Sports | Taktikanalyse

Physis schlägt Finesse...fast!

Eigentlich war nichts zu holen für den FC Südtirol bei Sassuolo (3:5). Mit einer betont körperlichen Herangehensweise konnte der FCS aber dennoch lange mithalten.
Nicola Pietrangeli trifft zum 3:3
Foto: Ufficio Stampa FCS - Foto Bordoni
  • Das Projekt Klassenerhalt geht für den FC Südtirol in die nächste Runde;  zu Gast dieses Mal beim Tabellenführer Sassuolo Calcio. Die heutigen Gastgeber sind auf Kurs Richtung Aufstieg in die Serie A. Bester Angriff bis dato, drittbeste Abwehr (mit 20 Gegentoren gleichauf mit Bari und Pisa), am meisten Siege ohnehin. Kurz: Alles Andere als eine klare Niederlage für den FCS wäre – rein statistisch – eine Überraschung

  • Mit Physis gegen Finesse

    Südtirols Herangehensweise war von Anfang an klar. Mit Merkaj (kam wieder ins Team) neben Odogwu setzte Castori auf die physische Variante im Angriff. Die beiden FCS-Stürmer hatten die Aufgabe, die beiden Innenverteidiger Sassuolos zu binden. Vor allem Odogwus Physis konnte Sassuolo so nie wirklich doppeln. Weil Rechtsverteidiger Toljan zudem sich meistens sehr hoch im Offensivspiel einschaltete, hatten die Gastgeber große Probleme Überzahl in der Defensive herzustellen. 

  • Stürmer binden Verteidiger: Südtirols Angreifer suchten sich ihre direkten Gegenspieler, sodass ständig 1-gegen-1-Situationen entstanden. Foto: SALTO
  • Sassuolo sehr fluide – zu fluide

    Denn Sassuolo ist bei eigenem Ballbesitz sehr fluide, die offensive 3er-Reihe (Berardi, Mulattieri, Pierini) bewegt sich viel, viel in den Zwischenlinienraum. Auch das 3er-Mittelfeld (vor allem Kristian Thorstvedt) wechselt oft die Positionen und schaltet sich in die Offensive mit ein. Sassuolo kommt (und kam in diesem Spiel) so auch in die gefährlichen Zonen und zu guten Tormöglichkeiten. Aber die defensive Absicherung leidet darunter, wenn - in erster Linie -  das Mittelfeld überdreht. 

  • Sassuolo will in den 10er Raum: Es war ist viel Bewegung im Angriff von Sassuolo. Ständig bewegen sich gleich mehrere Spieler in den Zwischenlinienraum. Foto: SALTO
  • Südtirol hatte sehr wohl seine Probleme mit den beweglichen Angreifern Sassuolos. Vor allem zu Beginn konnten sich diese immerzu von der engen Manndeckung des FCS befreien und mit wenigen Pässen und Dribblings zu Abschlüssen kommen (so z. B. beim Ausgleichstreffer). Gleichzeitig offenbarten sich auch während eben dieser Anfangsphase die Probleme mit der eigenen Balance. Der FCS konnte das (und mit vertikalem Spiel) ausnutzen, indem – nicht zufällig! – Odogwu im 1-gg-1-Duell gesucht wurde. Zweimal konnte sich Odogwu zu Beginn entscheidend durchsetzen, zweimal war Südtirol danach in Führung (zuerst traf Odogwu selbst, danach legte er zum zwischenzeitlichen 1:2 auf).

    Ansonsten presste Südtirol mal hoch, dann wieder etwas tiefer (und passiver) – dabei aber immer sehr, sehr mannorientiert; meistens sogar manndeckend, wie wir es bei Castori inzwischen gewöhnt sind (er lässt übrigens auch bei Eckbällen im Gegensatz zu seinen Vorgängern manndecken).

     

  • Manndeckung: Südtirol unter Castori bedeutet den Gegner mannzudecken. Foto: SALTO
  • Die betont physische Herangehensweise Südtirols passte grundsätzlich gut zum verspielten, technischen Ansatz des Gegners. Sassuolo wirkte zu Beginn förmlich überrascht und überrumpelt von der Körperlichkeit der Gäste. Der körperliche Aufwand Südtirols war aber auch enorm: Quasi Manndeckung übers gesamte Spielfeld bedeutet viele 1-gegen-1-Duelle und verlangt den Spielern auch in mentaler Hinsicht (Konzentration) einiges ab. Die Müdigkeit (nicht zuletzt: die mentale) setzte dann auch sehr bald ein beim FCS. Nach etwa 10-15 Minuten in der zweiten Halbzeit ließen Konzentration und körperliche Ausdauer nach. Es kam jetzt keineswegs zu einem abrupten Abfall, sondern vielmehr zu kleinen Symptomen, die signalisierten, dass die Leidensfähigkeit um vielleicht 10-15 Prozent nachgelassen hatte. 

  • Der FCS ist müde: Das aufwendige Spiel führt zu körperlicher und mentaler Müdigkeit. Foto: SALTO
  • Dann ging es Schlag auf Schlag: Sassuolo glich aus und ging wenig später sogar in Führung – Südtirol kam dann wieder zurück, glich aus, ehe es dann zusammenfiel und der individuellen Überlegenheit Sassuolos nichts mehr entgegenzusetzen vermochte. Die Herangehensweise war dabei schon gut durchdacht, hätte Castori mal früher gewechselt (und eben nicht Rover für Merkaj) – und sich Poluzzi mal nicht so düpieren lassen beim 4:3. Hätte, hätte - ich weiß.