Politik | Gastkommentar

Mögen täten sie schon wollen…

Aufregung, Einmischung, Verunsicherung: Eine Replik auf die Störmanöver der Freiheitlichen im Hinblick auf die Parlamentswahlen 2018.
Zeno Christanell
Foto: Privat

Ich verstehe die Aufregung, die Frau Mair und auch Herr Leitner derzeit medial an den Tag legen, nicht. Die Freiheitlichen treten bei den Parlamentswahlen nicht an. Sie haben sich dafür entschieden, sich nicht der Wahl zu stellen, weil sie laut Fraktionssprecherin Mair „keine realistischen Aussichten auf Erfolg hätten“. Für diese eigene Entscheidung wollen sie nun keine Verantwortung übernehmen und mischen sich stattdessen täglich in die Angelegenheiten der SVP ein. Dabei sollte jeder zuerst einmal vor seiner eigenen Haustüre kehren.

Denn schauen wir uns die Fakten an: Tatsache ist, dass das neue Wahlgesetz für Südtirol eine Sonderregelung in mehrfacher Hinsicht bietet. Für uns gilt die staatsweite 3% Hürde nicht. Das wäre abhängig von der Wahlbeteiligung bis zu einer Million Stimmen – so viele Wähler gibt es in Südtirol natürlich gar nicht. Dahingegen genügen für die Minderheitenparteien 20% in der Region, was in etwa 120.000 Listenstimmen entsprechen wird – also rund 0,4% staatsweit. Neu ist, dass eine Partei auch zwei der sechs Einerwahlkreise gewinnen kann, damit diese Stimmen für die Verhältniswahl zählen. Also sind tatsächlich noch weniger Stimmen nötig – das wird man überall als minderheitenfreundlich begreifen.

 

Wenn die Südtiroler nicht wählen gehen, weil man sie glauben macht, die Parlamentswahlen seien eh gar keine richtige Wahlen – dann kann auch eine autonomiekritische Liste am meisten Stimmen erhalten.

 

Falls es bei der Verhältniswahl trotzdem nicht klappt, kann man immer noch einen Sitz in den Einerwahlkreisen holen – ganz ohne Hürde. Wenn Pius Leitner also in einem Einerwahlkreis antreten würde, dann müsste er genau eine Stimme mehr erhalten als ein anderer Kandidat einer anderen Liste, um das Mandat zu bekommen. Dafür wären je nach Wahlkreis etwa 40.000 Stimmen nötig. Diese Regelung ist neu und stellt sogar eine klare Verbesserung für die Opposition dar.

Der Vorschlag hingegen, dass man auch bei den Parlamentswahlen ohne Hürden alle Sitze nach einem Verhältniswahlrecht vergeben sollte – so wie bei den Landtagswahlen – ist völlig irreführend, da sich dafür keine Mehrheit im Parlament findet und zwar einfach deshalb, weil es dem Missbrauch durch andere Listen, die sich als Minderheitenvertreter erklären könnten, Tür und Tor öffnen würde. Abgesehen davon, dass es für eine Minderheit nicht gut ist, nach außen mit zu unterschiedlichen Positionen aufzutreten: Autonomie, Freistaat, Heimkehr – oder nix von alldem.

 

Für die eigene Entscheidung wollen die Freiheitlichen nun keine Verantwortung übernehmen und mischen sich stattdessen täglich in die Angelegenheiten der SVP ein.

 

Die aktuelle Verunsicherung kann sich negativ auf die Wahlbeteiligung auswirken, eine hohe Wahlbeteiligung ist aber nicht nur demokratiepolitisch sondern eben auch im Sinne des Minderheitenschutzes sehr wichtig. Der Region stehen sieben Sitze im Senat zu, sechs davon werden über die Einerwahlkreise vergeben, den siebten erhält die stimmenstärkste Liste. Die SVP hat gemeinsam mit den Autonomisten aus dem Trentino, dem PATT, eine realistische Chance in der Region stimmenstärkste Liste zu werden und damit den Listenführer, in diesem Fall Dieter Steger, nach Rom schicken zu können. Wenn die Südtiroler nicht wählen gehen, weil man sie glauben macht, die Parlamentswahlen seien eh gar keine richtige Wahlen – dann kann auch eine autonomiekritische Liste am meisten Stimmen erhalten. Das wird wohl nicht im Sinne unseres Landes sein!

Die Freiheitlichen wirken auf mich wie Leute, die im Sinne von Karl Valentin merken: „Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut“ – und nun auf ein mögliches Ausrutschen der anderen hoffen, um scheinbar schuldlos schadenfroh sein zu können.