zu erreichen.
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