Kein anderes EU-Parlament verabschiedet Gesetze so schleppend wie das römische. Der Weg durch Kammer und Senat erweist sich häufig als lästiger Hürdenlauf, eine Flut von Abänderungsanträgen verzögert die Genehmigung und sorgt für zusätzliche, von den Einbringern nicht vorgesehene Paragraphen. Um so erstaunlicher mutet die Tatsache an, dass diese Art von Hürdenlauf mit all ihren Spielarten von Obstruktion unter Regierungschef Mario Draghi plötzlich aufgehört hat.
Das hat offenbar zwei Gründe: zum einen wird dessen Kabinett von fast allen Parteien unterstützt. 82 Prozent haben ihm das Vertrauen ausgesprochen - es verfügt damit über die dritthöchste Mehrheit nach jener von Giulio Andreotti 1987 und jener von Mario Monti 2011. Sie hat das Parlament weitgehend zum Zuschauer verdammt und kann nach Belieben die Vertrauensfrage stellen. Damit werden jedes Mal alle Abänderungsanträge hinfällig - ein Hasardspiel, denn bei einer Niederlage müsste die Regierung in solchen Fällen umgehend zurücktreten. Bei den dann fälligen Neuwahlen riskieren aber auch viele Parlamentarier ihr Mandat. Deshalb zögern sie, das Kabinett zu stürzen oder zu destabilisieren.
Von Februar bis Mitte September hat die Regierung 25 Mal die Vertrauensfrage gestellt - alle zehn Tage einmal. So gelingt es Draghis Kabinett, die Termine des Piano Nazionale DI RIFORME E RESILIENZA einzuhalten, um die darin vorgesehenen Gelder der Europäischen Union zu erhalten - Für einen Modernisierungsschub, der Häfen, Eisenbahnlinien, Energieerzeugung, Landwirtschaft und viele andere Bereiche umfasst.
Dazu werden die Gesetze zunehmend durch Dekrete ersetzt, die unmittelbar in Kraft treten und vom Parlament in 60 Tagen in Gesetze umgewandelt werden können. Hier sorgt das Kabinett Draghi für Rekorde: 32 Dekrete wurden bereits verabschiedet. Die Regierung kann es sich dank ihrer Mehrheit leisten, den Handlungsspielraum des Parlaments einzuschränken, auch wenn sie dort über eine deutliche Mehrheit verfügt. Das hat mit der Zahl kompetenter Fachleute zu tun, die in etlichen Schlüsselministerien sitzen - vom Wirtschaftsressort über die Justiz, von den Infrastrukturen bis hin zum ökologischen Wandel und die drauf bedacht sind, unnötigen Zeitverlust zu vermeiden.
Je näher die Wahl des Staatspräsidenten rückt, desto nervöser wird das Klima im Parlament.
Doch je näher die Wahl des Staatspräsidenten rückt, desto nervöser wird das Klima im Parlament. Das zeigte gestern eine Abstimmungsniederlage der Regierung im Senat, deren Regisseur einmal mehr einer der übelsten Intriganten im Parlament war: Matteo Renzi, der vorher bereits Premier Giuseppe Conte gestürzt hatte und es kaum erwarten kann, erneutin den Chigi -Palast einzuziehen. Das könnte freilich lang dauern. Denn seine Italia viva gibt nach den jüngsten Umfragen mit 2,3 Prozent nur noch schwache Lebenszeichen - gemessen an der aufdringlichen Lautstärke seines Protagonisten.