Economy | Gastronomie

„Soll ich jetzt Dorfpolizist spielen?“

Sternekoch und Wirt Herbert Hintner über seinen Zorn auf die Landespolitik und die Tatsache, dass die Wirte herhalten sollen, um die Impfbereitschaft zu steigern.
Hintner, Herbert
Foto: Zur Rose
Salto.bz: Herr Hintner, Sie sagen die Politik missbraucht die Gastwirte, um indirekt die Impfpflicht durchzusetzen?
 
Herbert Hintner: Ich bin sehr verärgert, dass wir Wirte wieder einmal diejenigen sein sollen, die herhalten müssen, dass die Impfkampagne weitergeht. Die Regelungen in der Gastronomie dienen dazu, Druck auf die Menschen zu machen, damit sie sich impfen lassen. Wir sollen den Coronapass der Gäste kontrollieren. Ich frage mich schon: Soll ich jetzt Dorfpolizisten spielen? Oder bin ich plötzlich zum Kartenzwicker degradiert?
 
Sie müssen jedem Gast nach dem Green Pass fragen? Es genügt die Antwort, dass er ihn hat. Kontrollieren brauchen Sie ihn nicht.
 
Anscheinend soll das Ganze nicht so streng gehandhabt werden. Aber wenn es hart auf hart geht, dann bekommt der Gast eine Geldstrafe. Und mir als Gastronom droht – wenn ich Pech habe – die Schließung.
 
Eine Frage ist, wie man diese Kontrollen durchführen will. Kommt die Polizei zwischen Hauptgang und Nachtisch und kontrolliert die Gäste am Tisch?
 
Ich frage mich selbst wie man das machen will. Ich denke nicht, dass die Polizeikräfte in einem Speisesaal 30 Gäste kontrollieren können. Das es soweit kommt, hoffe ich nicht. Ebenso aber hoffe ich, dass nicht jeder Gast ein Formular ausfüllen muss, wo er Email-Adresse und Handynummer angeben muss. Das wird dann eine Zettelwirtschaft, die wieder auf uns Gastwirte zurückfällt.
 
Sie sind richtig zornig?
 
Ja, ich bin zornig auf die Politik. Schauen Sie, mein gesamter Betrieb ist geimpft. Ich habe mich aktiv darum bemüht, dass sich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter impfen lassen. Deshalb sollte man das anerkennen und die Politik sollte uns entgegenkommen. Vor allem aber bin ich jetzt schon gespannt, was mit den Bauern in ein paar Wochen passiert. Wenn die ganzen Erntehelfer aus dem Osten kommen, die alle mit Sputnik geimpft sind, das in Europa nicht anerkannt wird. Was passiert dann?
 
Man wird in Südtiroler eine Ausnahmeregelung finden?
 
Ganz genau. Aber bei uns wird nie eine Ausnahme gemacht. Für mich reicht es jetzt. Wir Gastronomen habe schon sehr gelitten und jetzt ist einfach genug.
 
 
 
Inzwischen wird in Italien offen auch über eine Impfpflicht für die Mitarbeiter in der Gastronomie diskutiert. Wie stehen Sie dazu?
 
Ich persönlich bin für die Impfung. Ich bin einer, der an die Wissenschaft glaubt. Die Wissenschaft und die Impfung haben uns geholfen, gefährliche Krankheiten wie Masern, Mumps und andere in Schach zu halten. Natürlich kann man jetzt über Pharmalobbys und Milliardengewinne diskutieren. Aber ich glaube an die Wirkung der Impfung. Wir leben in einer Demokratie in der die Leute selbst entscheiden können. Gleichzeitig hat jeder auch eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Wenn jemand also hergeht und sagt, mir ist alles egal, was meinen Mitmenschen passiert, dann halte ich das für falsch. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Impfung etwas haben, mit dem wir alle ganz gut leben können.
 
Will ich ein Lokal betreten, brauche ich entweder eine Impfung oder einen Test?
 
Ja. Das heißt aber derzeit: Wenn ich eine Pizza essen will und ich nicht geimpft bin, muss ich vorher um 15 oder 20 Euro einen Test machen. Das kann doch nicht funktionieren. Ein junger Mensch der Pizzaessen oder Sushi essen geht, der kann sich das auf die Dauer sicher nicht leisten. Ganz zu schwiegen von den Diskotheken.
Ich bin gespannt, was mit den Bauern in ein paar Wochen passiert. Wenn die ganzen Erntehelfer aus dem Osten kommen, die alle mit Sputnik geimpft sind, das in Europa nicht anerkannt wird.
In Sachen Tests brauchen sich die Hoteliere nicht zu beklagen. Der HGV hat durchgesetzt, dass sich die Mitarbeiter und sogar die Gäste gratis testen lassen können. Während alle anderen Normalsterblichen seit einigen Wochen zahlen müssen?
 
Auch das ist nicht richtig. Die Tests sollen für alle – auch für die Einheimischen – weiterhin kostenlos sein.
 
Sehen Sie ein Ausweg aus der derzeit verfahrenen Situation?
 
Natürlich ist es nicht einfach. Aber eine Grundvoraussetzung ist, dass die Spielregeln für alle gleich gelten müssen. Auch für die Bauern. Oder für die Kaufleute. Die Geschäfte haben auch Kunden und die Menschen strömen massenweise in die Einkaufzentren. Dort passiert nichts. Aber wir sollen immer herhalten.
 
Befürchten Sie persönlich finanzielle Einbußen aus der Regelung, die ab 5. August in Kraft treten soll?
 
Eigentlich nicht. Zum einen haben wir in der Sternegastronomie doch eine etwas ältere Gästestruktur, die mehr oder wenige alle geimpft sind. Zum anderen kann ich mir nicht vorstellen, dass wenn im Speisesaal - sagen wir mal - ein Landeshauptmann oder andere bekannte Persönlichkeiten sitzen, dass die Polizei dann hingeht, um deren Impfpass zu kontrollieren. (lacht) Hier sind wir sicher etwas privilegierter. Aber mir geht es um das Prinzip. Und viele Betrieb leiden wirklich schwer darunter.

Sie sitzen auch im Landesausschuss des Südtiroler Hotelier- und Gastwirteverbandes. Wir der HGV in diese Richtung etwas unternehmen?
 
Das ist noch nicht entschieden. HGV-Präsident Manfred Pinzger hat sich bereits öffentlich unmissverständlich geäußert, dass wir keine Kartenzwicker sind. Er wehrt sich mit Händen und Füßen. Es wird sich zeigen, ob das am Ende etwas nützt.