„Du führst die ÖVP in eine erfolgreiche Zukunft!“: Mit diesen Worten gratulierte SVP-Obmann Achammer Sebastian Kurz 2017
auf Twitter zur Wahl als Parteiobmann. Vier Jahre später muss man sagen, Kurz hat seine Partei recht erfolgreich in die Ka**e geführt: Getürkte Umfragen, kriminelle Deals mit einem Boulevardmedium, Missbrauch von Steuergeldern. Der vermeintliche Heilsbringer hat sich als Ego-Shooter entpuppt, dem es stets nur um das eigene Vorankommen ging. „Mein Land ist mir wichtiger als meine Person“, so beteuerte er angesichts seines (ohnehin unausweichlichen) Rücktritts vor einigen Tagen, und man weiß nicht, was lachhafter ist: Die Absurdität dieser Aussage im Lichte seiner tatsächlichen Handlungen, oder der Umstand, dass er es sogar schafft, in einem Satz, der seine Selbstlosigkeit unterstreichen soll, drei Mal sich selbst unterzubekommen: Mein, mir, meine. Erhellend und abstoßend zugleich.
Die Maske war schon länger verrutscht, jetzt ist sie gefallen, und manche brauchen wohl etwas länger, um die Fratze, die sich dahinter zeigt, zur Kenntnis zu nehmen.
Wenig abgestoßen vom narzisstischen Agieren seines Buddies scheint SVP-Obmann Achammer. Zwar liegen, zumindest öffentlich, keine mutmachenden Tweets à la „In Gedanken bei dir, lieber Basti! Thoughts and prayers!“ vor, dafür ließ Achammer, der in der Vergangenheit immer wieder seine Verbundenheit mit dem Slim-Fit-Kanzler betonte, die Gelegenheit nicht aus, sich in der „Tagesschau“ durchaus wohlwollend über Kurz zu äußern. Während LH Kompatscher vorsichtige Zurückhaltung übte, die Vorwürfe gegen Kurz als „schwer“ bezeichnete und „kein Urteil dazu“ abgeben wollte, erliegt der Parteiobmann offenbar immer noch dem aalglatten Charme des Shorty. Man müsse verstehen, er sei dem Ex-Kanzler freundschaftlich verbunden, hoffe deshalb, dass er sich gegen die Vorwürfe verteidigen könne und traue ihm nach wie vor ein politisches Comeback zu. Kurz sei „doch ein politisches Talent (…), das in einigen Bereichen viel weitergebracht hat. Dass man jetzt von allem zurücktreten müsste, das sehe ich jetzt nicht ein“, und außerdem sei er "ein guter Kenner der Südtirol-Materie“ und
stehe Südtirol sehr, sehr nahe . Worin des Kurzens Meriten für Südtirol abseits von gelegentlichen, abgelutschten „Herzensangelegenheit“-Bekundungen bestehen, es ist mir, um seinen Busenfreund Blümel zu zitieren, derzeit „nicht erinnerlich“. Wohl aber entsinne ich mich seines
Südtirol-Bashings in Bezug auf das Pandemie-Management. Viel Herz war da nicht.
Dass Achammer den Selbstdarsteller und NLP-Automaten Kurz als „politisches Talent“ bezeichnet, impliziert derweil ein grausliges Verständnis vom Politikbetrieb als Selbstbedienungsladen und Intrigenstadel, in dem der gewinnt, der am wenigsten durch Anstand gehemmt wird. Kurz war und ist nach wie vor sehr gut darin, sich selbst in Szene zu setzen, politische Verantwortung abzustreifen, nach unten zu treten und oben zu buckeln, sowie skrupellos die Ellenbogen auszufahren, wenn es der Karriere dient. Mitstreiter*innen werden dafür ohne mit der Wimper zu zucken geopfert, wie man sehr schön im ZiB2-Interview mit Martin Thür sehen konnte: Darin gab Kurz das Opferlamm, das gegen sein Wissen von einer Truppe offenbar nur ganz entfernt Bekannter mit unlauteren Methoden zum Bundeskanzler gemacht wurde. Wenn Achammer, ohne konkret zu werden, betont, Kurz habe „viel weitergebracht“, dann sei daran erinnert, dass er 2017 ganz konkret die Einführung einer 1,2 Milliarden schweren landesweiten ganztägigen Kinderbetreuung verhindert hat. Millionen von Familien wurden sabotiert, nur um seinen Parteifeind Mitterlehner „abzusageln“. Dass dessen Tochter damals im Sterben lag, hielt den öffentlich immer als wohlerzogene Schwiegermutterfantasie mit Altherren-Habitus auftretenden Kurz auch nicht davon ab, ihn als „Arsch“ zu bezeichnen. Wobei diese verbalen Entgleisungen noch das kleinste Vergehen sind und zweifellos auch in den Chats lokaler Politiker*innen zu finden wären: Das Geschäft ist eben kein kuscheliges. Bei Kurz aber offenbaren die Chats, die wir ja alle gelesen haben und die kein Gericht der Welt, egal wie das Verfahren ausgeht, ungeschehen machen kann, eine Doppelgesichtigkeit, die Obmann Achammer erst jetzt so langsam aufzugehen scheint: Habe er Kurz "erstmals doch etwas angeschlagen gesehen, wo er doch immer so professionell in der Vergangenheit wirkte". Die Maske war schon länger verrutscht, jetzt ist sie gefallen, und manche brauchen wohl etwas länger, um die Fratze, die sich dahinter zeigt, zur Kenntnis zu nehmen.
Einem Freund in Schwierigkeiten die Treue zu halten, ist ein schöner Zug, doch wenn der Freund die Schwierigkeiten nicht nur selbst verschuldet hat, sondern auch noch eine ganze Nation damit belastet und doch gänzlich uneinsichtig bleibt, dann wäre es vielleicht an der Zeit, besagte Freundschaft zu hinterfragen.
Einem Freund in Schwierigkeiten die Treue zu halten, ist ein schöner Zug, doch wenn der Freund die Schwierigkeiten nicht nur selbst verschuldet hat, sondern auch noch eine ganze Nation damit belastet und doch gänzlich uneinsichtig bleibt, dann wäre es vielleicht an der Zeit, besagte Freundschaft zu hinterfragen. Das muss auch gar nicht öffentlich passieren, genauso wenig wie die unbeirrten Freundschaftsbekundungen hätten öffentlich sein müssen. Distanz und Vorsicht wären angebrachter gewesen: Wenn selbst Parteifunktionäre nun den Parteiausschluss in den Raum stellen, die anfangs bekundete Solidarität sich in Abkehr wandelt, dann müssen aus Südtirol ganz gewiss keine Sympathiebekundungen kommen. Von Freund Philipp ganz privat meinetwegen, aber nicht von einem Mitglied der Landesregierung.