Wirtschaft | Bauern

Michael Oberhollenzer: "Bio ist mehr als grün sein und Müsli essen"

Michael Oberhollenzer, Südtirols Bioland-Obmann über gesunde, freilaufende Rinder, eingewachsene Ketten im Hals, Biobauern, die immer noch Exoten sind und darüber, dass Bio-EU-Richtlinien sehr wohl sinnvoll sein können.

Bio ist sein Thema, sein Leben, sein Credo. Michael Oberhollenzer und der Moserhofer in Steinhaus stehen nicht nur für Bewusstheit in Ernährung, „mir geht es um das Leben selbst. Ja wenn eine 18-Jährige zu ihrem Geburtstag übers Wochenende nach Mallorca fährt und am Montag wieder in der Arbeit sitzt, dann frag ich mich, ist das, das Leben, das wir wollen?“ Alles ist möglich, kaufbar, leistbar. „Doch wenn es um unsere Gesundheit geht, um unser alltägliches Leben dann schauen wir weg, wollen nicht zuhören?“

Ja wenn eine 18-Jährige zu ihrem Geburtstag übers Wochenende nach Mallorca fährt und am Montag wieder in der Arbeit sitzt, dann frag ich mich, ist das, das Leben, das wir wollen?

Keine leere Schachtel
Auf 1.050 Höhenmetern liegt der Hof, den schon seine Großväter bewirtschaftet haben. Kreativität war auf den steilen Hängen des Ahrntals seit jeher gefragt. Bio hat für Oberhollenzer mit Glaubwürdigkeit zu tun. „Der Konsument muss wissen, dass Bio nicht nur eine leere Schachtel ist. Wenn auf dem Senfter-Speck „Vom Bauern“ drauf steht, oder auf einem Joghurt „natürlich“,  dann heißt das einfach nichts. Wird marketingtechnisch aber ausgeschlachtet. Deshalb ist es für Biobauern wichtig, sich an Kriterien zu orientieren. Die Weidewirtschaft ist bei Bioland etwa, ein entscheidendes Kriterium für gesunde Tiere. Die müssen sich einfach den größeren Teil des Futters auf dem Feld holen. Nicht nur im Stall stehen und bedient werden. Die müssen raus, das Wetter spüren, auch im Winter.“

Wenn auf dem Senfter-Speck „Vom Bauern“ drauf steht, oder auf einem Joghurt „natürlich“,  dann heißt das einfach nichts. Wird marketingtechnisch aber ausgeschlachtet.

Verständnis für beide Seiten
Diese „an sich sinnvolle Regelung“ des Auslaufs für Rinder war unlängst für Osttirols Bio-Bauernsprecher Sepp Schett Grund zur Klage. Gerade im hochalpinen Gelände sei diese Eu-Vorgabe Schikane, sagt der Villgrattener, einfach übertrieben. Oberhollenzer meint dazu: „Wenn ich ein Biobauer sein will, dann muss ich einen Weg suchen, um die Viecher raus zu bringen. Das ist für ihre Gesundheit extrem wichtig. Ich verstehe schon diese Anforderung von der EU. Auf der anderen Seite ist es natürlich gerade für kleine Biobauern mit vier, fünf Stück Vieh eine enorme Belastung. Wenn vor dem Haus die Hänge runter gehen, drei Meter Schnee liegen, ja wo soll ich dann die Tiere hintreiben?“

Auf der anderen Seite ist es natürlich gerade für kleine Biobauern mit vier, fünf Stück Vieh eine enorme Belastung. Wenn vor dem Haus die Hänge runter gehen, drei Meter Schnee liegen, ja wo soll ich dann die Tiere hintreiben?“

Transparenz durch Regelungen
Anbindehaltung,
das Halten der Tiere an der Kette im Stall, ist auch bei Biobauern erlaubt. Zwei Mal pro Woche müssen die Rinder allerdings an die frische Luft gebracht werden, bei Schafen ist die Anbindehaltung ganz verboten. Im hochalpinen Gelände stoßen Bauern jedoch an ihre Grenzen, deshalb galt bis Ende 2013 in Österreich eine Übergangs- und Ausnahmeregelung. Damit ist nun Schluss. Alle Biobauern sollen für einen regelmäßigen Aufenthalt ihrer Kühe im Freien sorgen. Natürlich, sagt Oberhollenzer, Bauern seien keine Bürokraten, und Regelungen passen ihnen nicht immer. Er findet sie aber auch wesentlich. Ist in Zeiten, in denen der Genmais durch die Hintertür in unsere Supermärkte schlüpft, Transparenz nicht wesentlich?

"Die Kette war in den Hals reingewachsen"
„10.000 herkömmliche Viehwirtschaftbetriebe gibt es in Südtirol“, erklärt Oberhollenzer, „und ich sage nicht, dass Anbindehaltung generell schlecht ist. Aber ich bin viel herum gekommen, hab viel gesehen. Manche Kühe kommen, wenn sie zum ersten Mal gemolken werden in den Stall rein und verlassen den nicht mehr bis sie zum Metzger gebracht werden. Bei anderen ist die Kette schon in den Hals reingewachsen. Ja, es braucht Regelungen.“

Aber ich bin viel herum gekommen, hab viel gesehen. Manche Kühe kommen, wenn sie zum ersten Mal gemolken werden in den Stall rein und verlassen den nicht mehr bis sie zum Metzger gebracht werden.

Mehr Bio, schreien die Konsumenten
Der engagierte Bauer aus dem Ahrntal ist seit drei Jahren als Obmann der Bioland Südtirol, die 1991 gegründet wurde, unterwegs. 500 Mitglieder zählt der Bio-Zusammenschluss, 200 Betriebe davon betreiben Viehwirtschaft. „Der Markt schreit laut nach mehr Bio-Milch-Produkten“, weiß Oberhollenzer, „doch klar dahinter steht bislang nur der Milchhof Sterzing. Der jetzt ja die Biomilch aus Nordtirol bezieht. Hier im Land gibt es immer noch wenig Rückhalt. Bio steht bei den Bauern noch immer für „grün“ und man muss auch sagen, Bauern tun sich generell schwer mit Veränderungen.“

Hier im Land gibt es immer noch wenig Rückhalt, bio steht bei den Bauern noch immer für „grün“ und man muss auch sagen, Bauern tun sich generell schwer mit Veränderungen.“

Schiefe Blicke für den Biobauern
Oberhollenzer weiß, was es heißt, Biobauer zu sein. Angefeindet zu werden, Spott und Hohn zu ernten. Statt Respekt und Anerkennung „Mit schief anschauen im Dorf ist es nicht getan...", erinnert sich der 39-Jährige. "Ich war ja immer ein Exot, hatte einmal 350 Gänse, jetzt hab ich mich komplett auf die Schafwirtschaft konzentriert, halte etwa 80 Tiere. Der Hans Berger, der war ja auch ganz gegen Bio am Anfang seiner Zeit als Landesrat, dann hat er seinen Hof umgestellt. Auf Bio. Nachgezogen in Rein ist bislang niemand.“ Eines ist Oberhollenzer ein Anliegen: "Mir geht es nicht darum, dass wir Biobauern die Besseren sind. Um gute Landwirtschaft zu betreiben muss man nicht unbedingt Biobauer sein. Es gibt Bauern, vor allem Direktvermarkter,  Bauernmarktler, aber auch viele andere, die vieles, wenn nicht alles richtig machen." 

Der Hans Berger, der war ja auch ganz gegen Bio am Anfang seiner Zeit als Landesrat, dann hat er seinen Hof umgestellt. Auf Bio. Nachgezogen in Rein ist bislang niemand.“

Ausscheren aus der Herde, die Zeichen der Zeit erkennen, mutig vorangehen, das war seit jeher Oberhollenzers Credos. „Mein Vater hat sich schon als wir klein waren dafür eingesetzt, dass wir die Tiere rausbringen. Er war kein Bio-Bauer aber das war ihm wichtig. Zu uns Kindern hat er gesagt: „Jetzt schaut's auf die Kühe, dass sie zusammenbleiben, die müssen jetzt wieder mal raus.“

Denken wir um!
Wo ein Wille, da ein Weg ist Oberhollenzer überzeugt. Bio ist für ihn mehr als „grün sein“ und „Müsli essen.“ Er plädiert für eine andere Form des Wirtschaftens: „Wer etwas Geld übrig hat und dieses nicht einfach mit mageren Renditen auf dem Sparbuch belassen möchte, kann es dem Moserhof für diverse Um- und Ausbauarbeiten leihen. Für die Zinsen erhält man dort dann anstatt Geldscheinen Kartoffeln, Lammfleisch, Schafskäse, Brennholz oder sogar Urlaubstage auf der Alm.“ Genussrechte nennt sich das dann - oder um- und weiterdenken.

Missionieren? Nein, danke!
Hoffnungen auf mehr Bio in Südtirol, auf ein Rechnung tragen der Konsumenten – hat er die, der beherzte Schafwirt? Gibt es einen Um- und Aufschwung mit dem neuen Landesrat Arnold Schuler? Nachdenklich wird er da, der vierfache Familienvater und ganz realistisch sagt er: „Der Schuler ist ja selbst ein großer Bauer mit 12 Hektar. Er wird den Bereich Bio mitbetreuen, aber mehr....“ Eine hörbare Pause macht der Obmann der Bioland Südtirol. Er ist überzeugt: „Die Politiker sagen das, was ihre WählerInnen hören wollen. Und Bauern sind eine gewichtige Wählerschaft in Südtirol.“

„Die Politiker sagen das, was ihre WählerInnen hören wollen. Und Bauern sind eine gewichtige Wählerschaft in Südtirol.“


Oberhollenzer will „niemanden missionieren, das funktioniert eh nicht. Wichtig ist mir gut zu argumentieren.“ Bio und Ökologie, das wolle eh niemand hören, weiß der Vordenker. „Aber lassen wir doch mal die ganze Ökologie weg. Konzentrieren wir uns nur auf die Wirtschaft. Dann müsste Bio den Bauern einleuchten.“ Und auch dem Südtiroler Bauernbund und den Politikern. 65 cent zahlt der Milchhof Sterzing für die Biomilch, 50 cent sind es für die herkömmliche Milch. Rein wirtschaftlich gesehen rechnet sich Bio, und rein menschlich gesehen auch.
Doch von Kühen, denen die Ketten in den Hals einwachsen, da hören wir lieber weg. „Bei uns in Südtirol ist eh alles bio, sagte unlängst jemand vom Bauernbund zu mir“, erzählt Oberhollenzer. Na dann...

 

 

Toller Artikel, mutiger Vorreiter! Weiter so! Die zwei besten Sätze im Artikel:
„Aber lassen wir doch mal die ganze Ökologie weg. Konzentrieren wir uns nur auf die Wirtschaft. Dann müsste Bio den Bauern einleuchten.“
"Bei uns ist eh alles bio...", ja, den Spruch haben sie mir auch schon erzählt.

So., 23.02.2014 - 10:07 Permalink

Michael Oberhollenzer ist ein engagierter Netzwerker und Ermöglicher. Der Bioland-Obmann setzt nicht auf Missionierung und den erhobenen Zeigefinger, sondern auf das gute Beispiel.

Wer ihn bei seiner Vernetzungsarbeit erleben möchte, hat am 8. März wieder Gelegenheit dazu. In der Reihe "BegegNUNgen" konzertiert das großartige Perkussion-Duo STIXX ab 19.30 auf dem Bioland Moserhof in Steinhaus. Wie immer wird Michael Oberhollenzer auch einige Pionieren der "Neuen Wirtschaft" eine Bühne geben.

So., 23.02.2014 - 17:49 Permalink